Holger Stanislawski ist das Urgestein des FC St. Pauli. Auch auf dem Trainerstuhl ist der 40-Jährige zum echten Dauerbrenner geworden.
Hamburg. Am Abend des 19. November 2006 erhielt Andreas Bergmann einen Anruf. Es war ein Sonntag, und im ARD-Fernsehen war gerade der Tatort zu Ende gegangen. Es meldete sich St. Paulis Sportchef Holger Stanislawski und teilte seinem Trainer mit, dass man sich von ihm trenne. Seitdem steht Stanislawski selbst in der Verantwortung auf dem Trainingsplatz. Heute ist sein 1200. Arbeitstag.
Ursprünglich sollte es nur eine Interims-Lösung sein, doch als er keinen Nachfolger fand, führte Stanislawski die Regionalligamannschaft in Doppelfunktion kurzerhand selbst zum Aufstieg. "Dass ich so lange bleiben würde, war damals nicht abzusehen. Lange Zeit war ich mir nicht mal klar darüber, ob ich zukünftig als Trainer oder Manager tätig sein wollte. Fest stand nur, dass ich mich entscheiden musste", sagt der heute 40-Jährige rückblickend. Er wählte im April 2007 den Trainerberuf.
Das Urgestein des Vereins, den er seit 1992 als Spieler, Sportchef, Vizepräsident, Trainer oder Teamchef begleitet und entscheidend verändert, ist mittlerweile auch auf dem Trainerstuhl zum echten Dauerbrenner geworden. Am Sonntag, dem Tag der 0:1-Heimniederlage gegen Arminia Bielefeld, überholte er Helmut Schulte, der die Profimannschaft vom 12. November 1987 bis zum 19. Februar 1991 1196 Tage ohne Unterbrechung trainiert hatte. Lediglich Heinz Hempel und Michael Lorkowski stehen in dem vereinsinternen Ranking seit dem Zweiten Weltkrieg noch vor ihm (siehe Tabelle unten). "Das überrascht mich wirklich sehr. Natürlich weiß ich, seit wann ich hier bin. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es nur zwei St.-Pauli-Trainer gibt, die länger als ich im Amt gewesen sind", sagt Stanislawski, der noch einen Vertrag bis zum 30. Juni 2012 besitzt, und lacht: "Aber natürlich war es von Beginn an mein großes Ziel, Helmut auf dem dritten Platz abzulösen."
Bislang hat der Chefcoach, der die Mannschaft aus dem Regionalliga-Mittelfeld bis in die Spitzengruppe der Zweiten Liga führte und zu einem ernsthaften Anwärter auf die Bundesliga formte, nur die Sonnenseite seines Jobs kennengelernt. Die aktuelle Mini-Krise nach drei sieg- und torlosen Spielen sowie dem schnell verspielten Vorsprung im Aufstiegsrennen bedeutet da schon den bisherigen Tiefpunkt seiner noch jungen Laufbahn. "Ich bin mir dessen bewusst", sagt er, "aber es werden mit Sicherheit auch noch ganz andere Phasen kommen, in denen es richtig schlecht läuft."
Einen entsprechenden Anruf nach dem Tatort müsste Stanislawski wohl aber auch dann nicht fürchten. "Kontinuität ist immer ein Zeichen dafür, dass es gut läuft. Und gerade auf der Trainerposition werden wir alles daran setzen, diese Konstanz zu bewahren", sagt der frisch überholte Schulte, mittlerweile als Sportchef am Millerntor im Amt, "das wäre für uns alle das Beste. Mir wäre es sowieso am liebsten, wenn Holger mich doppelt und dreifach überholen würde." Bis zu Heinz Hempel sind es noch 89 Monate. An einen Verbleib bis ins Jahr 2017 mag aber selbst Stanislawski nicht glauben.
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