Philipp Ziereis, Sebastian Maier und Michael Gregoritsch drängen sich beim FC St. Pauli auf. Doch Trainer Vrabec fordert höchste Disziplin

Hamburg. Seine Zeit beim FC St. Pauli hat bereits Spuren hinterlassen – im positiven Sinne. Vier bis fünf Kilogramm Oberkörpermuskulatur hat Philipp Ziereis im vergangenen halben Jahr aufgebaut, berichtet er stolz. „Seit ich hier bin, mache ich regelmäßig Sonderschichten im Kraftraum. Ein bis zwei Kilo mehr sollen es jetzt noch werden“, sagt er. Den Fans des Kiezclubs blieb der junge Defensiv-Allrounder lange Zeit verborgen – heimlich, still und leise schuftete er neben dem Trainingsplatz für seine große Chance.

In der gesamten Hinrunde durfte der 21-Jährige nicht eine einzige Minute für St. Pauli ran. In der zweiten Mannschaft sammelte er Erfahrungen, eine Rote Karte, die zu einer Drei-Spiele-Sperre führte, und zog sich im Dezember einen Bluterguss im Oberschenkel zu. Man könnte meinen, Ziereis würde seinen Wechsel von Absteiger Jahn Regensburg nach Hamburg bereits bereuen. Doch das Gegenteil ist der Fall: „Ich bin sehr zufrieden. Bis auf die Einsatzzeiten, da hatte ich mir ein bisschen mehr erhofft. Aber dass ich im ersten halben Jahr gar kein Spiel gemacht habe, lag wahrscheinlich auch an der Verletzung. So wie es jetzt ist, kann es weitergehen“, sagt er.

Denn seit dem 3. März gehört Ziereis endgültig so richtig dazu. Im Montagabend-Heimspiel gegen Union Berlin (2:1) beorderte Trainer Roland Vrabec ihn bei seinem Debüt prompt in die Startelf. Als defensiver Mittelfeldstratege begann der Bayer nervös, steigerte sich aber im Laufe der Partie enorm. Beim 2:0-Auswärtssieg in Düsseldorf am vergangenen Sonntag durfte er schließlich als Rechtsverteidiger ran und erledigte seine Aufgaben routiniert und solide.

Dass Ziereis kaum Anlaufschwierigkeiten hatte, liegt vor allem an seiner engen Bindung zu den Mannschaftskollegen. Die Zeit der Aufstiegshelden um Ebbers, Bruns oder Pliquett ist beim FC St. Pauli Geschichte, nun greifen die jungen Wilden an. Ziereis, Sebastian Maier und Michael Gregoritsch, die erstmals in Düsseldorf gemeinsam randurften, sind in der Freizeit fast unzertrennlich. Auch Lennart Thy und Neuling Tom Trybull gehören zu ihrer Clique. Vergangene Woche postete Gregoritsch bei Facebook ein Foto aus der Mittagspause zwischen zwei Einheiten. Auf dem Sofa spielen die Kumpels Fußball auf der Playstation. „Es gab für mich kein Problem, in Hamburg und bei St. Pauli anzukommen. Wir jungen Spieler bilden schon eine kleine Gruppe und machen auch privat viel zusammen“, erklärt Ziereis. „Das hilft sehr. Wir gehen dann mal in die Stadt, trinken einen Kaffee und so was“, sagt er.

Der endgültige Durchbruch ist dem Südtrio Ziereis, Maier (beide Bayern) und Gregoritsch (Österreich) bislang zwar noch nicht gelungen. Doch jeder für sich konnte bereits nachhaltig auf sich aufmerksam machen. „Das ist schon verrückt. Vor zweieinhalb Wochen haben wir drei noch zusammen in der U23 gespielt, nun durften wir alle ran“, hatte Stürmer Gregoritsch, 19, nach dem Spiel in Düsseldorf berichtet. Für ihn und Maier, 20, war es der erste Startelfeinsatz 2014 gewesen.

Zu Jahresbeginn in Bielefeld hatte Gregoritsch nicht einmal zum Kader gehört. Vrabec hatte seine Trainingsleistungen bemängelt. „Er hat geglaubt, dass er nicht spielen wird und sich hängen lassen“, begründete der Coach damals. Vrabec weiß genau, welch große Talente er in seinem Team hat. Doch Undiszipliniertheiten lässt der 40-Jährige nicht durchgehen. Fördern und fordern, so lautet sein Credo. Bieten sich seine jungen Wilden im Training an, so erhalten sie auch eine faire Chance. Ähnlich wie mit Gregoritsch verfuhr Vrabec auch bei Maier. Auf die Frage, warum der Edeltechniker erst am vergangenen Sonntag zum ersten Starteinsatz des Jahres gekommen war, antwortete der Trainer: „Basti Maier hat sehr gute, aber auch schlechte Trainingsleistungen gehabt. Da wusste ich nicht, was ich von ihm bekomme.“

Mit seinem dritten Saisontor und erfrischendem Offensivfußball zahlte Maier das Vertrauen zurück und darf sich ebenso Hoffnungen auf einen weiteren Einsatz am Sonnabend gegen den FC Ingolstadt (13 Uhr) machen, wie Ziereis oder auch Gregoritsch. „Philipp hat Elan und Schwung, gehört zu den schnellsten Spielern in unserem Team und spielt defensiv bei Standardsituationen eine wichtige Rolle“, lobt Vrabec.

Genau wie Maier hat Ziereis in Hamburg einen langfristigen Vertrag bis 2016 unterschrieben. Sie bilden Korsettstangen einer hungrigen Mannschaft, die kurz- oder mittelfristig in die Bundesliga zurückkehren soll. Gregoritsch hingegen muss sich für eine Weiterverpflichtung erst noch empfehlen. Er ist bis zum Sommer von 1899 Hoffenheim ausgeliehen, St. Pauli kann eine Kaufoption im niedrigen sechsstelligen Bereich ziehen. Dass er sich am Millerntor wohlfühlt, hat der Jungprofi bereits mehrfach betont. Doch weitere Ausflüge auf die Tribüne sollten ausbleiben. Aktuell stehen erst 295 Zweitligaminuten auf seinem Konto.

Philipp Ziereis hingegen kann bereits in eine braun-weiße Zukunft schauen. „Man hat mir hier Zeit eingeräumt, mich weiterzuentwickeln. Ohne großen Druck, das hilft sehr“, sagt er. „Bei St. Pauli pfeifen die Fans auch nicht sofort, das ist für junge Spieler wichtig.“