Hamburg. Nach dem Klassenerhalt entscheiden am Mittwoch Vorstand, Trainer Lienen und Sportchef Meggle über die künftige Besetzung des Teams.
Nach dem mit viel Mühe am letzten Spieltag erreichten Klassenerhalt waren sich beim FC St. Pauli alle Beteiligten einig, dass man eine solche Saison in permanenter Angst vor dem Abstieg aus der Zweiten Liga nicht noch einmal erleben will. Cheftrainer Ewald Lienen ist zuversichtlich, dass er den Fans, aber auch sich selbst und seinen Mitstreitern, einen derart nervenaufreibenden Existenzkampf in der kommenden Spielzeit ersparen kann. „Wir haben jetzt Planungssicherheit und können von Anfang an die Mannschaft vernünftig auf die Saison vorbereiten, im athletischen und fußballerischen Bereich“, sagt Lienen.
Wie diese Mannschaft konkret aussehen wird, soll im Wesentlichen schon weit vor dem für den 22. Juni (10 Uhr) angesetzten Trainingsauftakt feststehen. „Wir planen jetzt noch ein paar Tage, und dann fahre ich in den Urlaub nach St.-Peter-Ording“, sagte Lienen nach dem Spiel in Darmstadt und entschwand mit einem Lächeln.
„Wenn wir absteigen, brauchen wir 22 neue Verträge, wenn wir die Klasse halten, sind es nur sechs“, hatte Sportchef Thomas Meggle schon vor Wochen gesagt. Dabei hat er inzwischen mit den Vertragsverlängerungen für Urgestein Jan-Philipp Kalla und Ersatztorwart Philipp Heerwagen bis Juni 2018 und den Profiverträgen für die bisherigen U19-Spieler Svend Brodersen (Tor), Dennis Rosin (Mittelfeld) und Nico Empen (Angriff) Fakten geschaffen.
Abschied von Schachten?
Dennoch wird Meggle mit einiger Sicherheit mehr als nur sechs Personalentscheidungen treffen müssen. Eine davon wäre scheinbar sehr leicht zu erledigen – die Weiterverpflichtung von Außenverteidiger Sebastian Schachten. „Ich würde sehr gern hier bleiben. Aber das muss der Verein ja auch wollen“, sagte der 30-Jährige nach dem Spiel in Darmstadt. „Man hat mir aber schon im Februar durch die Blume erklärt, dass ich mich anderweitig umsehen solle“, sagte er weiter.
Inzwischen hat dieser Vorgang unter den Anhängern des FC St. Pauli zu intensiven Diskussionen in den verschiedenen Foren und sozialen Netzwerken geführt. Dabei geht es durchaus kontrovers zu. Auf der einen Seite sind Fans entsetzt darüber, dass mit Kämpfertyp Schachten erneut eine Identifikationsfigur Abschied nehmen soll. Auf der anderen Seite zeigen einige auch Verständnis, weil Schachten in der abgelaufenen Saison oft verletzt war und insgesamt nicht mehr die sportliche Leistung wie in den Vorjahren gezeigt habe.
Noch allerdings ist die Trennung von dem rechts wie links einsetzbaren Außenverteidiger nicht definitiv. Dies ist auch der Grund, warum es beim letzten Saison-Heimspiel am 17. Mai gegen Bochum keine offizielle Verabschiedung gegeben hatte.
„Wir haben mit vielen Spielern über die Szenarien Zweite und Dritte Liga gesprochen, bislang waren neben den jungen Spielern wie Empen und Brodersen nur zwei Spieler bereit, sowohl in der Zweiten als auch zu deutlich geringeren Bezügen in der Dritten Liga für uns zu spielen“, sagt St. Paulis Sportchef über die Weiterverpflichtung von Kalla und Heerwagen. Für den bei den Fans beliebten Schachten („Fighting Schachter“) galt dies offenbar nicht.
Er war im Sommer 2011 von Borussia Mönchengladbach zum gerade aus der Bundesliga abgestiegenen FC St. Pauli gekommen. Aus dieser Zeit besitzt der kopfballstarke Außenverteidiger einen Vertrag, der im aktuellen Kader zu den am besten dotierten gehört.
Doch selbst wenn der 30-Jährige jetzt bereit wäre, deutliche finanzielle Abstriche in Kauf zu nehmen, ist ein neuer Vertrag fraglich. Offenbar hat auch die sportliche Führung Bedenken hinsichtlich seiner körperlichen Stabilität. In der abgelaufenen Saison hatte Schachten lediglich 17 von 34 Punktspielen bestritten. Dazu fehlte er in etlichen Trainingseinheiten.
„Wir erwarten von einem Stammspieler, dass er in der Saison zwischen 25 und 30 Spiele bestreitet und auch im Training regelmäßig auf dem Platz ist, so dass er insgesamt an rund 300 Tagen im Jahr auf dem Feld ist. Die Stammspieler sollen ja auch im Training die jungen Spieler führen“, sagt Sportchef Meggle zu diesem Thema.
An diesem Mittwoch sollen nun in großer Runde mit Vorstand, Trainer und Sportchef die Kaderplanung fortgesetzt und Entscheidungen getroffen werden. „Am Donnerstag gehen wir dann auf die Spieler zu und teilen ihnen mit, ob und wie wir mit ihnen planen“, sagte Meggle weiter. Unterdessen hat sich Schachtens Berater, der frühere Bremer Bundesligastürmer Angelo Vier, nach alternativen Arbeitgebern für seinen Klienten umgeschaut. „Sebastian ist ein gestandener Spieler und hat für St. Pauli immer alles gegeben. Wenn der Verein ihn weiter beschäftigen will, sollte er die Initiative ergreifen und auf ihn zukommen. Wir rennen nicht dem Verein hinterher“, sagte Vier am Dienstag dem Abendblatt. „Ich habe aber Verständnis dafür, dass bei St. Pauli bisher die Sicherung des Klassenerhalts an erster Stelle stand“, sagte er weiter.
Fest steht, dass der FC St. Pauli für die kommende Saison seinen Zweitligakader von derzeit insgesamt 33 Spielern allein aus finanziellen Gründen deutlich reduzieren will und muss. Aus der Fernsehvermarktung bekommt der Kiezclub in der kommenden Saison nur noch rund 7,2 Millionen Euro und damit knapp eine Million Euro weniger als in der abgelaufenen Spielzeit. Aus diesem Grunde wird nach der Sitzung an diesem Mittwoch voraussichtlich auch einigen Spielern, die einen laufenden Kontrakt haben, ein Wechsel nahegelegt werden. Als Kandidaten kommen unter anderem Mittelfeldspieler Tom Trybull (Vertrag bis Juni 2017) sowie die Stürmer Christopher Nöthe (Juni 2016) und John Verhoek (Juni 2016) in Betracht. Aber auch dieses Trio bezieht Gehälter, die beim FC St. Pauli über dem Durchschnitt liegen.