Hamburg. Der Stürmer hat große Chancen, nach Jan Kocian und Ivo Knoflicek St. Paulis erster WM-Teilnehmer seit 28 Jahren zu werden.

Mit einem großen Hallo dürfte Aziz Bouhaddouz als angehender WM-Teilnehmer an diesem Montagmittag von seinen Teamkollegen begrüßt werden, wenn er im Trainingszentrum des FC St. Pauli an der Kollaustraße erscheint. Voraussetzung ist, dass der marokkanische Stürmer rechtzeitig von seiner Afrika-Kurzreise zurückkommt.

Wie berichtet war Bouhaddouz am Freitagabend nach der ersten Halbzeit des Testspiels zwischen St. Pauli und Odense BK (3:1), in dem er die beiden ersten Treffer erzielt hatte, zum Flughafen Fuhlsbüttel geeilt, um nach Abidjan, der größten Stadt der Elfenbeinküste, zu fliegen. Der Plan war, dort das alles entscheidende WM-Qualifikationsspiel der Gruppe C seiner marokkanischen Nationalmannschaft gegen das Team der Ivorer zu verfolgen. Marokkos Nationaltrainer Hervé Renard hatte Bouhaddouz explizit zum Spiel eingeladen, auch wenn er wegen seiner gerade erst auskurierten Wadenverletzung nicht dem Kader für das entscheidende Spiel angehörte. „Aziz ist ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft. Der Trainer hatte alle, die zur WM-Qualifikation beigetragen haben, eingeladen. Nach der guten Trainingswoche und seinem Einsatz im Testspiel habe ich ihm gern erlaubt, dorthin zu reisen. Es ist für Marokko das Ereignis überhaupt. Das ganze Land steht kopf“, sagte St. Paulis Cheftrainer Olaf Janßen.

Dies traf umso mehr zu, nachdem das Team Marokkos am Sonnabend das entscheidende Spiel mit 2:0 für sich entschied, damit die Qualifikationsgruppe mit zwölf Punkten aus sechs Spielen ungeschlagen als Tabellenerster abschloss und nun erstmals seit 1998 wieder bei einer WM-Endrunde dabei sein wird. Bouhaddouz hatte erst im August vergangenen Jahres im Alter von 29 Jahren sein Länderspiel-Debüt gegeben. Inzwischen stehen für ihn elf Einsätze in der Nationalmannschaft zu Buche, beim Afrika-Cup im Januar stand er in allen vier Begegnungen in der Startelf.

Bouhaddouz stürmte den Rasen

Zahlreiche marokkanische Fans hatten ihre Nationalmannschaft zum entscheidenden Spiel nach Abidjan begleitet
Zahlreiche marokkanische Fans hatten ihre Nationalmannschaft zum entscheidenden Spiel nach Abidjan begleitet © Getty Images

„Alle verletzten Akteure und Ersatzspieler sind in der 85. Minute von der Tribüne zum Spielfeldrand gelaufen. Es stand schon 2:0, wir haben angefangen, das Team zu feiern. Als der Schiedsrichter abpfiff, gab es kein Halten mehr, jeder ist sofort auf das Spielfeld gerannt. Das war ein großer Moment für das ganze Land“, berichtete Bouhaddouz am Sonntag vor seinem Rückflug. Und weiter: „Nach dem Spiel ging es direkt mit dem Flieger nach Marokko, wo wir um halb zwei ankamen. Zigtausende Fans haben uns empfangen. Das Land ist komplett ausgeflippt. Das war ein einmaliger Augenblick, den ich nie vergessen werde.“

Es spricht nun vieles dafür, dass der FC St. Pauli nach 28 Jahren wieder einen Teilnehmer an der Fußball-WM-Endrunde haben wird. Zuletzt waren 1990 in Italien Abwehrspieler Jan Kocian und Stürmer Ivo Knoflicek dabei, beide für die damalige Tschechoslowakei. Kocian war Kapitän und wurde in seiner Heimat zum Fußballer des Jahres gewählt. Die Tschechen erreichten mit den beiden als Stammspieler das Viertelfinale. Dort verloren sie 0:1 gegen den späteren Weltmeister Deutschland.

Für Bouhaddouz wird es im kommenden halben Jahr darauf ankommen, gesund zu bleiben und beim FC St. Pauli an die Form anzuknüpfen, die ihn in der vergangenen Saison mit 15 Treffern zu einem der erfolgreichsten Stürmer der Zweiten Liga gemacht hat.

In Brüssel kam es nach dem Sieg Marokkos derweil zu schweren Ausschreitungen von rund 300 Personen. Dabei wurden Autos in Brand gesetzt, Läden geplündert und 22 Polizisten verletzt. Belgiens Hauptstadt hat eine große marokkanische Gemeinde.