Hamburg. Zum dritten Mal startet der HSV die Mission Aufstieg – mit neuem Personal und neuer Hoffnung. Doch es gibt eine Schwachstelle.

Es war 17.15 Uhr, als Daniel Thioune am Mittwoch die lange Treppe hinauf Richtung Volksparkstadion ging. Der neue HSV-Trainer hatte soeben seine erste Trainingseinheit mit seiner neuen Mannschaft hinter sich gebracht, ehe er noch kurz über seine Saisonziele sprach. Und natürlich wurde Thioune auch auf das große Ziel angesprochen, das der HSV zwei Jahre lang immer wieder formuliert, am Ende aber zweimal verfehlt hatte: den Aufstieg.

Also stand Thioune, graues T-Shirt, schwarze Shorts, weiße Stutzen, vor vier Kamerateams und sagte: „Wenn ich eine Treppe hochgehe, ist das ein Aufstieg. Über Dinge zu sprechen, die in weiter Ferne liegen, bringt aber nichts“, sagte Thioune und machte klar: „Wir müssen im Hier und Jetzt leben. Wir müssen hart dafür arbeiten, um Träume und Wünsche zu realisieren. Dafür müssen wir viel Zeit auf dem Platz verbringen.“

HSV-Trainer Thioune schlägt neue Töne an

Gesagt, getan. Um 15 Uhr war der 46-Jährige mit 27 Spielern, seinen Co-Trainern Merlin Polzin und Hannes Drews sowie dem Funktionsteam auf den Platz gegangen. Zwei Stunden lang sollte der Cheftrainer gleich in seiner ersten Einheit mit der Mannschaft arbeiten. Mit einem „Moin“ und einem „Tag zusammen“ hatte Thioune um 15 Uhr die Trainingsgäste begrüßt.

Anders als in den Vorjahren, als immer 500 bis 1500 Fans den Auftakt verfolgten, waren es an diesem Mittwoch nur fünf Fotografen, vier TV-Teams und ein Dutzend Reporter, denen das Gesundheitsamt Zugang zum Trainingsgelände gewährte. „Es ist schade, dass wir nicht mehr Zuschauer dabeihaben können“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt. „Der Himmel ist blau, die Sonne scheint, und es weht ein frischer Wind. Auch auf dem Platz.“

Der neue HSV-Chefcoach Daniel Thioune (M.) beim Trainingsauftakt mit seinen Assistenten Hannes Drews (l.) und Merlin Polzin.
Der neue HSV-Chefcoach Daniel Thioune (M.) beim Trainingsauftakt mit seinen Assistenten Hannes Drews (l.) und Merlin Polzin. © WITTERS | Valeria Witters

Damit meinte Boldt vor allem Daniel Thioune. „Ich habe den Trainer schon mehrfach lautstark wahrgenommen.“ Thioune ließ zunächst seinen Co-Trainer Polzin die Übungen anleiten, ehe er sich gleich bei den ersten Passübungen immer wieder lautstark einschaltete. „Der erste Ballkontakt muss immer offensiv sein. Wir müssen unser Balltempo erhöhen“, rief Thioune in einer Lautstärke, die man in den vergangenen Jahren im Volkspark wohl noch nicht gehört hatte. „Nicht alles hat mir in der Technikeinheit so gefallen, wie ich es mir gewünscht hätte. Da muss ich ein wenig geduldiger sein“, sagte Thioune, ehe er den rund 50 Stufen steilen Aufstieg zurück ins Stadion startete.

Aller guten Dinge sind drei, könnte man sagen, wenn es um die neue Saison des HSV geht. Oder man könnte es wie Jonas Boldt sagen: „Weniger reden, mehr machen.“ Dass sich die Verantwortlichen mit einer Formulierung des Saisonziels schwertun, hat auch mit der noch lange nicht abgeschlossenen, aber gleichsam unsicheren Kaderplanung zu tun. „Es sind sicher noch Neuzugänge willkommen“, sagte Thioune, der nach Bruno Labbadia (2016), Markus Gisdol (2017), Christian Titz (2018) und Dieter Hecking (2019) den ersten Neustart des neuen Jahrzehnts dirigiert.

Von einem Umbruch, wie er im Vorjahr passierte, kann im Sommer 2020 allerdings keine Rede sein. Standen im Juni 2019 gleich sieben Neuverpflichtungen beim ersten Training auf dem Platz, waren Klaus Gjasula (30) und Amadou Onana (18) am Mittwoch die einzigen Zugänge unter den 26 Spielern. Lukas Pinckert, Bryan Hein, Jonah Fabisch (18) und Herdi Bukusu (20) aus der U 21 dürften nur Insider auf Anhieb erkannt haben. Vieles erinnert an den Neustart 2018, als Trainer Titz gleich eine ganze Mannschaft an Nachwuchstalenten in den Profikader einbaute. Einzig für Khaled Narey sollte der HSV in der damaligen Transferperiode eine Ablöse zahlen.

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Ähnlich wird es zwei Jahre später aussehen. Zum einen hat der Club nur geringe wirtschaftliche Möglichkeiten, zum anderen kommt der Transfermarkt coronabedingt noch überhaupt nicht in Gang. Die Verunsicherung ist sowohl bei den Clubs als auch bei den Beratern zu spüren. Dem HSV bleibt daher nichts anderes übrig, als sich zunächst mit ablösefreien Spielern zu beschäftigen.

Thioune fordert Verstärkung für Defensive

Doch die Optionen sind überschaubar, vor allem auf der Problemposition in der Innenverteidigung. Über Spieler wie Benedikt Höwedes (vor seinem Karriereende) oder Sebastian Langkamp, der in Bremen keinen Vertrag mehr bekam, haben die Verantwortlichen zwar nachgedacht, aber schnell wieder Abstand genommen. Zu groß ist ihnen das Risiko bei Spielern, die ihren Zenit schon überschritten haben. Mit David Bates stellte der HSV am Mittwoch zudem einen Innenverteidiger frei, der gerade erst von einer missglückten Leihe aus Sheffield zurückgekehrt war. Der Schotte, der ohnehin keine Perspektive mehr beim HSV hat, steht unmittelbar vor einem Wechsel ins Ausland. „Es ist kein Geheimnis, dass wir in der Defensive noch Stabilität brauchen“, sagte Thioune.

Doch auch ohne weitere Neuzugänge dürfte der HSV in der kommenden Saison zu den Aufstiegsfavoriten zählen. Insbesondere, weil mit Fortuna Düsseldorf und dem SC Paderborn zwei Absteiger dabei sind, die sich zunächst einmal ganz neu aufstellen müssen. Boldt nennt daher neben diesen zwei Teams gleich eine ganze Reihe von Clubs, mit denen sich die Hamburger um die vorderen Ränge streiten werden: Heidenheim, Hannover, Holstein Kiel, Bochum, aber auch den 1. FC Nürnberg.

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Für den HSV geht es aber zunächst um andere Dinge. „Entwicklung ist unser Schlagwort“, sagte Boldt. „Wir sind ein Zweitligist, der aus den Fehlern der vergangenen Saison lernen will.“ Dann klappt es vielleicht tatsächlich im dritten Anlauf, wieder ein Erstligist zu werden. ​