Hamburg. Nach dem Siegtor gegen Sandhausen erhielt der Matchwinner die fast immer gleiche Handy-Nachricht. Heyer scherzt über Werder-Freunde.

Moritz Heyer hatte am Sonntag viel zu tun. Nachricht über Nachricht ploppte auf seinem Handy auf. Der Inhalt war fast immer der gleiche. „Viele Freunde haben mir geschrieben, dass ich doch ab sofort im Sturm spielen sollte“, sagte der HSV-Verteidiger, als er mit 14 Stunden Abstand und einem breiten Dauergrinsen über sein schon drittes Saisontor am sechsten Spieltag sprach.

In der sechsten Minute der Nachspielzeit hatte Heyer am späten Sonnabend das Volksparkstadion zum Beben gebracht. Mit der letzten Chance des Spiels und seinem Tor zum 2:1 gegen den SV Sandhausen rettete er dem HSV nicht nur den ersten Heimsieg der Saison, sondern auch die gute Stimmung eine Woche vor dem brisanten Nordderby beim SV Werder Bremen. „Das Stadion ist explodiert, das war der Wahnsinn“, sagte Heyer über den Moment der HSV-Glückseligkeit vor 19.950 Fans.

HSV: Heyer erfüllt mit Jubelgeste einen Wunsch

Terodde 2.0? Moritz Heyers Jubel gegen Sandhausen erinnerte manche Beobachter an den ehemaligen HSV-Torjäger.
Terodde 2.0? Moritz Heyers Jubel gegen Sandhausen erinnerte manche Beobachter an den ehemaligen HSV-Torjäger. © Witters | Unbekannt

Mit der Hand am Kopf feierte der 26-Jährige sein 2:1 gegen Sandhausen. Wie schon bei seinem 2:1 gegen Darmstadt 98, wie schon bei seinem 2:1 gegen Schalke 04. Ein Jubel, der an Schalkes Simon Terodde erinnert, der in der vergangenen Saison 24-mal mit seinem typischen Salut-Gruß ein HSV-Tor zelebrierte.

  • Nachruf auf HSV-Kultwirt: Ossi-Maik, du bleibst unvergessen

Heyer aber klärt auf: „Meine Freunde haben sich den Jubel gewünscht. Er stammt von NBA-Profi Carmelo Anthony. Wir haben oft die Portland-Spiele geguckt und fanden den Jubel ganz cool. Mit Simon hat das nichts zu tun.“ 

Basketballer Carmelo Anthony (hier noch im Trikot der New York Knicks) bei seinem Jubel, der Moritz Heyer als Vorbild diente.
Basketballer Carmelo Anthony (hier noch im Trikot der New York Knicks) bei seinem Jubel, der Moritz Heyer als Vorbild diente. © Imago/UPI Photo | Unbekannt

Heyer ist der Toptorjäger des HSV

Dass Heyer von den HSV-Fans am Sonntag trotzdem mehrfach als neuer Terodde bezeichnet wurde, hat allerdings weniger mit seinem Torjubel zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass der Defensivspieler der neue Toptorjäger der Hamburger ist.

  • HSV-Einzelkritik: Moritz Heyer ist der neue Simon Terodde

Mit drei Treffern führt Heyer das interne Torschützenranking an, macht damit aber gleichzeitig die derzeit größte Schwäche beim HSV deutlich. Gegen Sandhausen machte die Mannschaft von Trainer Tim Walter eine gute Partie und erspielte sich erneut eine Großzahl an Chancen.

HSV offenbarte ein altbekanntes Problem

Doch wie schon beim 0:0 in Heidenheim vergaben die Stürmer Robert Glatzel (6.) und Manuel Wintzheimer (18./25.) mehrere Großchancen. Weil auch Jonas Meffert (49.), Sebastian Schonlau (79.) und Miro Muheim (90.+4) beste Möglichkeiten ungenutzt ließen, hätte es vor dem Nordderby in Bremen eine unruhige Woche werden können, weil der HSV sich trotz der 1:0-Führung durch das Elfmetertor von David Kinsombi (74.) und einer Gelb-Roten Karte für den Elfmeterpunkt-Zertreter Marcel Ritzmaier kurz vor Schluss noch den 1:1-Ausgleich durch Janik Bachmann (88.) eingefangen hatte. Der HSV hatte sich in Überzahl zurückgezogen, hörte auf zu spielen und wurde nervös. Ein altbekanntes Problem. 

HSV hat die meisten Großchancen der Liga

Ein Problem aber ist neu: Keine Mannschaft hat so viele Großchancen wie der HSV – keine Mannschaft lässt so viele Hochkaräter liegen. 25:9 betrug am Sonnabend die Torschussdifferenz. Auffällig: Walters junge Truppe investiert unheimlich viel.

Der HSV läuft in dieser Saison deutlich mehr Kilometer als alle anderen Mannschaften der Zweiten Liga. Möglich, dass den Spielern vor dem Tor dann die nötige Ruhe fehlt. Walter aber hat eine andere Erklärung: „Uns fehlt der letzte, entscheidende Pass. Wir müssen in der Entscheidungsfindung zulegen.“

Die Bilder zum HSV-Sieg gegen Sandhausen:

Drama im Volkspark – mit Happy End für den HSV

Der HSV feiert den späten Siegtreffer von Moritz Heyer.
Der HSV feiert den späten Siegtreffer von Moritz Heyer. © WITTERS | ValeriaWitters
Was für eine Erlösung für den HSV: Moritz Heyer jubelt über seinen späten Siegtreffer.
Was für eine Erlösung für den HSV: Moritz Heyer jubelt über seinen späten Siegtreffer … © WITTERS | Valeria Witters
… und wird kurz darauf unter einer Jubeltraube begraben.
… und wird kurz darauf unter einer Jubeltraube begraben. © WITTERS | ValeriaWitters
Janik Bachmann (M.) konnte sich mit Immanuel Höhn (l.) und Christian Kinsombi nur kurz über seinen Ausgleichstreffer freuen.
Janik Bachmann (M.) konnte sich mit Immanuel Höhn (l.) und Christian Kinsombi nur kurz über seinen Ausgleichstreffer freuen. © dpa | Axel Heimken
David Kinsombi blieb beim Elfmeter eiskalt.
David Kinsombi blieb beim Elfmeter eiskalt. © Getty Images | Selim Sudheimer
Zuvor hatte Sandhausens Erik Zenga (hinten rechts) HSV-Angreifer Sonny Kittel mit hohem Bein im Strafraum getroffen.
Zuvor hatte Sandhausens Erik Zenga (hinten rechts) HSV-Angreifer Sonny Kittel mit hohem Bein im Strafraum getroffen. © WITTERS | Valeria Witters
HSV-Verteidiger Tim Leibold suchte über die linke Seite immer wieder den Weg zu Sandhausens Tor.
HSV-Verteidiger Tim Leibold suchte über die linke Seite immer wieder den Weg zu Sandhausens Tor. © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Stürmer Robert Glatzel sah beim Abschluss einige Male unglücklich aus.
HSV-Stürmer Robert Glatzel sah beim Abschluss einige Male unglücklich aus. © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Angreifer Sonny Kittel (l.) im Laufduell mit Sandhausens Chima Okoroji.
HSV-Angreifer Sonny Kittel (l.) im Laufduell mit Sandhausens Chima Okoroji. © WITTERS | ValeriaWitters
Rechtsaußen Manuel Wintzheimer (r., gegen Chima Okoroji) verdrängte Bakery Jatta aus der HSV-Startelf.
Rechtsaußen Manuel Wintzheimer (r., gegen Chima Okoroji) verdrängte Bakery Jatta aus der HSV-Startelf. © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Verteidiger Jan Gyamerah (l.) leistete sich ungewohnte Unkonzentriertheiten.
HSV-Verteidiger Jan Gyamerah (l.) leistete sich ungewohnte Unkonzentriertheiten. © Getty Images | Selim Sudheimer
David Kinsombi (r., gegen Sandhausens Chima Okoroji) verdrängte Ludovit Reis aus der HSV-Startelf.
David Kinsombi (r., gegen Sandhausens Chima Okoroji) verdrängte Ludovit Reis aus der HSV-Startelf. © Getty Images | Selim Sudheimer
HSV-Stürmer Robert Glatzel (l.) kommt vor Sandhausens Immanuel Höhn zum Abschluss.
HSV-Stürmer Robert Glatzel (l.) kommt vor Sandhausens Immanuel Höhn zum Abschluss. © WITTERS | ValeriaWitters
Hamburgs Jan Gyamerah (l.) nimmt die Verfokgung von Alexander Esswein vom SV Sandhausen auf …
Hamburgs Jan Gyamerah (l.) nimmt die Verfokgung von Alexander Esswein vom SV Sandhausen auf … © Getty Images | Selim Sudheimer
… und hebt im Zweikampf zum Zeichen der Unschuld die Hände.
… und hebt im Zweikampf zum Zeichen der Unschuld die Hände. © Getty Images | Selim Sudheimer
HSV-Verteidiger Jonas David kommt vor Sandhausens Arne Sicker an den Ball.
HSV-Verteidiger Jonas David kommt vor Sandhausens Arne Sicker an den Ball. © Getty Images | Selim Sudheimer
Hamburgs Moritz Heyer (r.) überspringt beim Kopfball Sandhausens Rechtsverteidiger Bashkim Ajdini.
Hamburgs Moritz Heyer (r.) überspringt beim Kopfball Sandhausens Rechtsverteidiger Bashkim Ajdini. © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Trainer Tim Walter haderte wieder einmal mit der Chancenverwertung seiner Mannschaft.
HSV-Trainer Tim Walter haderte wieder einmal mit der Chancenverwertung seiner Mannschaft. © WITTERS | ValeriaWitters
HSV-Fans gedachten vor dem Anpfiff des verstorbenen Kiezwirts
HSV-Fans gedachten vor dem Anpfiff des verstorbenen Kiezwirts "Ossi-Maik". © WITTERS | ValeriaWitters
1/19

HSV war sogar effektiver als die Bayern

Möglich aber auch, dass dem HSV einer wie Terodde fehlt. Der Schalker, der mit sieben Toren in der Schützenliste schon wieder an der Spitze steht, hatte den Hamburgern vor einem Jahr mit drei Doppelpacks an den ersten fünf Spieltagen einen Startrekord mit fünf Siegen beschert.

Nach der Hinrunde war der HSV mit 4,7 Schüssen für einen Torerfolg sogar die effektivste Mannschaft Europas – vor Bayern München (5,3) und Atlético Madrid (5,4). Terodde machte es möglich. Als der Rekordtorschütze der Zweiten Liga dann im letzten Saisondrittel seine Treffsicherheit verlor, verlor der HSV den Aufstieg aus den Augen.

In dieser Saison sieht das anders aus. Nur Werder Bremen (100) schoss an den ersten sechs Spieltagen häufiger auf das gegnerische Tor als der HSV (99). Die Effizienz ist den Hamburgern (zehn Tore) aber verloren gegangen.

Heyer war schon vor dem HSV torgefährlich

Walter wird daher froh sein, dass er die Torgefahr von Heyer als unverhoffte Waffe entdeckt hat. Der Allrounder, der an den ersten drei Spieltagen zunächst nur auf der Bank saß und beim 2:3 gegen St. Pauli gar nicht spielte, war schon vor zwei Jahren beim VfL Osnabrück mit sechs Toren der treffsicherste Abwehrspieler der Liga.

Während Ex-Trainer Daniel Thioune ihn in der vergangenen Saison hauptsächlich in der Innenverteidigung oder auf der Sechs einsetzte, darf Heyer unter Walter jetzt deutlich offensiver auf der Acht spielen.

Heyer schmiss Werder schon aus dem Pokal

Dort dürfte er auch am kommenden Sonnabend in Bremen zum Einsatz kommen. Für Heyer ist es ein spezielles Spiel. In der Jugend, als er als Stürmer begann und dann immer weiter nach hinten rückte, spielte der in Ostercappeln bei Osnabrück aufgewachsene Heyer mit dem VfL regelmäßig gegen Werder. Für einen Sieg reichte es selten.

Dafür warf er mit dem damaligen Drittligisten Lotte vor fünf Jahren die Bremer aus dem DFB-Pokal. Es war die Zeit, als das Nordderby noch ein Höhepunkt des Bundesliga-Spieltags war. Am Sonnabend treffen sich die beiden Traditionsclubs zum ersten Mal in der Zweiten Liga.

Heyer scherzt über Werder-Freunde

„Ich freue mich extrem auf mein erstes Nordderby“, sagt HSV-Torjäger Heyer, der in den kommenden Tagen wieder einige Nachrichten von seinen Freunden erhalten dürfte. Die meisten seiner Kumpels halten für Werders kleinen Rivalen aus Osnabrück, ein paar auch für den großen Rivalen vom HSV.

Und der eine oder andere auch für Werder. „Die gehören aber nicht zu meinen besten Freunden“, sagt Heyer und lacht. Er weiß offenbar, dass man sich bei HSV-Fans nicht nur mit Toren beliebt macht.