Wenn es nach Maccabi Netanyas Präsidenten Daniel Jammer geht, darf Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren heute startenden Sommerurlaub beruhigt...

Diessenhofen. Wenn es nach Maccabi Netanyas Präsidenten Daniel Jammer geht, darf Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren heute startenden Sommerurlaub beruhigt antreten. Denn auch zwei Monate nach der Verpflichtung von Lothar Matthäus als Cheftrainer bei dem israelischen Spitzenverein, der heute Abend (19 Uhr) in St. Gallen auf den FC St. Pauli trifft, gibt es noch immer keine Regierungskrise zwischen Israel und Deutschland. Nicht jeder in Matthäus' Heimat hält das für so selbstverständlich. So lästerte Bayern-Manager Uli Hoeneß kurz nach Matthäus' Start in Israel: "Hoffentlich hat die Frau Merkel demnächst nicht so viel zu tun, die diplomatischen Beziehungen zu verbessern." Und während Hoeneß derzeit damit zu tun hat, die Supercup-Niederlage seiner Bayern gegen Dortmund plausibel zu erklären, weilt eine entspannte Merkel bei den Festspielen in Bayreuth.

Und "Loddar"? "Der Herr Matthäus will momentan nicht mit den Medien reden", lässt Andreas Stamatiou, der Finanzvorstand Netanyas, aus dem Trainingslager im österreichischen Schruns ausrichten. Das war in der Vergangenheit nicht immer so, aber vielleicht hat der Herr Matthäus ja doch etwas bei seinem Kurz-Trainerlehrgang gelernt, den der Rekordnationalspieler im Gegensatz zu St. Paulis Holger Stanislawski im Frühling in Köln absolvieren durfte.

Wer das mit Sicherheit weiß, ist Maccabis Präsident Jammer, der selbst nur äußerst ungern mit den Medien spricht, für das Abendblatt aber eine seltene Ausnahme machte. So verriet der gebürtige Frankfurter, dass er bereits als Jugendlicher ein glühender Matthäus-Fan gewesen sei. Nachdem Jammer vor zwei Jahren den aufstrebenden Klub in Israel übernommen hatte, ergriff der 41-jährige Multimillionär in diesem Sommer die Chance, sein Idol von früher als Cheftrainer zu verpflichten. Matthäus soll seinen Verein, dem Jammer einen Etat von knapp zehn Millionen Euro zur Verfügung stellt, in der nationalen Spitze etablieren. Und er habe größten Respekt davor, dass sich der Franke der Herausforderung Israel stellt. "Für mich ist Matthäus einer der größten Menschen, die ich kenne", schwärmt Jammer, der seine Millionen im Flugzeug- und Immobiliengeschäft verdient hat, über den 1,74 Meter großen Ex-Nationalspieler. Keiner sonst habe den Mut gehabt, in ein so gebeuteltes Land wie Israel zu gehen.

Dass die bisherige Trainer-Karriere des einstigen Weltklasse-Fußballers mehr Tiefen als Höhen hatte, interessiert Jammer nicht. Viele würden eben nicht verstehen, wie wichtig "dieser Move" auch für Israel sei, schließlich sei es immer Matthäus' Herzenswunsch gewesen, dort zu arbeiten. Und natürlich weiß auch der gläubige Jude Jammer, dessen Großeltern sich nach Überleben des Holocausts in Frankfurt am Main niedergelassen hatten, dass Matthäus' eigentlicher Herzenswunsch ein Engagement in der Bundesliga ist: "Sollte ein Verein Interesse an ihm haben, werden wir ihm diese Chance nicht verbauen."

Ob das Vertrauen in Matthäus gerechtfertigt ist, kann vielleicht schon heute Abend bei Maccabis Testspiel gegen St. Pauli überprüft werden. Sollten es seine Termine zulassen, will Jammer alles versuchen, um aus Spanien rechtzeitig einzufliegen. Immerhin ist die Freundschaftspartie in St. Gallen für ihn kein gewöhnliches Testspiel. 2003 habe er St. Paulis Stanislawski bei einem Treffen am Frankfurter Flughafen kennen und schätzen gelernt. In dieser Zeit sei auch der Wunsch entstanden, dem damals finanziell klammen Kiezklub als Geldgeber unter die Arme zu greifen. Obwohl er bis heute große Sympathien für den braun-weißen Zweitligaklub hege, hätte er sich wegen mangelnder Identifikation letztlich gegen ein finanzielles Engagement entschieden.

Ob ansonsten Matthäus heute Trainer beim FC St. Pauli wäre, weiß keiner. Nicht Daniel Jammer, nicht Uli Hoeneß - und nicht einmal Angela Merkel.