In Emden hatte er Erfolg. Seit Mai ist er ohne Aufgabe. Gut möglich, dass seine Zukunft dort liegt, wo alles begann: in Hamburg.
Hamburg. Es war ein festes Ritual, der Dialog fand wöchentlich statt. Bei einigen Tassen Kaffee kamen die Freunde regelmäßig zusammen und fachsimpelten über den Fußball. Holger Stanislawski, Spieler des FC St. Pauli und Marc Fascher, Trainer des Hamburger Oberligaklubs SC Concordia. "Jeden Montagmorgen haben wir uns bei Holli in der Stube getroffen", erinnert sich Fascher zurück, "in ihm steckte schon damals der Trainer. Ich verglich ihn immer mit Matthias Sammer." Ein Ritual, das zu Beginn des Jahrtausends über Jahre andauerte. Als Fascher im Sommer 2004 zu Kickers Emden wechselte, hielten die Trauzeugen zwar ihre Freundschaft aufrecht, die Kaffeerunde aber wurde zwangsläufig aufgelöst. Nun haben sich die Wege auch wieder beruflich gekreuzt - und das Ritual von einst erlebt ein Revival.
Zum Vorbereitungsstart präsentierten sich am 29. Dezember an der Kollaustraße zwei neue Gesichter: Angreifer Richard Sukuta-Pasu (19) und Marc Fascher. Der 41-Jährige hospitiert seitdem täglich im Training. "Mich hat einfach die Frage gereizt, wie ein Trainer mit dieser kurzen Vorbereitung von drei Wochen umgeht. Wo werden da die Reizpunkte gesetzt", erläutert Fascher seine Motive, "und der Verein liegt ja direkt vor meiner Haustür. Außerdem wollte ich hautnah erleben, was hinter der Erfolgsstory FC St. Pauli steckt."
Mit Erfolgsgeschichten kennt er sich aus. Den Verbandsligisten Concordia führte er in seiner ersten Trainersaison 2001 zum Aufstieg in die Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein und klopfte in den Folgejahren regelmäßig ans Tor zur damals drittklassigen Regionalliga. Ein Schritt, der ihm nach seinem Wechsel 2004 auf Anhieb mit Kickers Emden gelang. 2006/07 standen die Ostfriesen sogar auf einem Aufstiegsplatz zur Zweiten Liga. Nur ein Sieg fehlte am Saisonende, das Fascher trotz der Siegesserie nach Differenzen mit dem Vorstand nicht mehr im Amt erlebte.
So schnell es für den akribischen Arbeiter aufwärts gegangen war, so hart war der Aufprall. Nach kurzen Engagements bei den Sportfreunden Siegen und Carl Zeiss Jena, das er in der Saison 2008/2009 vor dem Abstieg aus der Dritten Liga rettete, nach zwei Monaten aber dennoch beurlaubt wurde, war vorerst Schluss. Im Oktober 2009 unterzeichnete er einen Auflösungsvertrag, seitdem ist er arbeitslos und wartet auf ein Angebot aus der Dritten Liga oder von einem ambitionierten Regionalligaklub. Hospitanzen bei der TSG Hoffenheim und im Sommer 2009 beim FC Bayern München, mit dem er auch ins Trainingslager nach Donaueschingen reiste, haben seine Optionen erweitert. "Wenn es passt, könnte ich mir mittlerweile auch vorstellen, als Teil eines Teams zu arbeiten. Auch ein Louis van Gaal lässt in Gruppen arbeiten und gibt Verantwortung an seine Co-Trainer ab", weiß er, "ich würde mich jedenfalls nicht als Hütchenaufsteller begreifen."
Da könnte es passen, dass St. Pauli darüber nachdenkt, zur neuen Saison den Trainerstab zu erweitern. Stanislawski hatte entsprechende Wünsche bereits seit dem Frühjahr 2009 immer wieder formuliert. "Ganz ehrlich, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht", sagt Fascher auf Abendblatt-Anfrage, "aber grundsätzlich könnte ich mir das natürlich sehr gut vorstellen. Zumal die nötige Vertrauensbasis ja gegeben ist."
Dass die ursprüngliche Befristung der Hospitanz zum Ende der Vorbereitung bereits aufgehoben wurde, sei allerdings nicht als Indiz für eine Verpflichtung zu verstehen. "Ich habe darum gebeten", sagt Fascher, "mittlerweile hat sich ein gewisses Kribbeln bei mir eingestellt, und zu Hause fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich wüsste nicht, was ich mit der Zeit anfangen soll. Ich möchte sie sinnvoll nutzen, mich weiterentwickeln." Vielleicht ja ab Sommer ganz offiziell bei St. Pauli, den wöchentlichen Kaffee inklusive.