Hamburg. Die letzte Tribüne am Millerntor ist fast fertig - in wenigen Wochen wird sie eingeweiht. Ein Besuch auf der Baustelle.

Torsten Vierkant muss mal wieder etwas lauter werden. „Richiiiieeee, wenn du hier draußen bist, musst du einen Helm aufsetzen“, ruft er einem Bauarbeiter zu. „Hast ja recht, Torsten“, antwortet der Kollege und setzt sich einen Helm auf. „Manchmal muss man eben ein bisschen streng sein“, sagt Vierkant, 47. Er ist der Stadionchef des FC St. Pauli und für den Bau der neuen Nordtribüne am Millerntor verantwortlich. In wenigen Wochen wird die neue Tribüne eingeweiht.

Nach einer neunjährigen Umbauphase soll das rund 30.000 Zuschauer fassende Stadion zum Heimspielauftakt endgültig fertig sein. Dafür muss nur noch die Deutsche Fußball-Liga mitspielen. Der FC St. Pauli hat bei der DFL einen Antrag gestellt, am ersten Spieltag der neuen Zweitligasaison zunächst auswärts zu spielen. So hätte der Verein noch eine Woche mehr Zeit für den Bau der Nordtribüne. Sollte die DFL den Antrag ablehnen und St. Pauli zum Ligastart am Wochenende 24. bis 27. Juli zunächst zu Hause spielen, wären einige Feinarbeiten noch nicht abgeschlossen. So müsste beispielsweise an den Kiosken das Bier aus Flaschen ausgeschenkt werden, da die Zapfanlagen zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Betrieb sind. Den neuen Spielplan veröffentlicht die DFL am 26. Juni.

In jedem Fall wird die Nordtribüne zum Saisonstart für 6100 Zuschauer zugänglich sein. 3500 Steh- und 2600 Sitzplätze bietet die Tribüne. Sie ist der letzte Baustein des neuen Stadions, dessen Fundament der ehemalige Präsident Corny Littmann einst selbst legte, als er im Dezember 2006 im Bagger sitzend den Abriss der alten Südtribüne einleitete. Torsten Vierkant erinnert sich noch ganz genau an diesen Moment. „Wir hatten das Ziel, mit wenig Geld viel zu bauen“, sagt Vierkant heute. Der DDR-Flüchtling, dessen Zeit beim FC St. Pauli 1992 mit einem Ordnerjob begann, hat die gesamte Bauphase des Stadions geleitet. „Ich kenne hier jede Schraube“, sagt Vierkant, der nach einer Phase als Ticketverantwortlicher 2007 zum Stadionchef befördert wurde. Dass der Bau des neuen Millerntors reibungslos verlief, liegt auch an Vierkant, der mit großer Leidenschaft zu Werke ging. Auf der Baustelle der Nordtribüne begrüßen ihn die 60 Arbeiter täglich per Handschlag.

Acht Firmen sind am Bau der neuen Nordtribüne beteiligt

Vierkant, seit einer Woche geprüfter Greenkeeper und neben dem Stadionbau auch für den Rasen verantwortlich, verbringt von morgens bis abends seine Zeit auf der Baustelle. Passiert hier ein Fehler, merkt es Vierkant sofort – auch wenn er kein gelernter Architekt ist. Acht Firmen, darunter federführend die Baugesellschaft Hellmich, arbeiten derzeit an der Nordtribüne. Seit Kurzem sitzt das Dach an der richtigen Stelle. Im Vergleich zu den anderen drei Tribünen besteht es nur aus einem einfachen Wellblech, da hier keine Lichter angebracht werden müssen, um den Rasen zu bestrahlen. Auf der Nordseite erscheint genug Licht, wenn die Sonne im Süden steht.

Unterhalb der Tribünenränge ist derzeit noch einiges zu tuni
Unterhalb der Tribünenränge ist derzeit noch einiges zu tuni © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Bis zur Eröffnung gibt es auf der Nordtribüne für Vierkant noch einiges zu tun. Unterhalb der Ränge sieht es noch nicht so aus, als ob hier in sechs Wochen 6100 Menschen den Weg zu ihren Stadionplätzen finden. Doch Vierkant verspricht: „Die Arbeiten sind eng getaktet. Wir sind aber guter Dinge, dass nichts mehr schiefgeht.“ Damit das auch so bleibt, behält Vierkant lieber selbst den Überblick. Als ein Bagger auf dem benachbarten Kunstrasenplatz sich ein bisschen zu häufig um die eigene Achse dreht, greift er sofort zum Telefon und erkundigt sich beim Fahrer, ob das jetzt nottat. Schließlich sei ein Teil der Baustelle auf den Kunstrasen aufgeschüttet, der nach der Fertigstellung der Tribüne wieder bespielbar sein soll. Der Baggerfahrer erklärt Vierkant, dass er nur wenig Platz zum Rangieren habe. Der Chef versteht.

„Die größte Herausforderung bei der Nordtribüne ist der geringe Platz für die Baustelleneinrichtung“, erklärt Vierkant. Auf den anderen drei Seiten sei durch das Heiligengeistfeld und den Harald-Stender-Platz genug Raum für die Baustelle gewesen. Im Nordbereich müssen sich die Bauarbeiter mit ihren Geräten zwischen der Rindermarkthalle und dem Bunker bewegen.

Wie das Millerntor künftig in Gänze glänzen wird, kann man derzeit in der benachbarten Rindermarkthalle sehen. Vor dem Edekamarkt steht ein Stadionmodell im Maßstab 1:100. Ein Ehepaar aus Duisburg hat das Stadion originalgetreu nachgebaut und in Kooperation mit St. Paulis Aufsichtsrat Sönke Goldbeck nach Hamburg gebracht. Holger und Veronika Tribian haben das Miniaturmodell umgesetzt. „Die Resonanz auf das Projekt ist großartig“, sagen die beiden.

Die Nordtribüne wird 1,5 Millionen Euro teurer als geplant

Das Besondere an dem Modell: Fans des FC St. Pauli können sich für das kleine Stadion eine Dauerkarte sichern. Auf individuellen Wunsch basteln die Modellbauer kleine Figuren, die dann im Miniatur-Millerntor eingesetzt werden. Ab 2017 soll das Modell im neuen Museum des Vereins unter der Gegengeraden stehen. Die Figuren können über die Seite www.miniatur-millerntor.de bestellt werden. Ein Schätzer hat das Kunstwerk auf einen Wert von 200.000 Euro beziffert.

Für die neue Nordtribüne reicht dieser Betrag nicht aus. Sechs Millionen Euro kostet die vierte und letzte Seite. Bei den Schätzungen im Jahr 2006 wurde mit 4,5 Millionen Euro gerechnet. Allerdings musste Vierkant im Laufe der Planung einige Änderungen berücksichtigen. So gibt es unter der neuen Tribüne einen Umkleidebereich für die Kunstrasenplätze nebenan.

Wenn Torsten Vierkant heute auf der Nordtribüne steht, blickt er stolz auf das Stadion. Es ist auch „sein“ Bauwerk. An diesem Nachmittag macht er eine kurze Pause. Er verschwindet in den Katakomben des Stadions. Seinen Helm setzt er ab. Hier ist das erlaubt.