Bernd-Georg Spies hat turbulente Tage hinter sich. Im Interview spricht St. Paulis Vizepräsident über Partys, das neue Präsidium und Probleme mit den Fans
Mit der Suche nach Spitzenkräften kennt Bernd-Georg Spies, 55, sich aus. St. Paulis Vizepräsident arbeitet als Personalberater für die Firma Russell Reynolds. Das Abendblatt bat er zum Interview in sein Büro an der Stadthausbrücke.
Abendblatt:
Herr Spies, im Präsidium des FC St. Pauli sind Sie für das Jubiläumsprogramm zuständig. Wie ist es um Ihre Feierlaune bestellt?
Bernd-Georg Spies:
Also, der Mai war schon ziemlich anstrengend, aber natürlich großartig. Das Vereinsfest, die Reminiszenz an die Fans mit den beiden Spielen, das Konzert und viele Dutzend andere Veranstaltungen haben dazu beigetragen, den Klub von vielen Seiten zu beleuchten. Mit der Ausstellung und der Gala am 1. August stehen uns weitere Highlights sogar noch bevor.
Was hat Ihnen am besten gefallen?
Das kann ich gar nicht so genau benennen. Bei der Unplugged-Version von Thees Uhlmanns Hymne an St. Pauli hatte ich Tränen in den Augen, auch der Auftritt von Fettes Brot war grandios.
Sie scheinen ein Musikfan zu sein.
Ich höre sehr gerne Jazz, aber auch Hip-Hop-Sachen.
Hip-Hop?
Absolut, Samy Deluxe zum Beispiel. Ich habe einen sehr breiten Musikgeschmack, selbst auch Gitarre gespielt.
Für Paukenschläge sorgten zuletzt Präsident Corny Littmann und Vize Marcus Schulz mit ihren Rücktritten.
Ich bin stolz darauf, dass wir die Situation ohne großes Getöse gelöst haben.
Warum sitzen Sie jetzt nicht als Littmanns Nachfolger vor uns?
Die Frage ist an mich herangetragen worden, und ich habe dann geklärt, ob ich das zu diesem Zeitpunkt mit meinem Beruf vereinbaren kann. Ich konnte dies nicht positiv beantworten.
Das könnte sich ändern.
Das steht derzeit nicht zur Debatte. Wir haben jetzt eine prima Lösung und wollen alles daran setzen, dass diese funktioniert. Ich möchte, dass dieses Team erfolgreich ist.
Wann wird das neue kommissarische Präsidium auch formal legitimiert?
Die Satzung sagt, dass die nächste Jahreshauptversammlung das neue Präsidium wählt. Allerdings stehen im November auch Aufsichtsratswahlen an. Man muss sich fragen, ob man das alles in eine Tagung packt. Meine Präferenz wäre, das Ganze an zwei aufeinander folgenden Tagen durchzuführen.
Gibt es vorab Nachrücker ins Präsidium?
Ich denke, dass wir operativ gut aufgestellt sind und man nicht kurzfristig jemanden dazuholen muss.
Gäbe es denn schon Bewerber?
Um ehrlich zu sein, hatte ich die noch nicht. Man macht sich natürlich selbst seine Gedanken, wen man sich noch vorstellen könnte.
Wie groß ist die Hoffnung, dass man, nachdem Corny Littmann nicht mehr Präsident ist, die Gräben zwischen Vereinsführung und Fans zuschütten kann?
Das klingt sehr dramatisch. Sicherlich sind im Zusammenhang mit dem Rostock-Spiel und auch schon vorher Missverständnisse entstanden. Ich kann mir auch vorstellen, dass mehr Kommunikation bessere Ergebnisse gebracht hätte. Auf der anderen Seite konnten die Fans in der Vergangenheit an wertvollen Entscheidungen mitwirken.
Könnte es in Zukunft bei St. Pauli einen Fanvertreter in einem offiziellen Gremium geben, durch den die Kommunikation verbessert würde?
Wir brauchen auf jeden Fall Ansprechpartner. Ständiger Fanausschuss, Fanladen, da muss auch auf Fanseite sortiert werden. Da muss es eine Verständigung geben, wer mit wem redet, und eine Verbindlichkeit von Absprachen. Meinungsverschiedenheiten wird es immer geben, aber die sollten wir nicht über Flugblätter oder öffentliche Stellungnahmen austragen. Das wäre eine Kulturänderung, die ich mir wünschen würde. Aber noch mal: Es war bislang nicht alles schlecht. Wir haben viel gemacht: den Fankongress, die Leitlinien, die wir übrigens sogar unseren Sponsoringverträgen beilegen.
Wird der Verein durch Littmanns Abgang sachlicher?
Ich habe ihn als extrem seriösen und verlässlichen Gesprächspartner kennengelernt. Dass er eine Öffentlichkeitswirkung wie ein Donnerschlag hat, ist klar. Vielleicht müssen unsere Partner jetzt mit etwas weniger Glamourfaktor leben. Wir drei im Präsidium sind andere Typen, aber ich bin absolut überzeugt, dass wir für Sponsoren und andere Partner auch weiterhin spannende Gesprächspartner sind.
Wie oft hatten Sie denn zuletzt Sponsorentermine?
Wenn man Interessenten für Business-Seats oder Logen und ähnliches hinzuzählt, dann hatte ich jeden zweiten Tag solche Termine.
Was sagt denn Ihre Frau zu Ihrem ehrenamtlichen Engagement?
Die trägt die Leidenschaft für den Klub mit und versteht auch, dass die letzten Wochen eine intensive Phase waren. Zuletzt war ich insgesamt 70 Stunden pro Woche beruflich und für den FC St. Pauli im Einsatz, das kann ich auf Dauer natürlich nicht durchhalten.