Trainer Roland Vrabec sorgt durch faire Belohnung für Ausgeglichenheit im Kader. Und überrascht die Gegner mit extremen Mannschaftsaufstellungen.

Hamburg/Düsseldorf. Nur wer ganz genau hinsah, hatte es bereits am Freitag erkennen können. Trainer Roland Vrabec deutete im Training an, dass er den FC St. Pauli 2014 in Düsseldorf wieder einmal gänzlich neu erfinden würde – und so für das Siegrezept beim 2:0-Auswärtserfolg sorgen sollte. Auf gleich neun Positionen hatte der Coach das Team gewinnbringend verändert, kein Mannschaftsteil hatte so jemals zuvor zusammengespielt.

Was auf den ersten Blick lediglich nach notwendigen Umstellungen ob der drei gesperrten und weiterer verletzter Profis aussah oder als Aktionismus nach dem schwachen Auftritt in Frankfurt (0:1) gewertet werden könnte, ist jedoch vielmehr ein System, das Vrabec konsequent verfolgt. Ein System aus fairer Belohnung und einer flexiblen Spielanlage. In Düsseldorf hatte Vrabec erfolgreich von einer Raute auf eine flache Vier mit einer Doppelsechs umgestellt und so in der Defensivarbeit für mehr Zugriff auf den Gegner gesorgt.

Dabei ließ er zum wiederholten Male gleich mehrere Profis auf eigentlich fachfremden Positionen auflaufen. „Wir haben eine sehr flexible Mannschaft. Deshalb schaue ich immer, welcher Spieler zu welchem Gegner passt, und wir scheuen uns dann auch nicht davor umzustellen“, erklärt Vrabec. So beorderte er am Sonntag beispielsweise Marcel Halstenberg von der Linksverteidigerposition ins defensive Mittelfeld, Innenverteidiger Philipp Ziereis wurde zum defensiven Rechtsaußen umfunktioniert, und Bernd Nehrig, der im Sommer als Rechtsverteidiger geholt worden war, lief neben Halstenberg als Sechser auf.

Klares Prinzip

„Wenn wir acht Spieler hätten, die konstant Woche für Woche Topleistungen anbieten, würden wir vielleicht auch nur auf zwei oder drei Positionen tauschen“, sagt Vrabec, der aktuell jedoch aufgrund schwankender Darbietungen nach einem klaren Prinzip verfährt: Leistung lohnt sich! So musste Torschütze Sebastian Maier zuvor fünf Spiele lang auf einen Startelfeinsatz warten. „Er hat sehr gute und auch schlechte Trainingsleistungen gehabt. Da wusste ich nicht, was ich von ihm bekomme“, erläutert der Trainer seine Maßnahme, „nun war er seit zwei Wochen konstant gut und hatte sich das verdient.“ Der Edeltechniker soll auf St. Pauli jetzt aber den endgültigen Durchbruch schaffen. Fördern und fordern, so verfährt Vrabec auch in diesem Fall: „Er muss sich durchsetzen, denn Basti ist ein herausragender Fußballer, der alle Anlagen mitbringt“, sagt er.

Neben Maier gehörten mit Ziereis und Gregoritsch weitere Akteure, die zweieinhalb Wochen zuvor noch in der U23-Elf spielen mussten, zur Startformation in Düsseldorf. Ein Beleg für den bei Vrabec schnellen Weg zwischen Tribüne und Startelf ist auch Christopher Nöthe. Der Stürmer war gegen Frankfurt nicht einmal im Aufgebot gewesen, lieferte nur sieben Tage später eine hervorragende Leistung ab und gehörte in Düsseldorf zu St. Paulis Besten.

Weil Vrabec in seinem Belohnungssystem kaum Ausnahmen macht, ist aktuell auch der zuvor fast schon aussortierte Innenverteidiger Florian Mohr eine feste Größe im Team. Gegen Union Berlin (2:1) vor zwei Wochen musste Mohr, dessen auslaufender Vertrag voraussichtlich nicht verlängert wird, den gesperrten Sören Gonther ersetzen. Der 29-Jährige tat dies so gut, dass der Coach ihm in Frankfurt erneut das Vertrauen schenkte und Gonther auf die Bank setzte. „Ich wollte Florian nicht für einen guten Auftritt bestrafen“, hatte Vrabec erklärt.

Weil nun Abwehrchef Markus Thorandt eine Gelbsperre absitzen musste, durften Gonther und Mohr gemeinsam ran – und überzeugten auf ganzer Linie. „Das war eine sehr gute Innenverteidigung, es gibt nicht zu kritisieren“, lobte Vrabec, weshalb Thorandt am kommenden Sonnabend gegen Ingolstadt (13 Uhr) Opfer des Belohnungssystems werden dürfte: „Beide haben ein gutes Spiel gemacht, da muss man überlegen, ob man jemanden rausnimmt“, deutete er bereits an. Roland Vrabec bleibt seinem System eben treu.