Trainer Frontzeck muss eine neue Angriffsreihe formieren. Drei völlig unterschiedliche Spielertypen bieten sich dafür an

Husum/Kiel. Am liebsten hätte Michael Gregoritsch im ersten Testspiel die Fußballhose des FC St. Pauli angezogen, die er sich im Alter von 14 Jahren in München gekauft hatte. „Ich habe unseren Zeugwart gefragt. Schließlich ist sie ja auch braun und passt mir immer noch. Ich war ja damals auch schon 1,90 Meter groß“, erzählt der mittlerweile 19 Jahre alte Österreicher. Im ersten Testspiel beim Kreisligisten Kilia Kiel am Freitagabend aber trug der talentierte Stürmer dann doch dieselbe Kollektion wie seine Mitspieler und versuchte, erste Zeichen zu setzen. Das gelang: In der 89. Minute gelang ihm das Tor zum 4:0 (0:0)-Endstand. Zuvor trafen Kapitän Fabian Boll (54.), U19-Talent Okan Kurt (56.) und Christopher Buchtmann (88.).

Die Zuneigung zum Millerntor-Club besteht bei Gregoritsch also schon seit einer Zeit, da er sich noch kaum ausmalen konnte, hier einmal als Profi unter Vertrag zu stehen. Dabei war der Grazer durchaus ein Frühstarter im Profigeschäft. Er war noch keine 16 Jahre alt, als er in der Ersten Liga Österreichs für den SV Karpfenberg einen Treffer erzielte. Damit ist er noch heute und womöglich noch bis weit in die Zukunft der jüngste Torschütze in der höchsten Spielklasse des Alpenlandes. Solch ein Rekord weckt natürlich auch immer Erwartungen, die überzogen sind. Gut drei Jahre später geht Gregoritsch gelassen damit um, schon im Geschichtsbuch des österreichischen Fußballs zu stehen. „Ich hoffe, dass ich in meiner Karriere noch mehr Tore schieße, mit denen ich Geschichte schreibe“, sagt er und beweist damit Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten.

Diese konnte er zuletzt nur bedingt auf höherer Ebene beweisen. In Hoffenheim trainierte er regelmäßig im Bundesligakader mit, spielen aber durfte er nur in der Regionalliga Südwest. „Ende April war klar, dass es für mich dort nicht weitergeht. Nach den Gesprächen mit Michael Frontzeck und Rachid Azzouzi stand für mich schnell fest, dass ich zum FC St. Pauli gehen will“, erzählt er. Entscheidend sei dabei gewesen, dass ihm der Cheftrainer und der Sportdirektor zugesagt hätten, dass sie den Kader für die neue Saison mit drei Stürmern planen. „Einer davon bin ich. Das heißt, es gibt eine gute Chance, dass ich auch spielen kann“, sagt Gregoritsch.

Dabei hat er es mit zwei Konkurrenten im Angriff zu tun, die in der Zweiten Liga einiges vorzuweisen haben. Christopher Nöthe war bei Greuther Fürth 2011/2012 mit 13 Saisontreffern einer der Garanten für den Bundesliga-Aufstieg der Franken. Und John Verhoek, der in Kiel nach seinem fast auskurierten Außenbandriss noch fehlte, profilierte sich in der abgelaufenen Spielzeit mit zehn Treffern für St. Paulis Ligakonkurrenten FSV Frankfurt.

Es sind drei unterschiedliche Stürmertypen, die Trainer Frontzeck in der neuen Saison zu Verfügung stehen. Nöthe ist der Strafraumstürmer, der auf seine Chance lauert, aber nicht mit weiten Laufwegen auffällt. „Er braucht nicht viele Chancen für ein Tor“, lobt ihn sein bisheriger Kollege Gerald Asamoah. Ein wichtiger Aspekt, denn in der vergangenen Serie hatte St. Pauli die drittmeisten Torchancen der Liga, konnte aber nur 44 Treffer erzielen, was Rang sieben bedeutete. Diese Bilanz wird allerdings durch das 5:1 im letzten Heimspiel gegen Braunschweig geschönt. Lange Zeit bestand St. Paulis großes Manko im Angriff an einer mangelnden Effektivität – und das trotz der 18 Saisontore, die Daniel Ginczek erzielen konnte, womit der von Borussia Dortmund ausgeliehene Stürmer Zweiter der Torjägerrangliste wurde.

John Verhoek ist ein Angreifer, der seinen robusten Körper einzusetzen versteht und daher auch aus der eigenen Spielfeldhälfte lang angespielt werden darf, trotzdem den Ball behaupten und wieder auf seine Mitspieler ablegen kann. Gregoritsch wiederum scheint nach den ersten Eindrücken der technisch versierteste der drei neuen St.-Pauli-Stürmer zu sein. „Körperlich kann ich noch zulegen“, sagt er selbst. Dies wird er auch müssen, um nicht nur in der Körperlänge (1,91 Meter) seinem sportlichen Vorbild, dem Schweden Zlatan Ibrahimovic, nahezukommen.

In den neun geplanten Testspielen bis zum Saisonstart der Zweiten Liga am 19. Juli werden alle drei, so sie denn gesund bleiben, genügend Einsätze erhalten, um Trainer Frontzeck davon zu überzeugen, erste Wahl für die Startelf zu sein. Bekanntlich ist Frontzeck bisher ein Anhänger eines Spielsystems mit nur einem klassischen Stürmer. „Ich kann mir inzwischen auch vorstellen, unser System auf zwei Stürmer umzustellen“, sagte er bereits.

Auf jeden Fall ist der Sturm der Mannschaftsteil, bei dem er nicht auf bekannte Größen zurückgreifen kann. Denn weder Ginczek, den der 1. FC Nürnberg verpflichtet hat, noch Marius Ebbers, der keinen neuen Vertrag bei St. Pauli erhielt, stehen jetzt noch zur Verfügung. Dieser radikale personelle Umbruch bietet interessante Chancen, aber birgt auch das Risiko, dass es anfangs mit dem Zusammenspiel noch hapert. In Kiel war das lange Zeit so.