Philipp Tschauner, Torwart von 1860 München, kostet St. Pauli keine Ablöse. Thomas Kessler ist den Hamburgern zu teuer und geht.

Hamburg. Den Urlaub hat Thomas Kessler ganz bewusst noch nicht gebucht, dafür ist seine Situation zu unklar. Er hofft noch auf ein Angebot aus der Bundesliga. Zumindest weiß Kessler jetzt aber, dass er sicher eine Woche länger freimachen kann. Denn der 1. FC Köln beginnt erst am 22. Juni mit der Saisonvorbereitung, eine Woche später als der FC St. Pauli. Statt Thomas Kessler wird dann ein waschechter Bayer mit Benedikt Pliquett und Arvid Schenk um den Platz zwischen den Pfosten konkurrieren: Philipp Tschauner wechselt nach Abendblatt-Informationen ablösefrei ans Millerntor. Der Vertrag ist zwar noch nicht unterschrieben, es gibt jedoch von beiden Seiten eine konkrete Zusage.

Der 25-Jährige war schon vor der vergangenen Saison ein Thema für St. Pauli, damals entschied sich die sportliche Leitung jedoch für Kessler, der in Köln unzufrieden war und für die Bundesliga als die bessere Alternative galt. Kessler hat beim FC St. Pauli bewiesen, dass er in der Bundesliga bestehen kann, und nun hat er Blut geleckt. Frühzeitig gab der gebürtige Kölner bekannt, dass er auch in der nächsten Saison erstklassig spielen wolle, und zog Ende April die Option, in seine Heimatstadt zurückzukehren. Hintergrund der Entscheidung war allerdings die Perspektive, bei Aufsteiger Hertha BSC anzuheuern. Berlin hat sich jedoch für Thomas Kraft entschieden, und Kessler droht in Köln hinter Michael Rensing der Platz auf der Bank. Dass Kesslers Zukunft nicht beim FC St. Pauli liegt, hängt vor allem mit den unterschiedlichen Gehaltsvorstellungen beider Parteien zusammen. "Ich glaube, dass das Gesamtpaket inklusive der Leihgebühr für St. Pauli zu groß ist", sagt Kessler. "Aber der Verein wollte auch eine schnelle Entscheidung, und die konnte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fällen. Ich bin traurig, denn ich habe hier tolle Leute kennengelernt, und der Verein hat mir ermöglicht, eine Saison in der Bundesliga zu spielen." Unterm Strich fehlte dem 25-Jährigen aktuell die Perspektive, zu viele Personalien seien noch unklar. Der Verein dagegen ist etwas verstimmt über die Vorgehensweise von Kessler und hat sich demnach für eine frühzeitige, günstige und auch perspektivische Lösung entschieden.

Mit Philipp Tschauner kommt ein junger, ambitionierter Keeper, den der Verein langfristig binden kann. Allerdings birgt die Verpflichtung auch eine Gefahr: Tschauner steht seit fünf Jahren bei 1860 München unter Vertrag, in den letzten zwei Jahren hat er allerdings nur zwei Zweitligaspiele bestritten, da er sich nicht gegen Gabor Kiraly durchsetzen konnte. Tschauner hat demnach kaum Spielpraxis, wird aber von seinem Trainer sehr gelobt: "Er hat sich immer tadellos verhalten und ist sehr beliebt in der Mannschaft", sagt Reiner Maurer. "Zudem ist er ein sehr zuverlässiger Torwart, mit großer Reichweite und einem starken Eins-gegen-eins-Spiel." Es waren gar nicht in erster Linie schwache Leistungen, die ihn zum Ersatztorhüter degradierten. 2007 zog sich Tschauner einen Teilabriss des Kreuzbandes im linken Knie zu und war damit seinen Stammplatz los. Erst als 1860 Kiraly verpflichtete und ihn von Beginn an zur Nummer eins erklärte, bekam Tschauner kaum noch Chancen. "Er hat uns mitgeteilt, dass er nicht zufrieden ist und den Verein verlassen will", sagt Maurer.

Tschauner braucht eine neue Perspektive, eine neue Herausforderung. Der große Durchbruch ist ihm bisher verwehrt geblieben, sein Werdegang zeugt aber von viel schlummerndem Potenzial. Seine Jugend und Ausbildung genoss der gebürtige Schwabacher beim 1. FC Nürnberg, wo er zum Jugendnationalspieler reifte und sein bisher einziges Bundesligaspiel (2005) absolvierte. 2006 wechselte er dann zu den "Löwen", wo er nach einem Jahr in der Regionalliga schnell zum Stammkeeper aufstieg - bis zu seiner Verletzung. Aus dessen Münchner Zeiten ist Tschauner noch gut mit Markus Thorandt, St. Paulis derzeitigem Innenverteidiger, befreundet. Der wird seinem Kumpel sicher berichtet haben, was in Hamburg allgemein und beim FC St. Pauli im Speziellen los ist. Dass bei St. Pauli niemand etwas auf Vorschusslorbeeren gibt, zum Beispiel, und er deswegen auch nicht davon ausgehen kann, als Nummer eins gesetzt zu sein. Tschauner wird beweisen müssen, dass ihm in den zwei Jahren fast ohne Spielpraxis nichts an Qualität verloren gegangen ist. Den gleichen Beweis musste zu Beginn der vergangenen Bundesligasaison auch Thomas Kessler antreten. Mit Erfolg.