Hamburg. Er hat gerade die dritte neue Niere erhalten: Ivan Klasnic (38) gibt nicht auf. Er ist jetzt Spielerberater und macht klare Ansagen.
Er hat ein kleines Bäuchlein bekommen. „Ich bin nicht mehr ganz so fit wie früher“, sagt Ivan Klasnic (38.). „Aber zwei, drei Kilo mehr sind mittlerweile okay für mich.“ Der frühere Fußball-Profi und Publikumsliebling des FC St. Pauli betritt gut gelaunt den Sportplatz Tribünenweg. Hier kämpft der Torjäger seit Saisonbeginn mit den Alten Herren von Croatia um die Hamburger Meisterschaft. Seine erfolgreichste Zeit erlebte der gebürtige Hamburger bei Werder Bremen mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft sowie des DFB-Pokals in der Saison 2003/2004.
Bremen ist allerdings bis heute auch der Ort seines größten Schicksalsschlages. Bei einer Blinddarm-Operation im Jahr 2005 wurden schlechte Nierenwerte registriert, die Ende 2006 zu einem chronischen Nierenversagen führten. Klasnic leidet bis heute an den Folgen – und prozessiert seither gegen zwei Bremer Ärzte und zwei Therapieeinrichtungen, denen er vorwirft, die schlechten Werte nicht bereits bei früheren Untersuchungen erkannt und ihn daher falsch behandelt zu haben.
Ivan Klasnic im Team mit Ivica Olic?
Hamburger Abendblatt: Herr Klasnic, wie stehen die Chancen, dass Sie im Sommer 2019 wieder Deutscher Meister sind?
Ivan Klasnic: Warum nicht? Wir stehen mit Croatia als Zweiter in unserer Oberligastaffel bei den Alten Herren nur zwei Tore hinter dem Tabellenführer und Hamburger Meister SC Condor. Natürlich wollen wir gerne den Titel holen und uns für die norddeutsche und deutsche Meisterschaft qualifizieren.
Fünf Jahre nach Ihrem Karriereende sind Sie wieder am Ball. Wie kam es dazu?
Klasnic: Ich helfe bei der U19 von Croatia als Co-Trainer mit. Vor dieser Saison sprachen mich die Alten Herren des Vereins an, ob ich bei ihnen spielen will. Es macht sehr viel Spaß. Wir haben eine gute Mannschaft. Alle sind super drauf.
In Ihrer Profikarriere erzielten Sie insgesamt 119 Tore. Wie sieht es aktuell aus?
Klasnic: Es könnte besser sein. Ich habe erst vier, fünf Tore gemacht, viele Chancen nicht verwertet – ungewöhnlich für mich. Aber es sind viele Vorlagen auf dem Konto gelandet. Das Wichtigste ist und bleibt für mich sowieso, dass die Mannschaft gewinnt.
Es ging das Gerücht um, die Alten Herren hätten Ex-HSV-Profi Ivica Olic ebenfalls zu einem Comeback überredet?
Klasnic: Wir wollten ihn fragen. Er lebt ja in Hamburg. Doch er ist als Co-Trainer der Nationalmannschaft Kroatiens viel unterwegs. Vielleicht klappt es, wenn er irgendwann weniger zu tun hat. Andererseits: Mit unserem türkischen Bomber Mohammad Monem, den früheren Halbprofis Mate Karaula und Jürgen Tunjic sowie mir haben wir einen Top-Sturm. Wenn Ivica noch zu uns stößt, wer soll dann spielen?
"Ich arbeite als Spielerberater"
Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade auf Torejagd für Ihren neuen Verein gehen?
Klasnic: Ich arbeite als Spielerberater. Nicht in einer großen Agentur. Wir machen das in einem kleinen Kreis.
Keine Lust auf eine Trainerkarriere?
Klasnic: Das ist nichts für mich. Ich fühle mich nicht als Trainer. Außerdem möchte ich Zeit mit meiner Tochter verbringen. Sie wird nun langsam ein Teenager. Als Spielerberater bin ich flexibler.
Sie prozessieren wegen Ihrer Nierenerkrankung seit Jahren gegen zwei ehemalige Vereinsärzte von Werder Bremen und zwei Therapieeinrichtungen. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Klasnic: Seit einem Jahr geht es mir sehr gut. Ich habe in Kroatien die dritte Nierenspende erhalten, muss aber immer noch jeden Tag 20 Tabletten nehmen. Unter anderem, damit die Niere nicht abgestoßen wird.
Die erste Organspende im Januar 2007 durch Ihre Mutter schlug fehl, die Nierenspende Ihres Vaters zwei Monate später gelang. Nun, nach zehn Jahren, haben Sie eine dritte Niere. Ist für Sie alles ausgestanden?
Klasnic: Eine Niere hält zehn bis 20 Jahre. Ich bin 38 Jahre alt – und möchte natürlich gern 100 Jahre alt werden. Wie lange diese Niere hält, weiß ich nicht. Natürlich hoffe ich, wie alle Betroffenen, auf Fortschritte in der Forschung. Zum Beispiel, dass man nur noch eine Tablette am Tag nehmen müsste. Aber noch ist das nicht der Fall.
Prozess gegen Ärzte: "Ich gebe nicht auf"
Vor dem Bremer Landesgericht erstritten Sie 100.000 Euro Schmerzensgeld – und gingen in Berufung. Im Oktober 2018 schlug das Bremer Oberlandesgericht einen Vergleich über drei Millionen Euro vor. Beide Parteien haben abgelehnt. Warum scheiterte der Vorschlag des Gerichtes?
Klasnic: Wir sind im ständigen Kontakt mit der gegnerischen Partei. Von denen kam aber nie das offizielle Angebot eines Vergleichs. Daher ist die Darstellung falsch, ich würde einen Vergleich ablehnen. Es wurde zwischen beiden Parteien einfach nie darüber gesprochen, auch nicht nach dem Vorschlag des Gerichtes. Also konnten wir keine Stellung dazu nehmen. Ich möchte nicht ausschließen, irgendwann einem Vergleich zuzustimmen, doch etwas Grundsätzliches ist mir schon wichtig.
Was meinen Sie?
Klasnic: Ich stehe zu meinen Prozessen. Ich will sie so lange durchführen, wie es geht, und gebe nicht auf. Weil ich der Meinung bin: Es haben Leute etwas falsch gemacht. Nicht umsonst habe ich ja den ersten Prozess gewonnen. Jetzt wird ein neues Gutachten erstellt, und ich glaube, auch da wird für mich nichts Negatives drinstehen. Was ich zudem sehr traurig finde, bis heute gibt es von der Gegenseite keine offizielle Entschuldigung. Erst am letzten Prozesstag hieß es von den Ärzten, es tue ihnen leid, was mir passiert ist. Natürlich ist mir klar, dass da auch Versicherungen im Hintergrund sind, die sicher nicht sagen: „Amen, Ivan Klasnic hat recht.“
Im Herbst 2019 soll weiterverhandelt werden. Belastet Sie die Ungewissheit?
Klasnic: Nein, das tut sie nicht. Weder die Prozesse noch meine gesundheitliche Situation. Es ist, wie es ist. Ich kann es doch nicht ändern.
Haben Sie noch Kontakt zum FC St. Pauli?
Klasnic: Etwas Kontakt ist da. Natürlich ist es schade, dass viele Menschen, die viel für den Verein getan haben, nicht mehr dort sind. Aber nun ist eben die neu Generation am Werk. Ich kenne ja zum Beispiel noch Co-Trainer André Trulsen. Wir sind gemeinsam in die Bundesliga aufgestiegen. Ich schätze ihn sehr.
"Bei uns haben sich die Gegner in die Hose gemacht"
Wie lautet Ihr Urteil zum aktuellen Team?
Klasnic: Sie machen gute Arbeit, haben ihre Punkte geholt. Das zählt in der Zweiten Liga. Daumen hoch dafür! Ob es am Ende für ganz oben reicht, kann ich schwer einschätzen. Ich will ehrlich sein: Attraktiv finde ich den Fußball nicht. Die Spielkultur ist nicht gut
Welche Spielkultur wäre Ihnen lieber?
Klasnic: Bei uns haben sich die Gegner am Millerntor damals in die Hose gemacht. Die liefen voller Respekt auf, waren schon vorher mit einem Punkt zufrieden. In unserem kleinen, geilen Stadion haben uns die Fans nach vorne gepeitscht. Wir boten ihnen offensiven und attraktiven Fußball. Klar, manchmal kassierten wie vier Dinger. Dann machten wir vorne eben fünf Stück und gewannen trotzdem. Das vermisse ich.
Sie haben oft betont, Ihre Karriere bei St. Pauli beenden zu wollen. Warum kam es nie dazu?
Klasnic: Ich will nicht nachtreten, das liegt mir fern. Ich spielte in der Jugend für St. Pauli, unterschrieb mit 17 Jahren als Vertragsamateur und lief zum ersten Mal in einem Profispiel am Millerntor auf. Dem Verein bin ich bis heute verbunden. Nach meiner Zeit in England 2012 und meiner dann leider letzten Saison in Mainz 2013 waren beim FC St. Pauli einige Leute an der Macht, die meine Rückkehr verhinderten. Es ging nicht um Kohle oder dergleichen. Sie haben es einfach nicht erlaubt. Dabei wäre das ein Highlight gewesen. Wer weiß, was ich dem Verein noch hätte geben können? Es ist schade, wie es gelaufen ist. Immerhin spiele ich noch in der Traditionsmannschaft.
Hat sich Ihr Blick aufs Leben verändert?
Klasnic: Ich versuche, Spaß zu haben, das zu tun, worauf ich Bock habe. Vor allem aber möchte ich mich nie zu wichtig nehmen. Das tue ich auch hier bei Croatia nicht. Wir haben eine tolle Truppe, ich bin ein Teil davon. Mehr nicht.
Einige ehemalige Profis gehen irgendwann in ein Reality-TV-Format? Sie auch?
Klasnic: So etwas kann ich ganz sicher ausschließen. Ich werde nie ins Dschungelcamp oder bei Big Brother einziehen. Ich will mich nicht lächerlich machen.