Trainer Michael Frontzeck muss eine komplett neue Angriffsreihe zusammenstellen. Es sind drei recht unterschiedliche Stürmertypen, die Trainer Frontzeck in der neuen Saison zu Verfügung stehen.

Husum/Kiel Am liebsten hätte Michael Gregoritsch im ersten Testspiel die Fußballhose des FC St. Pauli angezogen, die er sich im Alter von 14 Jahren in München gekauft hatte. „Ich habe unseren Zeugwart gefragt. Schließlich ist sie ja auch braun und passt mir immer noch. Ich war ja damals auch schon 1,90 Meter groß“, erzählt der mittlerweile 19 Jahre alte Österreicher. Im Spiel beim Kreisligisten Kilia Kiel am Freitagabend aber trug der talentierte Stürmer dann doch die selbe Kollektion wie seine Mitspieler und versuchte, erste Zeichen zu setzen.

Die Zuneigung zum Millerntor-Club besteht bei Gregoritsch also schon seit einer Zeit, da er sich noch kaum ausmalen konnte, hier einmal als Profi unter Vertrag zu stehen. Dabei war der Grazer durchaus ein Frühstarter im Profigeschäft. Er war noch keine 16 Jahre alte, als er in der Ersten Liga Österreichs für den SV Karpfenberg einen Treffer erzielte. Damit ist er noch heute und womöglich noch bis weit in die Zukunft der jüngste Torschütze in der höchsten Spielklasse des Alpenlandes. Solch ein Rekord weckt natürlich auch immer Erwartungen, die völlig überzogen sind. Gut drei Jahre später geht Gregoritsch gelassen damit um, schon im Geschichtsbuch des österreichischen Fußballs zu stehen. „Ich hoffe, dass ich in meiner Karriere noch mehr Tore schieße, mit denen ich Geschichte schreibe“, sagt er und beweist damit Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten.

Diese konnte er zuletzt nur bedingt auf höherer Ebene beweisen. Bei der TSG 1899 Hoffenheim trainierte er zwar regelmäßig im Bundesligakader mit, spielen aber durfte er nur in der Regionalliga Südwest. „Ende April stand fest, dass es dort für mich nicht weitergeht. Nach den Gesprächen mit Michael Frontzeck und Rachid Azzouzi stand dann für mich sehr schnell fest, dass ich zum FC St. Pauli gehen will“, erzählt er. Entscheidend sei dabei gewesen, dass ihm der Cheftrainer und der Sportdirektor zugesagt hätten, dass sie den Kader für die neue Saison mit drei Stürmern planen. „Einer davon bin ich. Das heißt, es gibt eine gute Chance, dass ich auch spielen kann“, sagt Gregoritsch.

Dabei hat er es allerdings mit zwei Konkurrenten im Angriff zu tun, die in der Zweiten Liga schon einiges vorzuweisen haben. Christopher Nöthe war bei Greuther Fürth in der Spielzeit 2011/2012 mit 13 Saisontreffern einer der Garanten für den Bundesliga-Aufstieg der Franken. Und John Verhoek, der beim Testspiel am Freitag nach seinem fast auskurierten Außenbandriss noch fehlte, profilierte sich in der abgelaufenen Spielzeit mit zehn Treffern für St. Paulis Liga-Konkurrenten FSV Frankfurt.

Es sind drei recht unterschiedliche Stürmertypen, die Trainer Frontzeck in der neuen Saison zu Verfügung stehen. Nöthe ist der typische Strafraumstürmer, der auf seine Chance lauert, aber nicht gerade durch weite Laufwege auffällt. „Er braucht nicht viele Chancen für ein Tor“, lobt ihn sein bisheriger Kollege Gerald Asamoah. Ein wichtiger Aspekt, denn in der vergangenen Saison hatte der FC St. Pauli die drittmeisten Torchancen der gesamten Liga, konnte aber nur 44 Treffer erzielen, was Rang sieben bedeutete. Diese Bilanz wird allerdings durch das 5:1 im letzten Heimspiel gegen Braunschweig geschönt. Lange Zeit bestand St. Paulis großes Manko im Angriff an einer mangelnden Effektivität - und das trotz der 18 Saisontore, die Daniel Ginczek erzielen konnte, womit der von Borussia Dortmund ausgeliehene Stürmer Zweiter der Torjägerrangliste wurde.

John Verhoek ist derweil ein Angreifer, der seinen robusten Körper einzusetzen versteht und daher auch aus der eigenen Spielfeldhälfte lang angespielt werden kann und trotzdem den Ball behaupten und wieder auf seine Mitspieler ablegen kann. Gregoritsch scheint derweil nach den ersten Eindrücken der technisch versierteste der drei neuen St. Pauli-Stürmer zu sein. „Körperlich kann ich noch zulegen“, sagt er selbst. Dies wird er auch müssen, um nicht nur in der Körperlänge (1,91 Meter) seinem sportlichen Vorbild Zlatan Ibrahimovic nahe zu kommen.

In den neun geplanten Testspielen bis zum Saisonstart der Zweiten Liga am 19. Juli werden alle drei, so sie denn gesund bleiben, genügend Einsätze erhalten, um Trainer Michael Frontzeck davon zu überzeugen, erste wahl für die Startelf zu sein. Bekanntlich ist Frontzeck bisher ein Anhänger eines Spielsystems mit nur einem klassischen Stürmer. „Ich kann mir aber auch vorstellen, das System auf zwei Stürmer umzustellen“, sagte er bereits.

Auf jeden Fall ist der Angriff der Sturm der Mannschaftsteil, bei dem er nicht auf bekannte Größen zurückgreifen kann. Denn weder Ginczek, den der 1. FC Nürnberg verpflichtet hat, noch Marius Ebbers, der keinen neuen Vertrag bei St. Pauli erhielt, stehen jetzt noch zur Verfügung. Dieser radikale personelle Umbruch bietet interessante Chancen, aber birgt auch das Risiko, dass es anfangs mit dem Zusammenspiel noch hapert.