Hamburg. Der FC St. Pauli trifft Sonnabend als schlechteste Auswärtsmannschaft der 2. Liga auf die Heimmacht Kaiserslautern. Die Konkurrenz legte vor.

Nach einer rund fünfminütigen Analyse der gegnerischen Aufstellung brachte es Ewald Lienen auf den Punkt. „Im Grunde ist die Lage aussichtslos“, sagte der Trainer des FC St. Pauli vor dem Spiel seiner Mannschaft beim 1. FC Kaiserslautern an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). Natürlich meinte Lienen diese Aussage ironisch. Auf dem Papier klingt die Aufgabe des Hamburger Zweitligisten in der Pfalz aber tatsächlich aussichtslos. Es ist schließlich die Begegnung der aktuell besten Heimmannschaft und der schwächsten Auswärtstruppe der Liga. Während der Tabellenzweite Kaiserslautern am Betzenberg in dieser Saison noch kein Spiel verloren hat, holte St. Pauli in der Fremde erst einen Sieg. Am 7. März gelang bei Eintracht Braunschweig ein 2:0. Ein Auswärtssieg als unmögliche Mission?

„Kaiserslautern ist zu Hause eine Macht“, sagt Lienen. „Das ist eine der spielstärksten Mannschaften der Liga. Sie verfügt über eine hohe Kampfkraft und eine große Anzahl an guten Offensivspielern. Mit Willi Orban hat sie zudem in der Abwehr den wohl kopfballstärksten Spieler der Liga. Es wird eine superschwere Aufgabe“, sagt Lienen. Schwer, aber nicht aussichtslos.

Wobei der Druck auf den Kiezclub durch die Spiele am Freitag noch einmal wuchs. Denn die Abstiegskonkurrenten holten zwei überraschende Auswärtserfolge: Der VfR Aalen siegte bei Fortuna Düsseldorf mit 2:0, der TSV 1860 München mit 1:0 beim FSV Frankfurt. Damit tritt St. Pauli als Vorletzter auf dem Betzenberg an.

„Wir fahren dahin, um etwas mitzunehmen“, sagt Enis Alushi. Der formstarke Mittelfeldspieler hat vor seinem Wechsel nach Hamburg zu Saisonbeginn zwei Jahre in Kaiserslautern gespielt. Er weiß, welche Atmosphäre auf St. Pauli wartet. „Auf dem Betzenberg herrscht immer eine angespannte Stimmung. Jeder Zuschauer geht in jeder Aktion mit. Den Menschen in der Region ist es wichtig, was mit dem FCK passiert“, sagt Alushi.

Gegen Leipzig war es insbesondere Alushi gelungen, die nötige Emotionalität zu finden. An der Seite von Dennis Daube übernahm der 29-Jährige den Part des Balleroberers. Mit vielen erfolgreichen Grätschen und körperbetonten Zweikämpfen nahm Alushi seinen Gegenspielern im Mittelfeld die Lust am Spielen. Ein Mittel, das auch in Kaiserslautern zum Erfolg führen soll. „Wir müssen in der Lage sein, den Gegner am Fußballspielen zu hindern“, sagte Trainer Lienen. Von Beginn an auf ein mögliches 0:0 zu spielen, sei aber nicht der geplante Weg. „Kaiserslautern ist um Längen der Favorit. Aber wenn wir den Ball haben, werden wir unsere Chance suchen.“

Aufseiten der Lauterer ist man gar nicht erst versucht, die Hamburger stark zu reden. „Ohne respektlos gegenüber St. Pauli zu sein, für uns zählt nur ein Sieg. An alles andere denke ich überhaupt nicht“, sagte etwa Mittelfeldspieler Alexander Ring. Und Trainer Kosta Runjaic kündigte ein Fest der Emotionen an. „Der Betze wird beben. Wir gehen mit maximaler Leidenschaft ins Spiel“, sagte Runjaic, der Macher des pfälzischen Erfolgs. Der 43-Jährige steht kurz davor, die Roten Teufel nach drei Jahren zurück in die Bundesliga zu führen.

Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Stefan Kuntz sowie Sportdirektor Markus Schupp baute Runjaic eine neue Mannschaft auf, die das bisweilen kritische und ungeduldige Publikum auf dem Betzenberg begeistert. Vor allem die jungen Spieler überzeugen. Mit Orban, Amin Younes, Jean Zimmer und HSV-Leihgabe Kerem Demirbay stehen vier deutsche U21-Nationalspieler im Kader. Die „jungen Wilden“ bekommen vom Trainer großes Vertrauen entgegengebracht. Enis Alushi hat Runjaic in der vergangenen Saison selbst erlebt und beschreibt ihn als „absoluten Fachmann“, der eine klare Struktur habe.

Vor einer Woche zeigte Runjaic, dass er in Sachen Emotionalität mit St. Paulis Trainer Ewald Lienen mithalten kann. Nach der 2:3-Niederlage in Darmstadt beschwerte er sich offenbar so heftig bei Schiedsrichter Wolfgang Stark, dass er in dieser Woche vom DFB um eine Stellungnahme gebeten wurde. Sein Kollege aus Hamburg weiß genau, wie Post vom Verband aussieht. Lienen erhielt so einen Brief in der Rückrunde bereits zweimal. „Der Emotionalitätsgrad ist bei unserem Trainer noch ein bisschen höher“, sagte Alushi mit einem Augenzwinkern. Auf den vierten Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck wird zwischen den beiden Trainerbänken einiges an Arbeit zukommen.

Im Duell der Emotionen wird es am Sonnabend für St. Pauli vor allem auch darauf ankommen, sich vom lautstarken Publikum im Hexenkessel Betzenberg nicht beeindrucken zu lassen. Auch, wenn es nicht einfach wird, dort einen kühlen Kopf zu bewahren, will sich der Kiezclub nicht ablenken lassen. Für den erfahrenen Alushi kann es in der Pfalz indes gar nicht emotional genug zugehen. „Das sind geile Spiele, dafür lebt man als Fußballer. Wir werden mit aller Gewalt dagegen halten“, verspricht er. Aussichtslosigkeit hört sich in jedem Fall anders an.