Es gab wohl keinen Trainer, der besser zum FC St. Pauli gepasst hätte als Ewald Lienen. Fußballverrückt, unangepasst, leidenschaftlich, kommerzkritisch, politisch interessiert – all diese Eigenschaften trafen auf den 63-Jährigen zu und entsprachen wunderbar dem Image des Fußball-Zweitligaclubs am Millerntor. Die Fans lieben ihn.

Das ist die eine Wahrheit. Die andere lautet, dass sich die Vereinsführung schon im vergangenen Jahr intensiv Gedanken über den Trainerposten machte. Es gab offensichtlich erhebliche Zweifel, ob Lienen in der Lage ist, die Mannschaft weiterzuentwickeln. Ein Rauswurf galt aber spätestens nach der herausragenden Rückrunde als ausgeschlossen.

Der Autor ist Sportchef beim Abendblatt
Der Autor ist Sportchef beim Abendblatt © HA | Andreas Laible

Es ist verständlich, dass Präsident Oke Göttlich die am Mittwochvormittag präsentierte Lösung, Lienen zum Technischen Direktor zu ernennen und Co-Trainer Olaf Janßen zum neuen Chef-Coach zu befördern, fast euphorisch abfeierte. Vom „Höhepunkt einer Erfolgsgeschichte“ bezüglich Lienen zu sprechen, ist jedoch reichlich übertrieben, wenn man gerade mit Mühe und Not den Klassenerhalt geschafft hat.

Vielfältiges Aufgabenfeld ohne Entscheidungskompetenz

Halten wir uns an die Fakten: Der FC St. Pauli hat für Lienen einen Posten geschaffen, für den in den vergangenen Jahren keiner Notwendigkeit gesehen hat. Ein Arbeitsplatz (Millerntorstadion oder Kollaustraße) muss erst noch gefunden werden. Lienen wird künftig einem noch zu ernennenden Sportchef berichten. Das heißt, er hat ein vielfältiges Aufgabenfeld ohne Entscheidungskompetenz. Lienen wird es trotz der langen Laufzeit des neuen Vertrags schwer haben den ersten Eindruck zu löschen, elegant weggelobt worden zu sein. Und man muss abwarten, ob er sich im vielfältigen aber dadurch auch schwammigen Aufgabengebiet (Trainerausbildung, Sponsorenpflege, Aufbau internationale Kooperationen, Berater der Gremien) wohlfühlt.

Olaf Janßen wiederum muss seine Eignung als Cheftrainer erst noch nachweisen. Mit Dynamo Dresden stieg er 2014 in die Dritte Liga ab. Den Erwartungsdruck vor der neuen Saison darf der 50-Jährige nicht unterschätzen. Mit dem VfB Stuttgart und Hannover 96 sind zwei Pflichtaufsteiger aus der Liga verschwunden. Die Chance, oben anzugreifen, ist durchaus vorhanden.