Der 27-Jährige soll die Rolle als Führungsspieler übernehmen – wie beim 0:0 gegen Breslau in Belek. Thorandt unterschrieb für ein weiteres Jahr.

Belek. Mit müden Muskeln, aber dennoch mit einem entspannten Lächeln kommt Sören Gonther zum Gespräch mit dem Abendblatt in die Lobby des Team-Hotels Cornelia Diamond in Belek. Beim Vormittagstraining hatte es für die Spieler des FC St. Pauli die letzte intensive Laufeinheit im Rahmen der Vorbereitung auf die verbleibenden 15 Spiele in der Zweiten Fußball-Bundesliga gegeben. Sechs Tempoläufe über 200 Meter und vier über 400 Meter standen auf dem Programm, ehe die Profis dann endlich auch wieder mit dem Ball arbeiten durften.

„Das war schon die allerhöchste Belastung. Vor allem bei den letzten beiden Läufen sind wir an unsere Grenzen gegangen“, sagte Gonther danach. Doch der Innenverteidiger ist weit entfernt davon, sich zu beklagen. Nach einer fast einjährigen Verletzungspause wegen zweier Kreuzbandrisse ist der 27-Jährige erst seit gut einem halben Jahr so richtig für St. Pauli am Ball – mit bisher sehr überzeugenden Leistungen.

Auch beim 0:0 im Testspiel am Sonntag gegen den polnischen Erstligisten Slask Breslau (Wroclaw) zeigte sich Gonther als sicherer Innenverteidiger mit Übersicht und dirigierte auch den neben ihm spielenden, erst 20 Jahre alten Philipp Ziereis.

Die sportliche Qualität war ein Grund dafür, dass St. Paulis Sportchef Rachid Azzouzi den Vertragsverhandlungen mit Gonther Priorität beigemessen hatte. „Schon im Oktober haben wir die ersten Gespräche geführt“, verriet Gonther, nachdem er am vergangenen Donnerstag seinen Vertrag gleich um drei Jahre bis Juni 2017 verlängert hatte. Beide Seiten waren an der langfristigen Vereinbarung interessiert. „Ich bin kein Wandervogel. Vorher war ich ja auch fünf Jahre lang in Paderborn“, sagt Gonther, der auch andere Angebote hatte. „Aber ich bin hier bei St. Pauli noch lange nicht fertig. Das ist jetzt der wichtigste Vertrag in meiner Karriere.“

Doch nicht nur die Konditionen, die St. Pauli ihm offeriert hat, überzeugten ihn, sondern auch die sportliche Perspektive des gesamten Teams. „Ich will auf keinen Fall meine Karriere beenden, ohne einmal in der ersten Liga gespielt zu haben“, sagt Gonther. „Ich bin überzeugt davon, dass ich dieses Ziel hier in den kommenden drei Jahren verwirklichen kann. Aber in unserer Mannschaft steckt wirklich viel Potenzial. Ich merke auch im Training, dass die Qualität immer besser wird. Auch alles andere, was hier entsteht, ist sehr vielversprechend.“

St. Paulis Sportchef Azzouzi und das Präsidium waren nicht nur aus sportlichen Gründen an einer langfristigen Bindung Gonthers interessiert. Der aus dem hessischen Schrecksbach stammende Abwehrrecke soll in den kommenden Jahren nicht nur ein Führungsspieler sein, sondern mehr und mehr zur Vorzeigefigur des FC St. Pauli werden. „Sören hat das Zeug dazu, neben seiner Führungsrolle auf dem Platz auch außerhalb Verantwortung zu tragen“, sagt Azzouzi. „Die Tatsache, dass er einen Vertrag bis 2017 unterschrieben hat, ist auch ein Zeichen, dass er sich klar mit unserem Club identifiziert“, sagt der Sportchef weiter.

Gonther hat hohe Ansprüche an sich selbst

Gerade weil Kapitän Fabian Boll in absehbarer Zeit, womöglich sogar schon am Ende der laufenden Saison, seine Profi-Karriere beenden könnte, hat der FC St. Pauli durchaus Bedarf an einer weiteren Persönlichkeit, die ein Gesicht des Kiezclubs darstellt. Gonther scheint dafür eine geeignete Besetzung zu sein. Er hat ein natürlich-freundliches Auftreten, ist dabei sehr eloquent und überzeugend, dazu wirkt er reif und abgeklärt.

„Es ist auch mein Anspruch, ein Führungsspieler zu sein“, sagt Gonther selbst. Er stellt aber auch klar, dass er dieser Rolle nicht allein damit gerecht werden kann, dass er viel auf dem Platz redet. „Das Wichtigste ist immer, dass die Leistung stimmt. Sonst ist man einfach nicht glaubwürdig“, sagt er.

Schon länger als Führungsspieler akzeptiert ist Gonthers Innenverteidiger-Kollege Markus Thorandt, der bereits seit 2009 beim FC St. Pauli ist. Auch der Vertrag mit dem 32-Jährigen wurde am Wochenende verlängert – allerdings nur für ein Jahr plus einjähriger Option, die von einer bestimmten Anzahl absolvierter Spiele in der kommenden Saison abhängig ist. Die genaue Zahl wird als Geheimnis gehütet. Thorandt verrät aber: „Man muss schon Stammspieler sein, damit die Option zur Wirkung kommt.“

Auch Thorandt bot im Testspiel gegen Breslau am Sonntag eine einwandfreie Leistung in der Defensive. Insgesamt bot das 0:0 keine größeren Höhepunkte. Die beste Torchance hatte in der 85. Spielminute Michael Gregoritsch, als er aus zwölf Metern über das Tor schoss.

„Man hat gesehen, dass wir seit fast einem Monat kein Spiel mehr hatten. Einige Abläufe waren noch etwas holprig“, sagte Trainer Roland Vrabec. In der ersten Halbzeit gab Neuzugang Tom Trybull im defensiven Mittelfeld sein Freiluft-Debüt für St. Pauli.

FC St. Pauli: 1. Halbzeit: Heerwagen – Schindler, Ziereis, Gonther, Halstenberg – Trybull, Daube – Bartels, Maier – Thy, Verhoek. 2. Halbzeit: Heerwagen – Nehrig, Thorandt, Mohr, Schachten – Buchtmann – Rzatkowski, Kalla – Gregoritsch, Nöthe.