Nach dem letzten Spiel in der Champions League konzentriert sich der Rekordmeister voll und ganz auf das Spiel gegen die Kiezkicker.

München/Hamburg. Bei der Auslosung für das Achtelfinale der Champions League am 17. Dezember könnte Bayern München trotz des souveränen Gruppensiegs ein schwerer Gang bevorstehen. Das Augenmerk des deutschen Fußball-Meisters richtete sich nach dem 3:0 gegen den FC Basel aber nicht auf die Königsklasse.

Es drohen Titelverteidiger Inter Mailand, Angstgegner AC Mailand oder der FC Arsenal - doch bei Bayern München ist derzeit nur der FC St. Pauli wichtig. Nach dem 3:0 (2:0) gegen den FC Basel und der erfolgreichsten Gruppenphase seiner Champions-League-Geschichte galt beim deutschen Fußball-Meister umgehend die ganze Konzentration der Bundesliga und dem DFB-Pokal. Die Auslosung des Achtelfinales in der Königsklasse am 17. Dezember im Uefa-Hauptquartier in Nyon war kein Thema, obwohl es für die Münchner ein echtes Hammerlos geben könnte.

„Die Champions League ist abgehakt, wir müssen uns jetzt auf die Bundesliga und den Pokal konzentrieren. Wir sind der FC Bayern, da zählen jetzt nur Siege, vor allem vor Weihnachten, damit wir einen ordentlichen Urlaub haben“, betonte Nationalspieler Philipp Lahm vor den ausstehenden Bundesligaspielen am Sonnabend (15.30 Uhr, im Liveticker auf abendblatt.de ) gegen St. Pauli und am 19. Dezember beim VfB Stuttgart sowie vor dem DFB-Pokal-Achtelfinale erneut gegen den VfB am 22. Dezember.

Auch Sportdirektor Christian Nerlinger machte den Ernst der Lage angesichts von 17 Punkten Rückstand auf Herbstmeister Borussia Dortmund und Tabellenplatz sieben noch einmal deutlich: „Wir wissen um unsere Situation, deshalb sind wir zum Siegen verdammt.“ Auch für Trainer Louis van Gaal sind drei Siege „ein Muss“, ansonsten drohen äußerst ungemütliche Weihnachtstage. Doch daran mag van Gaal nicht denken. Der Erfolg gegen Basel - es war der fünfte Sieg in der Gruppenphase - gebe „viel Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben“, sagte er.

Die Hoffnungen auf bessere Zeiten ruhen bei den Bayern insbesondere auf Franck Ribery, der gegen Basel mit zwei Toren (35. /50.) - den dritten Treffer erzielte Anatoli Timoschtschuk (37.) - nach langer Durststrecke und Verletzungspause endlich wieder einmal sportlich auf sich aufmerksam machen konnte.

„Er ist auf dem Weg, der alte Franck Ribery zu werden. Die Tore tun ihm gut. In der jetzigen Phase ist jeder Spieler wichtig, aber ein kreativer Spieler wie Franck natürlich besonders“, meinte Lahm. Auch Nerlinger sieht seinen Mittelfeldstar „auf dem Weg zu alter Klasse“.

Van Gaal freute sich besonders, „dass Franck in seinem Kopf frei war. Das ist wichtig für sein Spiel.“ Ribery sieht sich aber nach wie vor nicht bei 100 Prozent. „Ich weiß, dass die Eins-gegen-Eins-Situationen manchmal noch nicht funktioniert haben“, sagte der 27 Jahre alte Franzose selbstkritisch, „aber das kommt“. Darauf bauen die Bayern in den kommenden Spielen vor der kurzen Winterpause und vor allem in der Rückrunde.

Doch trotz des bisher völlig enttäuschenden Saisonverlaufs in der Liga zeigte sich van Gaal auch nach dem Basel-Spiel einmal mehr zufrieden. „Wir haben bisher eine starke Champions League gespielt, haben viele Tore geschossen und nicht so viele bekommen. Wir sind im Pokal noch dabei, und wir können in der Liga einen Champions League-Platz holen. Alles ist noch offen, das ist sehr gut“, erklärte der Bayern-Trainer.

Dies sei laut van Gaal vor allem deshalb „eine gute Leistung, da wir die bisherige Saison ohne Arjen Robben und zum Großteil ohne Franck Ribery gespielt haben. Stellen sie sich vor, bei Real fehlen Ronaldo und Özil oder bei Barcelona Messi und Xavi so lange.“

Zu den möglichen Gegnern im Achtelfinale der Champions League, für das neben Inter, Milan und Arsenal noch Olympique Lyon, der FC Kopenhagen, Olympique Marseille und der FC Valencia im Lostopf sind, wollte sich van Gaal derweil nicht äußern. Das seien alles gute Mannschaften, meinte er nur lapidar - zumal der FC St. Pauli für den FC Bayern erst einmal viel wichtiger ist als eine mögliche Neuauflage des Champions-League-Finales von 2010 gegen Inter.

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Zwischen dem Millerntor-Stadion und der Allianz-Arena in München liegen knapp 800 Kilometer. Es ist die größte räumliche Distanz, die der FC St. Pauli in dieser Saison für ein Auswärtsspiel zurücklegen muss. Bei der Vereins-, und Stadiongröße, der Höhe des Etats und der Kapazität der Trophäenvitrine ist der Abstand zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Bayern ähnlich groß. Dass der Rekordmeister in der Tabelle in Reichweite ist - sechs Punkte und genauso viele Plätze trennen die beiden Klubs derzeit -, ist eher überraschend. So drückt sich die Nähe zu dem Klub aus der bayerischen Hauptstadt zum einen durch die allseits bekannte "Retteraktion" der Bayern, zum anderen durch die alte Rivalität einiger Personen aus, die einmal in München, bei 1860, zu Hause waren und nun in Diensten der Hamburger stehen. Die München-Connection des FC St. Pauli.

"Wenn man einmal bei 1860 München gespielt hat, dann gehört ein Spiel bei den Bayern immer zu den Besonderen", sagt Matthias Lehmann, der genau wie der rotgesperrte Innenverteidiger Markus Thorandt drei Jahre lang das Trikot der "Löwen" trug. "Es steckt noch immer in mir drin, dass ich es den Bayern so schwer wie möglich machen will", sagt er, und sein Grinsen deutet an, dass die Erinnerung an sein einziges "Auswärtsspiel" bei den Bayern, als er gegen Michael Ballack und Roy Maakay randurfte, noch präsent ist. Am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) heißen die Gegner Schweinsteiger und Lahm - beide alte Weggefährten aus der Juniorennationalmannschaft -, und damals wie heute ist klar: "Wir müssen über unsere Grenzen hinausgehen und hoffen, dass die Bayern keinen guten Tag erwischen."

Co-Trainer Thomas Meggle, dritter Mann im Bunde der München-Connection, ist in München geboren und aufgewachsen. Als kleines Kind schlief er in Bayern-Bettwäsche und stellte damit die Toleranz seiner Eltern, bekennende Sechziger, auf die Probe. Mit 13 Jahren spielte Meggle dann selbst jahrelang für den Münchener Traditionsklub, ließ es sich aber weiterhin nicht nehmen, im Olympiastadion die großen Stars wie Karl-Heinz Rummenigge und Co. zu unterstützen. "Ich freue mich, wenn es den Münchner Vereinen gut geht", gibt sich Meggle heute neutral. Sein Herz schlägt eh für den FC St. Pauli seit er 1997 erstmals an die Reeperbahn wechselte, auch wenn die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt, in der ein Großteil seiner Familie wohnt, und in der er insgesamt 23 Jahre lang lebte, ungebrochen ist. Für ihn ist die Rückkehr nach München zur Gewohnheit geworden. "Das relativiert sich irgendwann. Für mich ist das ein Spiel und ein Stadion wie alle anderen auch. Allein die Jungfräulichkeit in so einem Stadion aufzulaufen ist das Besondere", sagt Meggle, der die meisten großen Arenen des Landes gesehen hat.

Für den Großteil der Spieler des FC St. Pauli ist die Partie gegen die Bayern also eine Besondere, die Wenigsten haben schon gegen die Bayern gespielt, schon gar nicht in der Allianz-Arena. Lediglich Carlos Zambrano und Gerald Asamoah durften diese Erfahrung machen. Matthias Lehmann, der ehemalige Sechziger, weiß von zusätzlichem Ansporn zu berichten, wenn 60 000 Bayern-Fans gegen einen sind. "Es ist doch ein schönes Gefühl, von so vielen Leuten ausgepfiffen zu werden. So etwas muss man erst mal erreichen."

Die sportlich Zielvorgabe zu erreichen ("etwas mitnehmen"), wird für die Mannschaft von Trainer Holger Stanislawski ein schweres Stück Arbeit. Die Mannschaft ist von der vor der Saison ausgegebenen Vorgabe, auch in der Bundesliga am gepflegten, schnellen Passspiel festzuhalten, etwas abgerückt. "Wir müssen ein Gleichgewicht finden", sagt Lehmann, der seit Montag mit einer leichten Reizung eines Schleimbeutels im Knie zu kämpfen hat, am Sonnabend aber spielen kann. "Es wird auch gegen die Bayern Phasen geben, in denen wir am Drücker sind, da müssen wir versuchen, spielerische Lösungen zu finden. Aber die Bayern sind nicht über 90 Minuten von unserem Tor abzuhalten. Und dann gilt es, all unsere Kampfkraft in die Waagschale zu werfen." Um die Distanz zu den Bayern ein kleines Stück zu verringern.