Stefan Orth, der Präsident des FC St. Pauli, spricht vor der Jahreshauptversammlung am Mittwoch über Höhen und Tiefen des abgelaufenen Geschäftsjahres und die größten Herausforderungen für das kommende Jahr.

Hamburg Seit Mai 2010 ist Stefan Orth, 47, Präsident des FC St. Pauli. An diesem Mittwoch (18.30 Uhr, CCH) stellt er sich bei der Jahreshauptversammlung den Fragen und der Kritik der Mitglieder. Im Gespräch mit dem Abendblatt spricht er schon vorher über seine größten Herausforderungen und Wunschvorstellungen.

Hamburger Abendblatt: Im Verein scheint es so ruhig zu sein wie es seit Jahren vor einer Jahreshauptversammlung nicht mehr war. Trügt der Schein? Was für eine Versammlung erwarten Sie?

Stefan Orth: Wie es tatsächlich wird, weiß man immer erst am Ende. Aber von den Grundvoraussetzungen her deutet alles auf eine relativ ruhige Versammlung hin. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass wir keine Wahlen haben. Die stehen erst im kommenden Jahr wieder auf der Tagesordnung. Ich denke aber, dass die Ruhe im Vorwege jetzt ein Ausdruck von Wertschätzung für Präsidium, Aufsichtsrat und Geschäftsführung ist. Sonst würde es auch mehrere Anträge geben und nicht nur einen wie jetzt. Wir haben aber auch im gesamten Jahr viele Gespräche mit verschiedenen Gremien geführt, um Probleme zu lösen.

Wie fällt Ihre Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr aus, nicht nur die wirtschaftliche?

Ich finde, wir sind insgesamt erfolgreich. Wir haben wirtschaftlich gute Zahlen, wir stehen sportlich gut da, unsere Infrastrukturprojekte laufen, dazu wird unser soziales Projekt „Kiezhelden“ großartig umgesetzt.

Was war die größte Herausforderung im vergangenen Amtsjahr?

Das war die für alle Seiten überraschende Trennung von Trainer Michael Frontzeck. Das haben wir nicht gewollt. Es ist schade, dass wir keinen gemeinsamen Weg gefunden haben.

Erwarten Sie Kritik der Mitglieder wegen der Entlassung des nicht unbeliebten Trainers Michael Frontzeck? Viele können bis heute die Gründe nicht nachvollziehen.

Ich glaube, dass jeder mitbekommen hat, welche Gründe es gab. Wenn nicht, dann stehe ich bei der Versammlung natürlich für Fragen zur Verfügung.

Wie bewerten Sie die ersten drei Wochen der Amtszeit von Roland Vrabec?

Er ist ruhig und besonnen, hat aber eine klare Ansprache und gibt auch klare taktische Vorgaben. Ich mag seine Art sehr gern und bin sehr zufrieden, wie er bisher bearbeitet.

Ist nach den Siegen in seinen ersten beiden Spielen nicht schon eine Vorentscheidung gefallen, dass er Cheftrainer bleiben darf?

Er ist gemeinsam mit der Mannschaft wirklich super gestartet, aber es bleibt dabei, dass wir uns in der Winterpause zusammen setzen und eine Entscheidung treffen wollen. Es stehen noch noch vier heiße Spiele gegen Köln, in Aue, bei 1860 München und gegen Karlsruhe auf dem Programm. Ich sehe keine Notwendigkeit, dass wir jetzt an unserem Zeitplan etwas ändern.

Sie können aber ja nicht erwarten, dass er insgesamt alle sechs Spiele bis zur Winterpause gewinnt.

Das tun wir ja auch nicht. Es geht nicht allein um die Ergebnisse sondern auch um das Auftreten der Mannschaft und ihre weitere Entwicklung. Ich glaube aber nicht, dass wir große Veränderungen vornehmen müssen.

Was wird die größte Herausforderung für das kommende Geschäftsjahr für das Präsidium?

Das ist ganz sicher der Bau der neuen Nordtribüne. Das wird komplizierter und länger als wir zunächst gedacht haben. Dafür brauchen wir Geduld und Verständnis von unseren Fans. Ich bin aber froh, dass wir das Stadion in naher Zukunft fertigstellen. Deshalb kommt es auf den einen oder anderen Monat auch nicht an. Die Bauzeit wird sicher sieben bis neun Monate betragen.

Steht der Baubeginn im Mai 2014 fest?

Nein, noch nicht hundertprozentig. Wir warten noch auf den Pachtvertrag der städtischen Sprinkenhof AG für die externe Domwache. Den brauchen wir im Gesamtfinanzierungskonzept, um ihn bei der Stadt für die Bürgschaft und bei unserer Bank vorzulegen.

Schon im Januar schien klar, dass die Domwache der Polizei nicht in die Gegengerade kommt sondern extern gebaut wird. Warum hakt das Thema zehn Monate später immer noch?

Es müssen drei Behörden und die Sprinkenhof AG zusammenarbeiten. Es liegt leider nicht in unserer Hand. Grundsätzlich möchten die Stadt und wir, das die Wache extern und nicht in die Gegengerade gebaut wird.

Die Mannschaft belegt den vierten Platz der Zweiten Liga, am Freitag kann im Heimspiel gegen den 1. FC Köln sogar der Sprung unter die ersten Drei gelingen. Dürfen die Fans schon in dieser Saison vom Aufstieg träumen?

Zu diesem Zeitpunkt der Saison geht es mir weder um den Tabellenplatz noch um einen möglichen Aufstieg, sondern nur darum, dass wir ein mutiges, aggressives Offensivspiel zeigen. Das Stadion ist absolut ausverkauft. Wir sind aber krasser Außenseiter. Die Aufstiegsfavoriten sind Kaiserslautern, Fürth und Köln. Wir haben weiter das Ziel, im oberen Drittel zu landen, also unter den Top 25 in Deutschland. Im Moment sieht es mit den vierten Platz ja recht gut aus. Aber das Spiel wird sicher ein heißer Tanz. Wir wollen es Köln so schwer wie möglich machen.

Wäre das Team denn überhaupt schon reif für die Erste Liga, oder wie umfangreich müsste es verstärkt werden?

Das ist noch viel zu weit weg. Wir haben eine junge, neu zusammengestellte Mannschaft, die sicher auch noch Rückschläge erleiden wird. Wir sind auf einem guten Weg, uns im oberen Drittel festzusetzen. Sollte am Ende glücklicherweise ein dritter Platz herauskommen, nehmen wir ihn gern an. Aber wie gesagt: Bis dahin ist es noch ein langer Weg.

Was bedeutet Ihnen das Ehrenamt als Präsident des FC St. Pauli grundsätzlich?

Ich bin seit sieben Jahren im Vorstand und seit dreieinhalb Jahren Präsident. Mich reizt vor allem, uns wirtschaftlich erfolgreich aufzustellen, Nachhaltigkeit durch Infrastruktur-Projekte zu schaffen, soziale Verantwortung in unserem Stadtteil zu übernehmen und junge Talente in unserem Verein zu Profisspielern ausbilden zu lassen. Der Traum bleibt natürlich, dass wir den Weg von Freiburg und Mainz gehen und uns vielleicht in zwei, drei Jahren in der Ersten Liga präsentieren.

Wo wird der FC St. Pauli nach Ihrer Wunschvorstellung in fünf Jahren stehen?

Dann steht unser Club seit ein, zwei Jahren in der Ersten Bundesliga und kämpft zwischen Platz zehn und 14. Das aber ist mein persönlicher Wunsch, nicht die Vorgabe des Präsidenten.

Wie lange wollen Sie noch Präsident bleiben?

Das entscheide ja nicht ich allein, sondern die Mitglieder. Bei den Wahlen im kommenden Jahr aber würde ich mit meinem derzeitigen Team gern noch einmal antreten.