Hamburg. Dirk Bremser spricht über die Trennung vom HSV und von Dieter Hecking. Ein Besuch in seiner Heimat Scharbeutz.
Am Freitagnachmittag ging es für Dirk Bremser wieder aufs Grün. Nicht auf den Rasen, der in den vergangenen Jahrzehnten sein tägliches Leben als Fußballer und Trainer geprägt hat, sondern auf den Golfplatz. Im Maritim Golfpark Ostsee in Warnsdorf arbeitete Bremser an seinem Handicap. In den vergangenen Wochen hat er sich Spiel für Spiel auf mittlerweile 35 verbessert. 37 Jahre lang hat Bremser im Profigeschäft von Spiel zu Spiel gedacht. Doch auf einmal ist irgendwie fast alles anders in seinem neuen Leben.
„Ich habe plötzlich für Dinge Zeit, die ich 20 Jahre nicht machen konnte“, sagt Bremser, als er sich mit dem Abendblatt im heimischen Scharbeutz an der Ostsee trifft. Bremser ist braun gebrannt und trägt Dreitagebart, als er im Beachcafé „Grande“ direkt an der Ostseepromenade sitzt und sich einen Kaffee Creme bestellt.
Bremser betreute den HSV als Co-Trainer
Rund drei Monate ist es nun her, dass Bremser an der Seite von Dieter Hecking das letzte Mal ein HSV-Spiel als Co-Trainer betreute. Das 1:5 gegen Sandhausen und die verpasste Aufstiegschance am letzten Spieltag hatten Spuren hinterlassen bei dem 54-Jährigen. Er nahm sich bewusst Zeit, das turbulente Jahr beim HSV in Ruhe zu reflektieren. „Wollen wir da wirklich noch drüber reden?“, fragt Bremser gleich zu Beginn.
„Es ist immer noch unglaublich, dass wir den Aufstieg nicht geschafft haben“, sagt Bremser, als er sich dann doch entscheidet, seine Zeit in Hamburg zu rekapitulieren. Er hat schon ein wenig Abstand gefunden zu der großen sportlichen Enttäuschung.
Doch sobald er an die Monate im Volkspark zurückdenkt, sind die vielen Szenen wieder präsent. Das nicht gegebene Tor von Rick van Drongelen in Darmstadt. Der Pfostenkopfball von Tim Leibold gegen Bielefeld. Die Schlussminuten gegen Fürth, Stuttgart, Kiel und Heidenheim. „Ich denke schon noch oft, wo wir jetzt wären, wenn es anders gelaufen wäre.“
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Die Antwort ist eigentlich klar. Hätte der Aufstieg geklappt, würde er noch immer an der Seite von Dieter Hecking und Tobias Schweinsteiger beim HSV arbeiten. So aber wurde die langjährige Verbindung zwischen Bremser und Hecking zum ersten Mal unterbrochen. Hecking ist jetzt Sportvorstand beim 1. FC Nürnberg – und Bremser wartet in Scharbeutz auf neue Aufgaben.
Trotz des Abschieds von Hecking wäre er gerne beim HSV geblieben. Es gab Gespräche mit Sportvorstand Jonas Boldt, im Stab von Daniel Thioune die Rolle des zweiten Co- und Übergangstrainers zu übernehmen. Am Ende entschied sich Thioune für Hannes Drews. Bremser hätte auch mit Hecking nach Nürnberg gehen können. Doch ein erneuter Umzug kam für den gebürtigen Bochumer zu früh.
Bremer und Hecking verbindet eine langjährige Trainer-Ehe
„Ich genieße die Zeit, die ich gerade habe. Für mich ist es ein Geschenk, mal für längere Zeit bei meiner Familie zu sein.“ Mit seiner Frau Heike baut er gerade auf dem gemeinsamen Grundstück in Scharbeutz an. Seine Söhne Yannick (26) und Nico (24), die in Bremen und Flensburg arbeiten und studieren, wohnen aufgrund der Corona-Situation im Moment wieder zu Hause.
Gerade erst hat er sich nach langer Zeit mit dem früheren Teammanager des VfB Lübeck, Klaus Borchert, getroffen. 1997 war Bremser als Spieler von Hertha BSC zum VfB gewechselt. Seitdem wohnt er hier oben an der Ostsee. 2000 wurde er vorübergehend Trainer an der Lohmühle. Bis Hecking zum VfB kam und die langjährige Trainer-Ehe, wie es die beiden immer nannten, begann. Im März wollten sie eigentlich ihr 20-Jähriges feiern. Die Porzellanhochzeit des Trainergespanns.
Doch mit dem verpassten HSV-Aufstieg kam alles anders. Die gemeinsame Zeit soll damit aber nicht vorbei sein. „Dass wir jetzt das erste Mal getrennt sind, heißt ja nicht, dass es nicht irgendwann weitergeht. Vielleicht ist es nur eine Auszeit“, sagt Bremser und lacht. „Unsere Ehe ist noch nicht vorbei.“
Bremser verfolgt aus der nahen Ferne, was im Volkspark passiert
Eigentlich wollten Hecking und Bremser die vergangene Saison noch einmal in Ruhe analysieren. Geschichten gab es genug. Auch so manche, die nicht öffentlich wurde, deutet Bremser an. Dass es nach der Saison hieß, die Stimmung in der Kabine sei schlecht gewesen, ärgerte ihn. Aber er will einen Schlussstrich ziehen unter das Jahr. „Für mich ist wichtig, dass ich in den Spiegel gucken kann, weil wir alles für den Erfolg getan haben. Ich bin auch überzeugt, dass wir es dieses Jahr geschafft hätten.“
Nun verfolgt Bremser aus der nahen Ferne, was im Volkspark passiert. „Ich hoffe für die Stadt, den Verein und alle seine Mitarbeiter, dass der HSV bald wieder in der Bundesliga spielt. Der Aufstieg wird immer der Anspruch sein, dem man sich beim HSV stellen muss. Dem haben wir uns auch gestellt. Der muss auch in dieser Saison das Ziel sein.“
Seine eigene Zukunft sieht Bremser gelassen. „Seit ich 13 bin, ging es immer weiter“, sagt er. Die längste Pause waren mal sechs Wochen zwischen den Trainerstationen Wolfsburg und Mönchengladbach. Klar ist, dass er in einer Trainerfunktion bleiben will. „Ich kann mir viele Dinge vorstellen. Aber es muss eben auch passen“, sagt Bremser zum Ende des Gesprächs, ehe es Richtung Golfplatz geht, um sein Handicap zu verbessern. „Ich bin ja noch am Anfang“, sagt er. Auch sein Ende im Fußball, so viel ist sicher, ist noch lange nicht gekommen.