Nach dem 2:3 gegen den 1. FC Kaiserslautern und dem Ende der realistischen Aufstiegshoffnungen beginnt für Cheftrainer Roland Vrabec die wohl schwierigste Phase seiner bisherigen Amtszeit bei St. Pauli. Er muss eine Mannschaft ohne Ziele weiterhin motivieren.

Hamburg. Wenn die Fußballprofis des FC St. Pauli an diesem Montag gegen 10 Uhr zu ihrer ersten Übungseinheit der neuen Woche die Rasenplätze der Trainingsanlage an der Kollaustraße betreten, sollen ihre Gedanken ganz dem Auswärtsspiel am Gründonnerstag (18.30 Uhr) in Cottbus gelten. So jedenfalls stellt sich Trainer Roland Vrabec dies vor und hat es entsprechend auch schon propagiert. Zwei Tage hatte er seinen Spielern Zeit gegeben, das Geschehen beim bitteren 2:3 am Freitagabend gegen den 1. FC Kaiserslautern mental zu verarbeiten, als das entscheidende Gegentor in der siebten Minute der Nachspielzeit gefallen und das Spiel danach gar nicht mehr angepfiffen worden war.

„Der Frust sitzt tief, aber von Montag an muss der Fokus auf Energie Cottbus gerichtet sein, weil wir dort drei Punkte holen wollen“, sagte Vrabec am Wochenende. Der 40 Jahre alte Fußballlehrer ahnt ganz offenbar, dass er vor den womöglich schwierigsten vier Wochen seiner bisherigen Amtszeit als Cheftrainer des FC St. Pauli steht. Die entscheidende Frage ist, ob es ihm angesichts der – realistisch betrachtet – verspielten Aufstiegschancen gelingt, seine Spieler so gut für den Saisonendspurt zu motivieren, dass sie in den ausstehenden vier Spielen noch weitere ansprechende Leistungen zeigen und vor allem zu Erfolgserlebnissen kommen.

„Wir wollen den Anschluss nach oben und damit auch die Spannung in der Mannschaft halten“, gibt Vrabec die Devise für die kommenden Tage aus. „Am Ende ist es besser, Vierter als Achter zu werden“. Und eine kleine Chance, zumindest den Relegationsplatz doch noch zu erreichen, scheint der Trainer wohl auch zu wittern. Er sagt jedenfalls: „Die drei Mannschaften, die jetzt oben stehen, werden bis zum Saisonende nicht alles gewinnen“.

Mit dieser Einschätzung hat Vrabec allein schon deshalb zwangläufig recht, weil am Ostersonntag der Tabellendritte Paderborn (52 Punkte) im direkten Duell auf den Zweiten Fürth (53) trifft. Doch von den Punktverlusten des einen oder – bei einem Unentschieden – gar beider Clubs könnte nicht nur der FC St. Pauli (46) bei einem Erfolg in Cottbus sondern in erster Linie auch der 1. FC Kaiserslautern (47) profitieren, wenn er sein Heimspiel gegen den FSV Frankfurt gewinnt. Dass sich die Pfälzer überhaupt wieder in dieser Situation befinden, hat entscheidend mit dem am Ende glücklichen Auswärtssieg beim FC St. Pauli zu tun, bei dem sie allerdings über weite Phasen des Spiels auch demonstriert hatten, welche bemerkenswerten Offensivqualitäten sie besitzen.

Es mutet auf den ersten Blick ein wenig kurios an, dass St. Paulis Trainer Vrabec nach der Heimniederlage gegen Konkurrent Kaiserslautern zumindest zwischen den Zeilen mit einer immer noch vorhandenen Aufstiegschance kokettiert, während er vor dem Spiel gegen Kaiserslautern, als die Ausgangsbasis deutlich besser war, das Thema Aufstieg schon wörtlich als „abgehakt“ bezeichnet hatte.

Das Ganze hat natürlich viel mit Psychologie und der erhofften Wirkung seiner Worte auf seine Spieler zu tun, die zum Teil im Profigeschäft noch recht unerfahren sind. Vor der Partie gegen Kaiserslautern hatte er versucht, die Profis von der relativ aussichtsreichen Tabellensituation abzulenken, um sie ganz auf die Aufgabe gegen den FCK zu konzentrieren. Jetzt geht es in erster Linie darum, dass sein Team in den abschließenden vier Spielen nicht die Spannung verliert und es vermeidet, die insgesamt als erfolgreich zu betrachtende Saison auslaufen zu lassen und am Ende nur einen oder zwei Plätze besser dazustehen als vor einem Jahr, als im Schlussspurt noch Rang zehn erreicht wurde.

Aus diesem Grunde ist Roland Vrabec jetzt mehr denn je zuvor als Motivator denn als akribischer Fußball-Taktiker gefragt. Dies ist ihm ganz offensichtlich auch bewusst. „In Cottbus wird es am Donnerstag auf Leidenschaft und Motivation ankommen. Für Cottbus könnte es schon die letzte Chance auf den Klassenerhalt sein. Es werden also weniger die taktischen Inhalte im Vordergrund stehen“, sagte St. Paulis Trainer am Wochenende und deutete damit auch schon emotional geprägte Trainingseinheiten von Montag bis Mittwoch an.

Objektiv betrachtet ist die Chance für den FC St. Pauli allemal gegeben, in den vier abschließenden Spielen noch einige Punkte einzufahren. Nach dem Spiel bei Schlusslicht Cottbus steht das Heimspiel gegen den vor dem Abstieg praktisch schon geretteten VfR Aalen an. Dann geht es zum 1. FC Köln, der dann als Aufsteiger feststehen wird, ehe am letzten Spieltag der ebenfalls nicht mehr abstiegsbedrohte FC Erzgebirge Aue ans Millerntor kommt.

Zumindest im ersten Spiel, womöglich aber auch in allen vier Partien wird Robin Himmelmann im Tor des FC St. Pauli stehen. Der gegen Kaiserslautern verletzt ausgewechselte Stammtorwart Philipp Tschauner hat sich, wie sich am Sonnabend herausstellte, eine Subluxation der linken Schulter zugezogen und fällt auf unbestimmte Zeit aus. Im Unterbewusstsein könnte dieser erzwungene Personalwechsel bei den Feldspielern zusätzlich für die ohnehin erhoffte Motivation sorgen. Auch wenn Himmelmann schon in den 27 Minuten gegen Kaiserslautern angedeutet hatte, welche Fähigkeiten er besitzt, so dürfte sich keiner seiner Kollegen dem Verdacht aussetzen wollen, den im Profigeschäft noch unerfahrenen Keeper im Stich zu lassen.