Hamburg. HSV-Verteidiger Stephan Ambrosius reißt sich zum zweiten Mal das Kreuzband. Wie er reagiert hat, wen er sich jetzt zum Vorbild nimmt.

Stephan Ambrosius sprach langsam, als er noch einmal diesen einen Moment beschreiben sollte. Diesen Moment, in dem ihm seine ganze Karriere durch den Kopf schoss. „Das ist ein echt schlimmes Gefühl“, sagte er. Es ist der Moment, als ihm die Diagnose Kreuzbandriss offenbart wurde. „Ich wollte eigentlich weiterspielen. Ich dachte an eine Prellung, aber nicht an so etwas“, sagte Ambrosius fassungslos.

Auf den Tag 28 Monate ist es her, dass der damals 20-Jährige diese Sätze gesagt hatte. Mit „So etwas“ meinte Ambrosius sein rechtes Knie, dessen vorderes Kreuzband am Knochenansatz rausgerissen wurde. Der bullige Abwehrmann lag im Universitätskrankenhaus Eppendorf auf einer schmalen Liege und versuchte, trotz der schlimmen Diagnose kämpferisch zu bleiben.

„Vor 20 Jahren wäre das noch ein Karrierekiller gewesen. Aber die Medizin ist ja echt weit. Ich war schnell davon überzeugt, dass ich stärker als zuvor zurückkommen will“, sagte er damals dem Abendblatt.

Ambrosius ist nicht der einzige HSV-Pechvogel

Nun, knapp zweieinhalb Jahre später, muss Ambrosius wieder kämpfen. Am Dienstagnachmittag hatte er sich zwei Tage vor dem wichtigen Spiel gegen den KSC (Donnerstag, 18.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) im Training verletzt, wurde mit dem Golfcart zunächst in die Kabine gebracht, später mit dem Auto ins UKE. Und dort bestätigten sich am späten Abend die schlimmsten Befürchtungen: Wieder das rechte Knie, wieder eine schlimme Verletzung, wieder das vordere Kreuzband.

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Wie viel Pech kann man eigentlich haben? Eine Antwort auf diese philosophische Frage kann möglicherweise genau der Mann geben, der den in dieser Saison so starken Ambrosius nun vorerst auf dem Platz ersetzen soll: Rick van Drongelen. Auch der Niederländer hatte sich das Kreuzband gerissen, am letzten Spieltag der vergangenen Saison bei der epischen 1:5-Niederlage gegen Sandhausen. Spiel verloren, Aufstieg verpatzt und Kreuzband gerissen. Viel mehr Pech geht eigentlich nicht. „Es gibt Tage, die kannst du dir nicht vorstellen“, sagt van Drongelen, wenn er über diesen einen Tag noch einmal berichten soll.

Van Drongelen ist der Ambrosius-Ersatz

Doch van Drongelens Pechsträhne ging weiter. Elf Monate nach seinem Kreuzbandriss feierte der holländische Patient ausgerechnet im Derby gegen den FC St. Pauli sein Comeback – allerdings mit mäßigem Erfolg. Denn wieder hieß es: Spiel verloren, Ansehen verpatzt und diesmal Außenband gerissen.

Acht weitere Wochen musste van Drongelen arbeiten und warten, ehe er am vergangenen Sonntag in Regensburg (1:1) erstmals wieder eingewechselt wurde. Man darf es wohl als Laune des Schicksals bezeichnen, dass der 22-Jährige kurz vor Schluss ausgerechnet für den erschöpften Ambrosius ins Spiel kam.

Am Sonntag kam van Drongelen (r.) für Ambrosius ins Spiel.
Am Sonntag kam van Drongelen (r.) für Ambrosius ins Spiel. © Witters | LeonieHorky

Ambrosius soll schnell im UKE operiert werden

Dessen Platz an der Seite von Toni Leistner dürfte van Drongelen nun nicht nur in den verbleibenden vier Saisonspielen einnehmen. Ambrosius soll bereits in den kommenden Tagen von Prof. Karl-Heinz Frosch im UKE operiert werden und wird anschließend erneut lange ausfallen. Aller Voraussicht nach mindestens bis zum Ende des Jahres. Die Träume von der U-21-EM und Olympia in Japan sind somit geplatzt.

 „Wir müssen den Jungen in den kommenden Tagen unbedingt aufbauen“, sagt Sportdirektor Michael Mutzel. Dabei müssen er und Sportvorstand Jonas Boldt auch die unbequeme Frage stellen, ob Ambrosius nach seinem zweiten Kreuzbandriss überhaupt zurückkommen kann. Hoffnung gibt ihm zumindest das Beispiel eines Nationalspielers: Niklas Süle. Der Innenverteidiger der Bayern hat sich ebenfalls zweimal das gleiche Kreuzband gerissen, ist aber längst wieder der Alte.

Ambrosius-Gehalt kommt nun von der BG

Einen Automatismus gibt es natürlich nicht, dass es bei Ambrosius ähnlich läuft. Für den Hamburger Jung ist der Zeitpunkt und die Diagnose auch deshalb so ärgerlich, weil er sich in dieser Spielzeit erstmals so richtig im Profigeschäft etabliert hat. Mit Moritz Heyer und Simon Terodde kommen nur zwei HSV-Feldspieler auf mehr Saisonminuten. Nach Angaben des Fachmagazins „Kicker“ war er nach Bakery Jatta der notenbeste HSV-Stammspieler. Auch deshalb hatten die Verantwortlichen seinen auslaufenden Vertrag nach langen Verhandlungen erst kürzlich bis 2024 verlängert. Im Fall des Aufstiegs sollte er bis zu 1,2 Millionen Euro verdienen.

Doch statt eines Millionengehalts vom HSV erhält das Eigengewächs nun nach sechs Wochen sein Gehalt von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft. Ob Ambrosius wie ein Großteil seiner Kollegen eine private Zusatzversicherung abgeschlossen hat, ist nicht bekannt.

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Ambrosius: Mutzel-Appell an die Mannschaft

Aus HSV-Sicht ist in diesem Fall der finanzielle Aspekt ohnehin zweitrangig. Ambrosius wird den Hamburgern nicht nur auf dem Platz fehlen, sondern auch außerhalb des Spielfeldes. Der gebürtige Hamburger gilt als Frohnatur, ist in der Mannschaft äußerst beliebt und hat sich trotz seiner gerade mal 22 Jahre auch immer um die jüngeren Spieler gekümmert. „Stephan ist ein richtig guter Kerl. Die Mannschaft muss jetzt auch mal für ihn spielen“, sagt Sportdirektor Mutzel.

Doch Ambrosius hatte Glück im Unglück. Wenn man so will, dann kann man von einem „sauberen Riss“ sprechen. Wie bei 95 Prozent aller Kreuzbandrissen ist auch bei ihm das vordere Band durch, der Rest des Knies wurde nicht beschädigt. Laut einer Uefa-Untersuchung fallen Profifußballer im Schnitt 7,8 Monate nach so einem Riss aus.

Ambrosius nennt Rüdiger als Vorbild

„Viele Profis haben sich das Kreuzband gerissen“, hatte Ambrosius nach seinem ersten Riss gesagt. Vor allem Antonio Rüdiger, den er als ein Vorbild bezeichnete, hatte ihm imponiert. „Rüdiger hat sich kurz vor der EM in Frankreich das Kreuzband gerissen. Und er ist auch stärker als je zuvor zurückgekommen.“

Was er zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen konnte: Auch er selbst kam nach seinem ersten Kreuzbandriss stärker als je zuvor zurück. Doch einmal ist bekanntlich kein Mal. Ambrosius’ Kampf hat begonnen. Zum zweiten Mal.

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