Stuttgart. Trotz Führung ließ sich St. Pauli auskontern und verlor in Stuttgart. Lienen ist unzufrieden mit der Chancenverwertung.
Beim Schlusspfiff war die Stimmung bei den Spielern des FC St. Pauli am Boden. Trotz einer lange Zeit starken Vorstellung beim Bundesligaabsteiger VfB Stuttgart und einer verdienten Führung standen sie am Ende mit leeren Händen da. Das 1:2 (1:0) zum Saisonauftakt war eine der bittersten Niederlagen für die Braun-Weißen seit langer Zeit. Am Ende wurden sie Opfer ihrer eigenen Nachlässigkeiten bei der Ausnutzung von Torchancen und mussten sich letztlich der individuellen Klasse der Stuttgarter beugen.
Mit einer faustdicken Überraschung wartete St. Paulis Trainer Ewald Lienen auf, indem er Bernd Nehrig in die Startelf beorderte und stattdessen Christopher Avevor nur auf die Reservebank setzte. Nehrig bildete gemeinsam mit Christopher Buchtmann das Duo im defensiven Mittelfeld. Zuletzt hatte alles darauf hingedeutet, dass sich der nach drei Jahren zum FC St. Pauli zurückgekehrte Avevor einen Stammplatz erarbeitet hatte.
Eher war schon zu erwarten gewesen, dass als rechter Außenverteidiger der flinke und offensiv stärkere Vegar Eggen Hedenstad den Vorzug vor Marc Hornschuh erhielt. Ganz offensichtlich wollte sich Lienen nicht auf eine Defensivschlacht einlassen. So war auch zu erklären, dass er den ebenfalls schnellen Fabrice-Jean „Fafa“ Picault neben den kräftigen Aziz Bouhaddouz im Angriff aufbot und sich nicht auf ein Spielsystem mit nur einem echten Stürmer verlassen wollte.
Sobiech wird Elfmeter verweigert
Für Bernd Nehrig war es unterdessen die Rückkehr an seine frühere Wirkungsstätte. Der gebürtige Heidenheimer war bereits in früher Jugend zum VfB Stuttgart gewechselt und hatte dort alle Nachwuchsmannschaften durchlaufen und auch sein erstes Bundesligaspiel bestritten. Gut drei Minuten nach dem Anpfiff war es auch Nehrig, der den ersten „echten“ Torschuss des Spiels wagte, aber verzog.
Das war der Auftakt zu einer starken Anfangsphase der St. Paulianer, die nicht nur das Angriffsspiel des VfB unterbanden, sondern auch selbst Akzente nach vorn setzten. Dabei verfehlte Picault nach einer Ecke von Buchtmann den Ball nur knapp (14.)
Nach der nächsten Standardsituation, diesmal war es ein Freistoß von Buchtmann, verweigerte Schiedsrichter Benjamin Brand den Hamburgern einen Strafstoß, obwohl der in die Flugbahn des Balles laufende Kapitän Lasse Sobiech klar von Simon Terodde zu Boden gerissen wurde (18.).
Himmelmann pariert glänzend gegen Terodde
Auf der Gegenseite bot sich Terodde, dem Zweitliga-Torschützenkönig der vergangenen Saison, plötzlich die beste Stuttgarter Chance der ersten Halbzeit, als er dem in dieser Szene indisponierten Philipp Ziereis entwischte und allein auf das Hamburger Tor strebte. Hier aber bestand Torwart Robin Himmelmann seine erste Prüfung.
Einzelkritik: Bouhaddouz hätte das Spiel früh entscheiden können
Dies aber war keineswegs der Auftakt zu einer Stuttgarter Drangphase. Vielmehr bewies Picault ein weiteres Mal seine Antrittsschnelligkeit auf dem rechten Flügel und bediente mit einem halbhohen Ball Bouhaddouz, der den Ball volley zur verdienten 1:0-Führung (28.) ins VfB-Tor setzte. Neuzugang Bouhaddouz hätte wenig später das Spiel sogar schon fast entscheiden können. Erst verfehlte sein Kopfball nur knapp das Stuttgarter Tor (36.), dann setzte er, wiederum von Picault freigespielt, den Ball an den rechten Innenpfosten, von wo aus er knapp vor der Torlinie entlang rollte.
Lienen: „Völlig unverdient“
Zur zweiten Halbzeit brachte Stuttgarts Trainer Jos Luhukay mit Alexandru Maxim einen seiner prominentesten Akteure in die Partie. Der Offensivspieler sollte für mehr Druck sorgen. Dieser stellte sich nach rund zehn Minuten dann ein, auch weil St. Pauli nicht mehr so kompakt wie zuvor agierte. Es fehlte dem Lienen-Team zunehmend an Struktur im Spiel. Bei einem Kopfball von Stephan Sama an die Torlatte hatten die Braun-Weißen noch Glück (60.).
Sieben Minuten später war ihnen dieses Glück nicht mehr hold. Buchtmann scheiterte an Stuttgarts Mitchell Langerak, den unmittelbar folgenden Konter schloss „Joker“ Maxim zum 1:1-Ausgleich (67.) ab. „Sich im fremden Stadion auskontern zu lassen, darf nicht passieren“, monierte Lienen. Und es kam noch schlimmer. In der 87. Minute landete ein Schuss von Emiliano Insua auf dem Fuß des knapp nicht im Abseits stehenden Christian Gentner, der zum 2:1 traf.
„Die Niederlage ist völlig unverdient. Einen unverdienteren Sieg habe ich selten gesehen. Wir müssen das 2:0 machen, dann wird’s für Stuttgart schwer. Wir haben ein Riesenspiel gemacht und hätten mindestens einen Punkt verdient gehabt“, urteilte Lienen.