Hamburg. Im ersten Spiel nach dem Tod des HSV-Idols sorgen die Fans für eine besondere Atmosphäre. Doch am Ende feierte nur Hansa.
Tim Walter war gerade auf dem Weg in die Kabine, als auf dem Bildschirm im Innenraum des Volksparkstadions das entscheidende Gegentor lief. Keine 15 Minuten war das 0:1 (0:0) gegen Hansa Rostock zu diesem Zeitpunkt alt. Walter stoppte und sah sich die Szene noch einmal an. „Eieieieiei“, sagte der Cheftrainer des HSV und verschwand in der Kabine. Es sollte ein großer Tag für die Hamburger werden im ersten Spiel nach dem Tod von Uwe Seeler. Doch ausgerechnet im ersten Spiel nach dem Abschied der einstigen Tormaschine blieb der HSV unter Walter in einem Heimspiel ohne eigenen Treffer.
Eine halbe Stunde später saß Walter im schwarzen T-Shirt mit einem jubelnden Uwe Seeler auf der Brust im Presseraum der HSV-Arena und versuchte zu erklären, warum am Ende dieses außergewöhnlichen Tages nur die Gäste aus Rostock jubelten. „Es war ein besonderes Spiel. Eigentlich ging es wenig um Fußball, sondern darum, den großartigen Uwe zu würdigen“, sagte Walter. „Das war spürbar.“
HSV News: Emotionale Stimmung am Volksparkstadion
Spürbar war das vor allem vor dem Spiel, als Hunderte HSV-Fans vor dem Uwe-Seeler-Fuß am Volksparkstadion Blumen und Bilder niederlegten. Viele von ihnen weinten. Spürbar war das im Stadion, als Stadionsprecher Christian Stübinger die Aufstellung vorlas und aus den elf Spielern elf Uwe Seelers machte.
Spürbar war dieser besondere Tag aber auch auf dem Platz, als die elf Uwe Seelers versuchten, den größten HSVer aller Zeiten würdig zu verabschieden. Eine Bürde, die für die HSV-Profis spürbar groß war. Die Hamburger versuchten zwar von Beginn an Dominanz auszustrahlen, doch irgendwie wirkten Sonny Kittel und Co. in einigen Phasen des Spiels etwas gelähmt. Ob es an der besonderen Seeler-Atmosphäre lag? Vizekapitän Jonas Meffert wollte das nicht als Ausrede gelten lassen. „Sobald es losgeht, ist man im Spiel drin.“
„Natürlich ist das ein besonderes Spiel"
Kapitän Sebastian Schonlau aber ließ durchblicken, dass es nicht ganz einfach war, die Stimmung rund um das Spiel auszublenden. „Natürlich ist das ein besonderes Spiel, das ist ja gar keine Frage. So etwas erlebst du ja nicht alle Tage. Das war einfach das erste Spiel ohne Uwe Seeler“, sagte Schonlau, der bereits am Freitagmorgen zusammen mit Walter am Uwe-Seeler-Fuß einen Schal und zwei Blumensträuße niedergelegt hatte.
Im Spiel waren die Köpfe der Profis dann offensichtlich noch nicht ganz frei. „Nichtsdestotrotz versuchen wir natürlich auf dem Platz, weniger daran zu denken und unsere Sachen umzusetzen. Ich glaube, das ist uns eigentlich auch über weite Strecken gelungen. Dass am Ende gerade an diesem heutigen Tage nicht der Sieg rausgesprungen ist, ist natürlich doppelt bitter“, sagte Schonlau.
HSV-Anhänger sorgen mit einem homophoben Spruchband für Ärger
Vor dem Spiel hatten die Fans ihr HSV-Idol mit einer riesigen „Uns Uwe“-Choreografie gewürdigt. „Loyal und bescheiden – der Größte aller Zeiten“, stand auf einem Banner, das im Stadion über die gesamte Breite der Nordtribüne hing. Auch die Rostock-Fans, die komplett in weiß gekleidet waren, applaudierten für Seeler. Daneben benahmen sich einzig einige HSV-Anhänger, die mit einem homophoben Transparent die Hansa-Fans verunglimpften. Der HSV reagierte nach dem Spiel mit einer Stellungnahme und distanzierte sich von dem Spruchband. „Diskriminierung hat im Volksparkstadion und beim HSV keinen Platz. Unsere Raute steht für Vielfalt und Diversität“, schrieb der HSV auf Twitter.
Ansonsten war es ein sehr würdevoller Abschied von Uwe Seeler. Der frühere „Tagesschau“-Sprecher Jo Brauner hatte vor dem Anpfiff noch eine Trauerrede vorgelesen. 54.500 Zuschauer waren gekommen. Damit war der Volkspark ausverkauft, weil einige Plätze zwischen den Hansa- und den Hamburger Fans zur Sicherheit frei blieben. Es fehlte eigentlich nur ein Sieg des HSV.
HSV ließ kaum Chancen zu
Doch daraus wurde nichts. Im ersten Durchgang erspielte sich der HSV nur ganz wenige Chancen. Es dauert bis zur 37. Minute, ehe Sonny Kittel mit der ersten Hamburger Chance am starken Rostocker Torwart Markus Kolke scheiterte. Zwei Minuten später zielte Kittel erneut zu ungenau. Vorne ging in der ersten Halbzeit nicht viel, hinten ließ der HSV im Vergleich zum 2:0-Sieg bei Eintracht Braunschweig eine Woche zuvor aber kaum Chancen zu. „Wir haben es bedeutend besser gemacht als vergangene Woche“, sagte Walter.
Doch anders als in Braunschweig konnte sich der HSV in der zweiten Halbzeit nicht steigern. Im Gegenteil. Mit zunehmender Spielzeit wurden die Rostocker immer mutiger. Die Hamburger kamen erst nach der Hereinnahme von Ogechika Heil wieder besser ins Spiel. Das 21 Jahre alte Eigengewächs des HSV zeigte das, was die Hamburger unter Walter eigentlich auszeichnen soll: Mut. Doch bis auf Heil traute sich kaum ein HSV-Spieler in ein Tempodribbling. Kittel und Ransford Königsdörffer zogen immer wieder in die Mitte.
Bakery Jatta fällt weiter aus
Dem HSV fehlte der Tiefgang, für den normalerweise Bakery Jatta sorgt. Doch der Gambier fällt weiterhin genauso aus wie nun auch Xavier Amaechi, der sich im Abschlusstraining am Sonnabend eine Bänderverletzung im Sprunggelenk zugezogen hatte. Der Engländer hatte in Braunschweig das statische HSV-Spiel mit seinen Tempodribblings belebt. Auch Walter vermisste den Mut in der Offensive. „Uns tut ein Eins-gegen-eins-Spieler auf außen gut. Das hat man gesehen, als Ogi kam und letzte Woche, als Xavi kam. Das fehlt uns.“
So kam der HSV in der zweiten Halbzeit erst in der 84. Minute zu seiner größten Chance, als Robert Glatzel eine Flanke von Miro Muheim aus kurzer Distanz aufs Tor brachte. Doch Kolke parierte erneut stark. Rostocks Trainer Jens Härtel hatte seine Mannschaft gut auf Glatzel eingestellt. „Robert ist ein perfekter Mittelstürmer. Wenn er im Strafraum an den Ball kommt, ist er meistens drin. Wir haben ihn größtenteils wegverteidigt bekommen“, sagte Härtel, der sein Glück in der Nachspielzeit kaum fassen konnte, als Kevin Schumacher über links einen Angriff initiierte und ihn aus spitzem Winkel selbst abschloss.
HSV News: HSV muss schnell zu seiner Form finden
Jonas David und Heil kamen nicht mehr hinterher (90.+4). „Wir wären auch mit einem Punkt zufrieden gewesen“, sagte Härtel. „Trotz des traurigen Anlasses sind wir richtig glücklich.“Der HSV dagegen trauerte nicht nur um Uwe Seeler, sondern auch den vergebenen Chancen hinterher. Erstmals seit dem 0:0 gegen Fürth im Februar 2021 blieben die Hamburger in einem Heimspiel ohne Tor. Der HSV muss nun schnell zu seiner Form finden, wenn er sein großes Ziel in dieser Saison erreichen will.
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In der kommenden Woche steht die erste Runde im DFB-Pokal bei Drittliga-Aufsteiger Bayreuth an, eine Woche später kommt der mit zwei Siegen gestartete FC Heidenheim in den Volkspark. Dann wird es beim HSV nach dem Abschied von Uwe wieder allein um Fußball gehen. Womöglich fällt dem Team das Spiel dann wieder leichter.
HSV: Heuer Fernandes – Heyer (82. Bilbija), Vuskovic (72. David), Schonlau, Muheim – Meffert - Reis, Benes (60. Rohr) – Königsdörffer (72. Heil), Glatzel, Kittel. FC Hansa Rostock: Kolke – Malone, Fröde (82. Meißner), Roßbach – Neidhart (68. Schröter), Dressel, Ananou (72. Schumacher) – Rhein, Ingelsson (83. Dietze) – Pröger, Verhoek (68. Breier). Tor: 0:1 Schumacher (90.+4). Schiedsrichter: Kampka (Mainz). Zuschauer: 54.500. Gelb: Heil – Verhoek (2), Ananou, Roßbach, Ingelsson (2), Schumacher. Statistik: Torschüsse: 17:12; Ecken: 5:7; Ballbesitz: 66:34 Prozent, Zweikämpfe: 108:84.