Das Team entwickelt sich zu einer Mannschaft der Allrounder. Aktuell sind sechs Spieler für eine andere Position vorgesehen als zu Beginn der Saison.

Hamburg. Als der FC St. Pauli Ende Juli in die neue Saison der Zweiten Liga startete, bot sich in den verschiedenen Mannschaftsteilen ein recht klares Bild. Jede Feldspieler-Position war doppelt besetzt, dazu kamen die Talente Philipp Ziereis, Michael Gregoritsch und Okan Kurt als Ergänzungen. Inzwischen aber hat sich dieses klare Bild erheblich verändert. Das St.-Pauli-Team hat sich in den vergangenen Wochen als „Meister der Umschulung“ profiliert. Nicht weniger als sechs Stammspieler sind derzeit auf anderen Positionen erste Wahl als vor Beginn der aktuellen Saison.

Der erste erfolgreiche Umschüler war Christopher Buchtmann. Als offensiver, zentraler Mittelfeldspieler, also sogenannter „Zehner“, hatte er in der vergangenen Spielzeit einen Stammplatz erkämpft. Doch schon nach dem ersten Punktspiel dieser Spielzeit beorderte ihn der damalige Cheftrainer Michael Frontzeck auf einen der beiden Posten im defensiven Mittelfeld. Fortan spielte er als „Sechser“ neben Kapitän Fabian Boll. In der neuesten Variante, die der aktuelle Cheftrainer Roland Vrabec jetzt praktizieren lässt, ist Buchtmann gar der einzige, zentrale Defensivmann in der sogenannten Mittelfeldraute.

„Ich habe schon in der U17-Nationalmannschaft im defensiven Mittelfeld gespielt, allerdings nie allein. Aber mir gefällt die Rolle jetzt sehr gut“, sagt der 21 Jahre alte Buchtmann. „Meine Hauptaufgabe besteht darin, unser Spiel zu eröffnen und dabei spielerische Lösungen zu finden und den Ball nicht nur weit nach vorn zu schlagen“, sagt er. Die Fähigkeiten dazu hat er. Durch Krafttraining hat er zudem an der nötigen körperlichen Robustheit gewonnen, um auch defensive Zweikämpfe erfolgreich zu bestreiten. „Ich kann auch gern einmal kräftig dazwischenfegen“, sagt er. „Leider sind manchmal auch Gelbe Karten damit vermacht.“ Sieben Verwarnungen hat er in dieser Saison schon erhalten.

Buchtmann verdrängte Routinier Florian Kringe von der „Sechser“-Position, der dadurch zeitweise mit der Ersatzbank vorliebnehmen musste. Jetzt aber ist auch für den früheren Dortmunder, der auch schon als Außenverteidiger agiert hat, offenbar eine neue Rolle in der Startelf gefunden worden. Als zentraler, offensiver Mittelfeldspieler agierte er beim jüngsten 3:0 gegen Energie Cottbus als Passgeber hinter den beiden Stürmern. „Diese Aufgabe macht mir auch viel Spaß“, sagt der 31-Jährige.

Von der Innenverteidigung ein Stück nach vorn gerückt ist unterdessen Jan-Philipp Kalla, der in Vertretung des noch wochenlang verletzten Fabian Boll auch als Kapitän fungiert. Vor der taktischen Umstellung auf die Mittelfeld-Raute spielte er neben Buchtmann als „Sechser“. Seither ist er noch etwas offensiver für eine der beiden Halb-Positionen vorgesehen. Er überzeugte in dieser Rolle beim Heimsieg über Cottbus durch seine Dynamik, ehe er durch einen Zusammenprall eine Oberschenkel-Verletzung davontrug, die ihn bisher noch vom regulären Mannschaftstraining abhielt.

Daher spricht derzeit viel dafür, dass ein weiterer Umschüler beim Auswärtsspiel am Sonntag (13.30 Uhr) beim VfR Aalen diese Position einnehmen wird – Bernd Nehrig. Für den 27-Jährigen ist das Wechseln der Positionen allerdings nichts Ungewohntes. „Ich habe in meiner Fußball-Karriere ja schon fast alles gespielt. Am Anfang war ich Stürmer, dann ging es immer weiter nach hinten. Und jetzt eben wieder etwas nach vorn“, sagt er. Zu Saisonbeginn war er von Sportchef Rachid Azzouzi vor allem deshalb aus Fürth geholt worden, um das Problem auf der rechten Außenverteidiger-Position zu lösen. Das gelang Nehrig nicht immer ideal. „Ich sehe Bernd eher im Mittelfeld denn als Außenverteidiger“, stellte Trainer Vrabec schon früh nach seiner Amtsübernahme klar.

„Man muss sich mit den verschiedenen Anforderungen auf den einzelnen Positionen auseinandersetzen. Ich bin überzeugt, dass viel mehr Spieler unterschiedliche Positionen spielen könnten, wenn sie sich nur damit beschäftigen würden“, sagt Nehrig. Er weiß zum Beispiel, dass er jetzt bei der Ballannahme im Mittelfeld mit dem Rücken zum gegnerischen Tor „Druck von hinten“ bekommen wird. Dafür habe er aber auch mehr Möglichkeiten, in welche Richtung er den Ball weiterspielen kann.

Den Job als rechter Außenverteidiger hat jetzt erst einmal Sebastian Schachten sicher, nachdem er seine langwierige Muskelverletzung auskuriert hat und gegen Cottbus sogar als Torschütze auftrumpfen konnte. In der vergangenen Saison war er noch als linker Außenverteidiger eine feste Größe „Auf welcher Seite ich spiele, ist mir egal“, sagt er.

Schließlich gehört auch Fin Bartels zur Fraktion der „Umschüler“. In der zuvor praktizierten offensiven Dreierreihe im Mittelfeld hatte er schon alle Positionen eingenommen. Im neuen System ist er neben Christopher Nöthe zum zweiten Stürmer umfunktioniert worden. Auch dies klappte gegen Cottbus vorbildlich, Bartels verwandelte ein Zuspiel von Nöthe zur 1:0-Führung. „Die neue Formation kann auch künftig gut funktionieren“, sagt Bartels. Den Beweis kann das „Team der Umschüler“ am Sonntag zum zweiten Mal antreten.