Hamburg. Am Ende der Hinrunde ging ihm die Kraft aus, jetzt ist St. Paulis Mittelfeldspieler bereit für den Wettbewerb um einen Startplatz.

Die Frauenstimme von der Festplatte gurrt verführerisch: „Three, two, one, run!“, dann ein Piep, umdrehen, „stop and rest“. Und schon geht es wieder von vorne los: „Three, two ...“ Mit dem Verführerischen aus dem Laptop hatte es sich da schnell erledigt für die Profis des FC St. Pauli am schneeverregneten, eiskalten Dienstag. Stattdessen stand Athletiktrainer Janosch Emonts daneben und feuerte lautstark an, „geht noch, Marc“. Beim vierten Durchgang der elften Stufe ging dann aber nichts mehr. Marc Rzatkowski streckte die Waffen – immerhin Viertbester seiner Gruppe. „Spaß macht das nicht“, sagte der 25-Jährige hinterher, „aber es muss halt sein.“

„Shuttle run“ nennt sich das intensive Trainingsprogramm, kurze Läufe, 20 Meter, Wende, immer wieder bei stets erhöhter Tempoanforderung. „Ein Fall für Amnesty International“, scherzte Chef-Trainer Ewald Lienen angesichts der „Qualen“ seiner Spieler und trug nach Rzatkowskis Ausstieg ganz dick auf: „Jetzt wäre ich erst eingestiegen“. Die zehn Tage bis zur Abreise ins Trainingslager nach Belek will Lienen vor allem nutzen, um die körperlichen Fähigkeiten seines Teams zu analysieren und zu verbessern. „Das ist schon sehr anstrengend, aber es gehört in der Vorbereitung einfach dazu“, sagt Rzatkowski.

„Ende der Hinrunde war etwas unglücklich“

Der Mittelfeldspieler zählt zu denen, für die absolute Fitness unbedingte Voraussetzung für eine gute Leistung ist. So erklärt er auch seine Form in der Hinrunde, wo er als „Sechser“ einer der stabilsten Akteure war. „Ich konnte im Sommer das gesamte Vorbereitungsprogramm ohne Verletzung absolvieren.“ Und jetzt ist es wieder so weit, nachdem „Ratsche“ zum Ende der Hinrunde nicht mehr dabei war. Nach der Partie bei 1860 München (0:4) hatte Lienen den nur 1.72 Meter großen Dauerrenner aus dem Team genommen, um ihm eine Pause zu gönnen. Er wirkte überspielt, sollte seine Batterien wieder auftanken. „Das Ende der Hinrunde war etwas unglücklich. Es war verabredet, dass ich in Bielefeld wieder spiele, aber dann kam die Erkrankung, ich habe vier, fünf Tage flachgelegen“, erinnert sich Rzatkowski.

Eine Nebenhöhlenentzündung hatte ihn für die beiden letzten Spiele außer Gefecht gesetzt. „Jetzt ist aber längst alles kuriert“, sagt er. Schon im Weihnachtsurlaub in Miami hatte er intensiv sein Laufprogramm in südlicher Sonne durchgezogen. Denn jetzt geht der Kampf um den Stammplatz los. Und den kann er nur durch optimale Fitness zurückerobern.

Unter Lienen zur festen Position

Dass er kicken kann, das ist ja klar. Dass wusste der junge Blondschopf auch immer, schließlich hatte er in seiner Jugend die viel größeren Jungs häufig genug düpieren können. Bei den Profis aber, da können sie alle mit dem Ball umgehen. „Ich bin zwar wesentlich stabiler geworden im Körper, aber natürlich eher ein schmächtiger Typ“, sagt der gebürtige Bochumer. „Jeder muss seine eigenen Stärken finden. Bei mir ist es auch die Laufstärke. Ich habe relativ früh gemerkt, dass fußballerisches Können allein nicht reicht, als Profi braucht man viel Disziplin“, sagt er, „mir hat das entscheidend Michael Oenning beim VfL Bochum vermittelt“. Der ehemalige HSV-Coach war 2007/08 für die Bochumer U19 verantwortlich, aus der heraus Rzatkowski den Sprung zum Profi schaffte.

Im Sommer 2013 war er vom VfL zum FC St. Pauli gewechselt. Er machte zwar diverse Spiele, wurde aber mal auf der Rechtsaußen-Position im Mittelfeld eingesetzt, dann als Spielmacher zentral, dann wieder links und wieder rechts. So richtig seinen Platz finden konnte er nicht. Erst als Ewald Lienen ihn vor dieser Saison zentral als Abfangjäger und Aufbauer einsetzte, hatte er seine feste Position gefunden.

Vertragsverlängerung noch kein Thema

2017 läuft sein Vertrag aus, laut der Profi-Arithmetik müsste also in diesem Sommer sein Kontrakt verlängert werden, damit er nicht im nächsten Jahr ablösefrei ist. Da muss Rzatkowski lachen, „darüber mache ich mir nun wirklich noch gar keine Gedanken“, sagt er. „Ich will jetzt erst einmal sehen, dass wir so schnell wie möglich 40 Punkte holen und weiter Spaß am Fußball haben.“