Hamburg. Thomas Bliwier fordert weitere Ermittlungen in Gambia. Staatsanwaltschaft will bald über Anklage im Fall des HSV-Profis entscheiden.
Wenn Bakery Jatta (23) am Freitag den Rasen des Millerntor-Stadions betritt, darf er sich einer Sache gewiss sein: Er ist so willkommen, wie das für einen HSV-Profi im Feindesland eben möglich ist. Der Stadtrivale hat sich in der Affäre um Jattas Identität klar positioniert.
„Das ist jemand, der integriert ist, der hier sein Geld verdient, der Steuern zahlt, und alle sind glücklich. Warum muss man da so eine Geschichte daraus machen?“, fragte Ewald Lienen, damals technischer Direktor des FC St. Pauli, wenige Wochen nach Beginn der Affäre. Genau zwei Jahre ist das bereits her.
Und Antworten im Fall Jatta gibt es noch immer nicht. Nur zu Neige gehende Geduld bei fast allen Beteiligten – auch dem Anwalt Jattas, der ihn in dem laufenden Ermittlungsverfahren vertritt.
Fall Bakery Jatta: Rechtsanwalt hat Gegenoffensive eingeleitet
Der renommierte Rechtsanwalt Thomas Bliwier hat deshalb nun eine Gegenoffensive eingeleitet. Wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage bestätigte, sind eine ausführliche Stellungnahme und Beweiseinträge des Verteidigers eingegangen. Erstens kritisiert Bliwier darin ein Gutachten der Uni Freiburg, das von einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit sprach, dass es sich bei Bakery Jatta und dem von der Bildfläche verschwundenen gambischen Fußballspieler Bakary Daffeh um dieselbe Person handele. Zweitens fordert er die Behörden auf, endlich auch in Gambia zu ermitteln, wenn man denn weiterhin Verdacht gegen seinen Mandanten hege.
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Trotz einer Durchsuchung im vergangenen Jahr und der langwierigen Ermittlungen gebe es keine Beweise dafür, dass Jatta und Daffeh wirklich identisch seien, sagte Thomas Bliwier dem Abendblatt. „Und selbst wenn man dies feststellen könnte, ist es noch ein weiter Weg zu einer strafbaren Identitätstäuschung“. Im Klartext: Die Staatsanwaltschaft müsse bitte auch beweisen können, dass Daffeh die echte Identität des HSV-Profis und Jatta eine Erfindung sei.
Kein Kommentar der Staatsanwaltschaft
Alle Ausweispapiere, die den Behörden vorlägen, lauteten aber auf den Namen Bakery Jatta und sind mehrfach beglaubigt worden – unter anderem vom gambischen Honorargeneralkonsulat in Köln. Von Bakary Daffeh gebe es dagegen keine Geburtsurkunde, keinen Spielerpass und auch keine anderen Dokumente, die seine Identität eindeutig belegen würden. „Um die Anschuldigungen aufzuklären, erwarte ich deshalb, dass im Rahmen der Rechtshilfe in Gambia nach diesen Papieren gesucht wird“, sagt Bliwier. „Und mir ist unerklärlich, warum das noch nicht geschehen ist.“
Auf Anfrage wollte die Staatsanwaltschaft den Stand der Verfahrens nicht kommentieren. Sie bestätigte lediglich den Eingang des Beweisantrages von Jattas Anwalt. „Vor dem Abschluss der Ermittlungen prüft die Staatsanwaltschaft nunmehr, ob den gestellten Anträgen nachzugehen ist“, sagte die Erste Staatsanwältin Liddy Oechtering. Sie betont aber auch, dass die Entscheidung über eine Anklage gegen Jatta nicht mehr fern sei: „Es ist seitens der Staatsanwaltschaft ein möglichst baldiger Verfahrensabschluss beabsichtigt.“
Bildanalyse der Polizei hatte den HSV-Profi bereits belastet
Wie es in Ermittlerkreisen heißt, sage das aber nichts über die Wahrscheinlichkeit einer Anklage aus. Tatsächlich muss die Staatsanwaltschaft dem Antrag Bliwiers nicht folgen und könnte sich vor Gericht vor allem auf das Gutachten der Uni Freiburg stützen. Die dortigen Expertinnen hatten unter anderem Gesichtszüge und Bewegungsabläufe von Jatta und Daffeh verglichen.
In seiner Stellungnahme kritisiert Thomas Bliwier nun unter anderem, dass dabei nur 20 statt der 60 üblichen Merkmale verglichen worden seien. Neben mutmaßlichen ehemaligen Mitspielern und Trainern von Bakary Daffeh hatte aber auch ein frühere Bildanalyse der Polizei den HSV-Profi bereits belastet.