Gegen die derzeit sechs am schlechtesten platzierten Klubs punktete St. Pauli voll. Heute kommt Frankfurt (18 Uhr hier im Live-Ticker).

Hamburg. Die Versuchung war da. Einen Moment habe er vor der letzten Partie gegen den Karlsruher SC an einen unmoralischen Sonderauftrag für seinen Spielgestalter Matthias Lehmann gedacht, gesteht Holger Stanislawski. Er habe überlegt, ob er seinen Denker und Lenker dazu verleiten solle, sich freiwillig seine fünfte Gelbe Karte einzuhandeln. "Das habe ich aber ganz schnell wieder verworfen", sagt der Trainer des FC St. Pauli. Grund dafür waren keine spontanen Gewissensbisse, sondern knallhartes Kalkül: "Das Spiel gegen Frankfurt war mir einfach wichtiger als das darauf folgende gegen Kaiserslautern."

Die fünfte Gelbe Karte hat bekanntlich ein Spiel Sperre zur Folge. Für Lehmann wäre es also ein Leichtes gewesen, die Zwangspause auf die heutige Partie am Millerntor gegen den Tabellenvorletzten vom Main (18 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) zu legen, um dann im Spitzenspiel gegen Kaiserslautern am 22. Februar sicher dabei zu sein. Den Auftritt am Betzenberg nennt Stanislawski, der am Montag die "Roten Teufel" beim MSV Duisburg beobachten wird, jedoch ein Bonusspiel. Die Pflichtpunkte im Kampf um den Aufstieg in die Bundesliga gilt es gegen die vermeintlich leichteren Gegner wie den FSV Frankfurt einzusammeln.

Bislang gelang das dem FC St. Pauli optimal. 24 Punkte holten die Kiezkicker aus acht Spielen gegen die sechs derzeit am schlechtesten platzierten Klubs der Zweiten Liga. Maximalausbeute. "Die Spieler bringen jedem Gegner den nötigen Respekt entgegen", erklärt Stanislawski die ausbleibenden Favoritenstürze. Der Trainer hat nicht nur sich, wie die Anekdote um Lehmanns drohende Gelbsperre verdeutlicht, sondern auch den Profis einen knallharten Anti-Arroganzkurs verordnet. "Es ist für mich ein Ausschlusskriterium aus dem Kader, wenn einer meint, dass wir ohnehin besser sind als andere Mannschaften und das durch sein Verhalten oder Reden kundtut", sagt Stanislawski. "Bislang ist das aber noch nicht vorgekommen."

Auch vor der Partie gegen den FSV Frankfurt seien alle seine Spieler wieder extrem fokussiert, schließlich gilt es das zweite Saisonziel nach dem bereits perfekt gemachten Klassenerhalt zu erfüllen: Sollte St. Pauli gegen die Hessen gewinnen, hätte Braun-Weiß schon nach dem 22. Spieltag genauso viele Punkte auf dem Konto wie am Ende der Vorsaison und dazu auch noch das deutlich bessere Torverhältnis. Stanislawski rechnet für das Frankfurt-Spiel jedoch mit einem harten Stück Arbeit, nicht nur wegen des nach verschobenem Rasenaustausch weiter schwierigen, weil schmierigen Geläufs.

"Wir haben schon unsere Probleme gegen Mannschaften, die tief stehen und auf unsere Fehler lauern", sagt der Coach. "Wir sind aber in der Lage, auch diese Spiele zu dominieren, geduldig zu sein, uns Torchancen zu erarbeiten." Und genau das ist auch ein Verdienst von Matthias Lehmann. Im Hinspiel hatte der ehemalige Junioren-Nationalspieler, der gestern als Vorsichtsmaßnahme wegen Oberschenkelproblemen nur auf dem Fahrrad trainierte, mit einem Traumtor in den Winkel den 3:2-Erfolg perfekt gemacht. Damals stellte St. Pauli mit dem dritten Auswärtssieg in Folge einen Vereinsrekord auf, diesmal könnten erstmals seit 1976 fünf Erfolge in Serie gefeiert werden.

Welches Ziel in diesem Fall nach dem Erfüllen von "Nummer zwei" folgt, ließ Stanislawski gestern übrigens offen. Es gebe schließlich auch Wünsche, die man nicht äußern darf, wenn sie in Erfüllung gehen sollen. Gemeint haben kann er damit nur den Aufstieg, seine größte sportliche Versuchung. Dieser kann er ganz sicher nicht widerstehen, auch weil es wenig rationale Gründe gibt, die dagegen sprechen könnten.