Hamburg. Der fehleranfällige Abwehrspieler bekommt von Trainer Walter eine Einsatzgarantie. Der Grund: fehlende Alternativen.

Am Donnerstag wurden die HSV-Profis an ihre Grenzen gebracht. Noch vor dem Aufwärmen mussten sich die Spieler in einer Disziplin beweisen, die nicht gerade zu ihrem Alltag gehört. Wegen seines 22. Geburtstags erhielt Winter-Leihgabe Noah Katterbach einen ersten Eindruck von den gesanglichen Qualitäten seiner Mitspieler. Erkennbar peinlich berührt nahm der gelernte Linksverteidiger, der nicht gern im Mittelpunkt steht, sein „Happy Birthday“ zur Kenntnis und applaudierte, so wie es sich gehört.

Am Sonnabendabend beim Auswärtsspiel des HSV in Kaiserslautern (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) wird Katterbach voraussichtlich erneut im Mittelpunkt stehen. Im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion werden dann sogar 49.350 Zuschauer singen, wenngleich es dabei nicht mehr um Katterbachs Geburtstag gehen wird.

Für den deutschen U-21-Nationalspieler wird es bereits der dritte Startelfeinsatz in Folge sein. Im Gegensatz zu den anderen beiden Wintertransfers Javi Montero und András Németh, die auf deutlich weniger Spielzeit kommen, hat sich Katterbach in Rekordzeit zu einer festen Größe in der Mannschaft von Trainer Tim Walter entwickelt. „Noah hat eine tolle Energie“, schwärmt der HSV-Coach. „Wenn es ihn nicht gäbe, würde man ihn als Winter-Transfer malen. Er liebt es, hier zu sein, und das merkt man ihm auch an.“

HSV-Coach Walter fehlt zweiter Vuskovic

Walter schätzt vor allem die Polyvalenz des Linksfußes, der beide Positionen auf der linken Außenbahn sowie rechts hinten in der Viererkette spielen kann. Nachdem Katterbach in Düsseldorf als linker Schienenspieler vor einer defensiven Dreierkette zum Einsatz kam, wird er in Kaiserslautern als Rechtsverteidiger gebraucht, da Platzhirsch Moritz Heyer krankheitsbedingt auszufallen droht.

Der Abwehrspieler hat bislang die komplette Trainingswoche verpasst. Fehlt Heyer auch beim Abschlusstraining am Freitag, wird er die Reise in die Pfalz gar nicht erst antreten. „Moritz ist ein wichtiger Spieler“, räumte Walter ein, dem es allerdings fernliegt, sich über Personalprobleme zu beklagen. „Wir werden nicht die Flinte ins Korn werfen, wenn er nicht spielen kann. Ich habe auch keine schlaflosen Nächte, jammern bringt eh nichts.“

Seit der 47-Jährige vor fast zwei Jahren als Trainer in Hamburg übernommen hat, weht ein neuer Wind durch den Volkspark. Damit seine Spieler besser mit Rückschlägen umgehen können, hat Walter ihnen vermittelt, Situationen so zu nehmen, wie sie kommen. Auch wer länger im Archiv wühlt, wird keine lamentierenden Aussagen des HSV-Coaches finden. Selbst seit Mitte November beschwert sich Walter nicht, obwohl er nicht mehr auf die Dienste von Mario Vuskovic, dem wohl besten Verteidiger der Liga, setzen kann.

Das HSV-Problem um den Vuskovic-Ersatz

Seit der Kroate wegen eines positiven Epo-Tests nicht mehr spielberechtigt ist, kassiert der HSV 34 Prozent mehr Gegentore. Auch unabhängig von den Gegentreffern wirkt die Defensive nicht mehr so sattelfest wie noch bis zum 16. Spieltag, dem bislang letzten Spiel von Vuskovic. Mit Sebastian Schonlau steht Walter nur noch ein zentraler Abwehrspieler von Aufstiegsformat zur Verfügung. Die anderen, Jonas David, Montero und Heyer, wenn er im Zentrum spielte, patzten zuletzt der Reihe nach.

Darauf angesprochen, musste sich Walter beherrschen, die Frage nicht direkt wieder ins Nirvana zu schicken. Nachdem er kurz Luft holte, gab der Coach aber doch einen erstaunlich offenen Einblick in seine Gedanken über die Problematik.

„Mario ist ein herausragender Spieler der Zweiten Liga. Wenn Bayern München oder Real Madrid auf einen ihrer besten Innenverteidiger verzichten müssten, hätten sie das gleiche Problem. Einen Mario Vuskovic werden wir nicht ersetzen, weil er eine Klasse hat, die seinesgleichen sucht“, lautete Walters bemerkenswertes Plädoyer für seinen momentan wegen Dopings vom DFB-Sportgericht für zwei Jahre gesperrten Verteidiger.

Und der HSV-Coach war längst noch nicht fertig. „Wir werden nie eine Eins-zu-eins-Lösung für Mario finden, wenn wir nicht gerade 50 bis 60 Millionen Euro ausgeben.“

HSV-Einsatzgarantie für David

Doch Walter wäre nicht Walter, wenn er nicht trotzdem optimistisch auf seinen Lösungsansatz blicken würde, der im Übrigen keine 50 bis 60 Millionen Euro kostet. „Wir haben Jungs hintendran, die genauso Gas geben, ich vertraue ihnen und bin total zufrieden mit ihnen.“

Einer dieser Jungs ist Jonas David, der beim 6:1 am vergangenen Sonnabend nur 18 Prozent seiner Zweikämpfe gewann und einen unsicheren Gesamteindruck hinterließ. Dennoch erhält der Youngster in Kaiserslautern die nächste Bewährungschance an der Seite Schonlaus. Weil Walter ihm vertraut, beziehungsweise vertrauen muss.

Denn durch Heyers Ausfall gibt es mit Montero nur noch eine Alternative. Doch der im Winter als Vuskovic-Ersatz verpflichtete Spanier, der in seinen drei Einsätzen auch nur 28 Prozent seiner Zweikämpfe gewann und zudem zweimal mit Gelb-Rot vorzeitig den Platz verlassen musste, stellt keine wirkliche Verbesserung dar. „Jonas wird spielen“, stellte Walter unmissverständlich klar – und meinte Jonas David und nicht Jonas Meffert, der allerdings auch spielen wird.

Walter verteidigt David gegen Kritiker

Damit hat Walter, der sich normalerweise bei Fragen nach der Startelf nicht in die Karten blicken lässt, in einer noch nie da gewesenen Deutlichkeit eine Einsatzgarantie ausgesprochen. Was Walter vermutlich mit seiner Wortwahl bezwecken möchte, liegt auf der Hand: Der zuletzt fehleranfällige David soll öffentlich gestärkt werden, damit er beim hitzigen Flutlichtspiel in Kaiserslautern nicht zusätzlich verunsichert wird.

„Jonas hat sich gegen Hannover nach anfänglichen Problemen gut gefangen, er hat ein sehr gutes Spiel gemacht“, sagt Walter offiziell. Ob seine internen Worte kritischer ausgefallen sind, ist nicht bekannt. „Im Verbund zusammen mit Bascho passt es. Jonas wächst an seinen Aufgaben. Manchmal hat er einen Aussetzer in seinem Spiel, aber ich bin total zufrieden mit ihm.“

HSV-Trainer Walter lobt Katterbach

Zufrieden ist Walter auch mit Katterbach, der rechts neben David spielen wird. Für den Außenverteidiger geht es in den nächsten Wochen auch um seine Zukunft. „Ich bin nicht hierhergekommen, um im Sommer wieder zu gehen“, sagte Katterbach vor Kurzem im vereinseigenen Podcast „Pur der HSV“ und verwies auf die Kaufoption. „Ich möchte meine Leistung bringen, damit der HSV mich halten will.“

Es sind Aussagen, die ihm sein Trainer komplett abnimmt. „Die Integration ist entscheidend, bei Noah ist sie zu 100 Prozent vorhanden“, freut sich Walter. „Er ist gerne in Hamburg.“ Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass beim HSV auch im nächsten Jahr wieder für Katterbach gesungen wird.