Hamburg. Nun treffen Fürth und Bochum sowie der HSV und Kiel aufeinander. Für den Aufstiegskampf wird es ein Spieltag der Wahrheit.
Wer nach einer passenden Überschrift für das kommende Zweitliga-Wochenende sucht, der findet in so ziemlich allen Bereichen des Lebens kreative Ideen. Wie wäre es beispielsweise mit dem Filmtitel „Die gefürchteten Vier“, einem Spätwestern von Richard Brooks? Oder den „Big Four“, einem Fachbegriff aus der Banken- und Finanzwelt? Uns hat am besten die deutsche Hip-Hop-Band „Die Fantastischen Vier“ gefallen. Der gemeinsame Nenner von allen Headlines: Vier gewinnt!
Der HSV-Check vor dem Spiel gegen Holstein Kiel
Tatsächlich will es der Spielplan der Zweiten Liga so, dass sich an diesem Wochenende die Top-Vier der Liga treffen. Am Sonnabend (13 Uhr) empfängt Greuther Fürth Spitzenreiter VfL Bochum – und am Montag tritt Holstein Kiel beim HSV an. Grund genug, einen etwas genaueren Blick auf „Die großen Vier“ (Agatha Christie) zu werfen.
Bochum: Aufstieg wäre finanzielle Rettung
Thomas Reis hatte am Donnerstagmittag keine guten Nachrichten zu verkünden. Um Punkt 12.30 Uhr bat der Trainer des VfL Bochum die lokalen Medien zur Frage-und-Antwort-Runde und musste direkt zu Beginn verkünden, dass ausgerechnet Top-Scorer Simon Zoller gegen Greuther Fürth ausfällt. Der Stürmer, der mit elf Toren und neun Vorlagen auf Platz drei der Zweitliga-Schützen liegt, muss in Fürth mit muskulären Problemen im Adduktoren- und Hüftbereich passen. Auch sein Einsatz gegen den HSV am Freitag soll fraglich sein.
Als echter Stimmungskiller taugt die Zoller-Nachricht allerdings nicht. In Bochum ist die Euphorie groß – da kann Trainer Reis auch noch so sehr auf die Aufstiegsbremse treten. Immerhin: Am Donnerstag rutschte dem so besonnenen Cheftrainer fast so etwas wie eine Kampfansage raus: „Wenn du oben stehst, dann ist klar, dass alle deinen Platz haben wollen“, sagte Reis.
Aus finanzieller Sicht müssen Reis und der VfL tatsächlich alles dafür tun, auch am Ende dieser Saison noch ganz oben zu stehen. Die Corona-Krise hat in Bochum noch sehr viel stärker als bei vielen anderen Zweitligastandorten zugeschlagen. Der Etat wurde in dieser Saison coronabedingt auf 12,1 Millionen Euro verringert. Und im laufenden Geschäftsjahr rechnen die Verantwortlichen sogar mit einem heftigen Minus von 7,5 Millionen Euro. Perspektivisch gibt es für den VfL nur zwei Chancen: Aufsteigen – oder eines der Top-Talente zu Geld machen. Lukrativster Goldesel soll das gerade erst 19 Jahre alte Abwehr-Eigengewächs Armel Bella Kotchap sein.
Kiel: Auf den Spuren von Atlético Madrid und José Mourinho
Es war schon fast wieder hell, als Holstein Kiels Mannschaftsbus am frühen Donnerstag in der Heimat ankam. Weil es im März an der Förde auch mal kälter und nebliger werden kann, war am Vorabend kurzerhand der Charterflieger gestrichen worden, der die Überflieger nach einem rauschenden Pokalabend zügig von Essen zurück an die Ostsee bringen sollte. Doch die Störche konnten die lange Busfahrt verschmerzen. Nach dem 3:0-Sieg bei Rot-Weiss Essen steht Kiel im Halbfinale – oder dem Thema des Tages entsprechend: im Final Four – des DFB-Pokals, hat als Tabellenzweiter beste Aufstiegschancen und darf sich schon jetzt über die wohl erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte freuen.
Gründe für den Erfolg gibt es viele, die aber fast alle bei Trainer Ole Werner zusammenlaufen. Dem Ur-Kieler gelang es, aus einer guten Zweitliga-Mannschaft, zu der Holstein direkt nach dem Aufstieg 2017 geworden war, eine potenzielle Bundesligamannschaft zu formen. Der Fußballlehrer lässt fast schon die ganze Saison im bestens eingespielten 4-1-4-1-System agieren, das je nach Spielsituation auch zu einem 4-3-3 werden kann. Die Stützpfeiler des Teams (Hauke Wahl, Alexander Mühling, Jae-sung Lee und Janni Serra) spielen allesamt schon länger bei Holstein, neu hinzugekommen ist im Sommer lediglich Fin Bartels.
Werner brachte der eingespielten Mannschaft eine defensive Stabilität bei, ohne dabei der offensiven DNA des Teams zu schaden. Der 32-Jährige orientierte sich dabei an den Großmeistern Diego Simeone (Atlético Madrid) und José Mourinho (Tottenham Hotspur), von deren Spielen er seiner Mannschaft reihenweise Videosequenzen vorspielte.
Allerdings wäre es falsch zu behaupten, dass in Kiel alles nach Plan läuft. Serra und Lee stehen im Sommer vor dem (ablösefreien) Absprung, wobei das letzte Wort noch nicht gesprochen sein soll. Der Südkoreaner Lee, der in der kommenden Saison Bundesliga spielen will, steht unter anderem seit Monaten beim HSV ganz oben auf der Wunschliste. Serra wechselt allerdings nach Bielefeld.
Fürth: Endspurt mit zwei Hamburgern
Am meisten überrascht über den bisherigen Fürther Saisonverlauf ist man – in Fürth. Nachdem im Sommer der Etat coronabedingt gekürzt werden musste, hatte man sich mit der Idee angefreundet, „sich irgendwie durch das Mittelfeld der Liga zu wurschteln“. Nun hat man sich irgendwie in die Spitzengruppe hineingewurschtelt – und will das nicht einmal wahrhaben. Offizielles Ziel bleiben vorerst: 50 Punkte.
Dabei helfen, diese mit einem dreifachen Halleluja zu übertreffen, sollen zwei Hamburger: Abwehrchef Mergim Mavraj, der seine Oberschenkelverletzung überstanden hat und gegen Bochum wieder im Kader dabei ist. Und Offensivallrounder Julian Green, der positiv auf Corona getestet worden war und nun endlich aus der Quarantäne darf.
Green ist wieder negativ – der Rest in Fürth ist extrem positiv über die nicht für möglich gehaltene Entwicklung. Dem finanziell schlechtesten Geschäftsjahr der Geschichte könnte sportlich eines der besten Jahre der Geschichte folgen.
HSV: Boldt-Motto – viele Wege führen nach Rom
Die Nachwirkungen der Derby-Pleite waren auch am Donnerstag beim HSV noch zu beobachten. So ein St.-Pauli-Hund wagte es nach dem Vormittagstraining doch wirklich, die Absperrung zu durchbrechen und auf das HSV-Trainingsgelände zu laufen. Zu seiner Verteidigung: Der St.-Pauli-Hund war tatsächlich ein Hund – mit St.-Pauli-Halsband und dem vielsagenden Namen: Paul.
Trainer Daniel Thioune machte sich zwischen den beiden Einheiten am Donnerstag aber weniger Sorgen um Paul als vielmehr um seine ersatzgeschwächte Abwehr. In einem langen Vieraugengespräch sprach er mit Jan Gyamerah, der nach der Derby-Pleite zurück in die Startelf rotieren soll. Offen ist noch, auf welchen Seiten die beiden Außenverteidiger Gyamerah und Josha Vagnoman zum Einsatz kommen – oder, ob Thioune beim Kiel-Spiel sogar radikal umbaut und auf eine Dreierkette setzt.
Radikal sind auch wieder die Ängste im Umfeld des HSV vor einem erneuten Frühjahrs-Absturz. Keine Sorgen macht sich da Sportvorstand Jonas Boldt, um den es aber (mal wieder) viele Spekulationen gibt. Eintracht Frankfurt? Schalke 04? Oder wie man es noch vor ein paar Monaten formuliert hätte: Viele Wege führen nach Rom. Konkret ist nichts – außer: Sollte aus den „fantastischen Vier“ nach dem 34. Spieltag die „drei Fragezeichen“ mit Bochum, Kiel und Fürth übrig bleiben, würde in Hamburg im Sommer ohnehin wieder alles und jeder auf den Prüfstein gestellt werden.