Kampfstarke Kiezkicker schaffen beim Absteiger 1. FC Köln ein glückliches Remis. St. Paulis Ex-Coach Stanislawski: “Es ist wie verhext.“
Köln. Sie taten ihm nicht richtig weh, eine echte Hilfestellung waren "meine alten Jungs" vom FC St. Pauli aber für Holger Stanislawski nicht. Torlos trennte sich der 1. FC Köln von den Hamburgern, Stanislawski wartet damit auch nach fünf Spielen auf den ersten Sieg und den zweiten Treffer. Das eindeutige Chancenverhältnis von 10:3 blieb letztlich wertlos. "Es war allen klar, dass dieses Spiel nicht der fußballerische Leckerbissen wird. Wir hatten auch Szenen, in denen wir das Tor hätten machen können, daher geht das Unentschieden in Ordnung", meinte St. Paulis Trainer André Schubert.
Alle Augen vor dem Anpfiff waren auf Stanislawski gerichtet, der 18 Jahre lang am Millerntor gewirkt hatte. Passenderweise war der Mann des Abends am Vortag in einer Kölner Kneipe zum Kickern gewesen. Einige Dutzend Fans bildeten den Rahmen in der "Lotta", einer stadtbekannten Anlaufstelle für St. Paulianer und FC-Fans. Am Montag verfolgten dann 45.200 Zuschauer, darunter 5000 St. Paulianer, das seit Stanislawskis Abschied vom Millerntor erhoffte wie befürchtete Duell. Gleich sieben Spieler standen in Schuberts Startelf, die noch unter Trainer Stanislawski am Millerntor gearbeitet hatten.
Präsente gab es aber von seiner alten Mannschaft nicht. Die Kölner Spieler wiederum hatten ihrem Trainer öffentlichkeitswirksam einen Sieg versprochen. Und die Chancen auf das zweite Saisontor waren für die saisonübergreifend seit 13 Spielen auf einen Sieg wartenden Kölner einmal mehr gegeben. 22 Torschüsse sollten am Ende in der Statistik für den Bundesliga-Absteiger stehen, ein Tor jedoch erneut nicht. In der 6. Minute scheiterte Sascha Bigalke aus der Distanz an Philipp Tschauner, keine 60 Sekunden später tauchte der trickreiche kleine Blondschopf im Strafraum frei vor St. Paulis Torhüter auf, der abermals Sieger blieb und per Glanztat rettete.
Neben dem ehemaligen Unterhachinger hatte Stanislawski mit dem von Mainz 05 ausgeliehenen Anthony Ujah auch den zweiten Last-Minute-Neuzugang aufgeboten. Und das dynamische Duo war maßgeblich dafür verantwortlich, dass der FC die Schubert-Elf in der Anfangsviertelstunde überrannte. Bereits in der 10. Minute hatte Bröker die dritte gute Gelegenheit, doch erneut war es Tschauner, der bei dem Distanzschuss schnell genug die Fäuste nach oben bekam und zum Eckball klärte.
+++ Tschauner hält die Null fest, Avevor setzt Ausrufezeichen +++
Während Stanislawski ("Ich bin die Coolness in Person") entspannt in seinem schwarzen Trainerstuhl zu versinken schien und nur bei einigen falschen Entscheidungen von Schiedsrichter Tobias Welz Akzente in seiner Coaching-Zone setzte, erlebte Schubert die Partie emotional an der Seitenlinie mit. Immer wieder klatschte Stanislawskis Amtsnachfolger seine Hände im Stakkato gegeneinander, verpasste mit den Salven zwar regelmäßig die Rhythmen der beiden lautstarken Fanlager, erreichte aber seine Mannschaft, die mit Einsatz, Disziplin, Leidenschaft, einem starken Schlussmann und der nötigen Portion Glück die frühen und späteren Angriffswellen schadlos überstand.
Zwischendurch wurden die Hamburger selbst aktiv. Nur knapp verpasste es Marius Ebbers in seinem 250. Zweitligaspiel das schnelle Direktspiel von Mahir Saglik und Dennis Daube mit seinem 100. Treffer zu veredeln. "Wir machen einfach die Bälle vorne nicht fest und können uns nicht befreien. So bekommen wir immer wieder enormen Druck auf die eigene Abwehr", lautete das Fazit von St. Paulis Sportdirektor Rachid Azzouzi, der wie die 45 000 Zuschauer eine rassige, intensive und äußerst kräftezehrende Partie sah.
+++ Der Spielverlauf zum Nachlesen im Ticker +++
Pausen gönnten sich die Akteure auf dem Rasen keine, allein der Unparteiische sorgte mit seinem Halbzeitpfiff für kollektives Durchschnaufen, das nach 15 Minuten aber wieder beendet wurde. Stanislawskis Mannschaft übernahm wieder die Kontrolle, baute ihr Chancenplus im roten Drehzahlbereich aus, blieb aber weiter erfolglos. Das Missverhältnis von Aufwand und Ertrag, seit dem ersten Spieltag das große Problem, blieb bestehen.
Und so hatte es Saglik in der 70. Minute auf dem Fuß, dem unglücklichen Kölner Saisonverlauf das fünfte Kapitel hinzuzufügen, doch der Türke traf freistehend im Strafraum den Ball nicht. So blieb es Tschauner in den restlichen Minuten vorbehalten, das 0:0 zu halten. Er tat es bis zum Abpfiff mit Bravour. Und in der 83. Minute mit der Unterstützung von Florian Mohr, der den Ball einen Meter vor der Torlinie wegschlug.
"Es ist wie verhext", klagte Stanislawski hinterher, "wir haben wieder gut gespielt, wieder viel investiert und wieder nichts erreicht. Vielleicht brauchen wir mal ein Eigentor des Gegners."