Hamburg. Joel Pohjanpalo erklärt, wie der HSV von Montag an trainieren will – und warum er selbst vielleicht länger bleibt.
An diesem Sonnabend ist Joel Pohjanpalo verabredet. Natürlich nur digital. Um 11.30 Uhr wird der HSV-Stürmer in seiner Wohnung in Düsseldorf seinen Computer hochfahren und an der vereinbarten Videokonferenz mit seinen HSV-Kollegen, dem Trainerteam, der medizinischen Abteilung und dem restlichen Staff teilnehmen. Ganz oben auf der Tagesordnung steht nur eine Frage: Wie geht es weiter?
„Der Fußball fehlt mir brutal“, sagt Pohjanpalo im Gespräch mit dem Abendblatt. „Ich freue mich, wenn das Training hoffentlich bald wieder weitergeht.“ Nachdem sich zuletzt alle DFL-Clubs darauf geeinigt hatten, mit dem Mannschaftstraining bis einschließlich zum Sonntag zu pausieren, soll es in der kommenden Woche wieder losgehen.
Doch wie genau es weitergehen wird, soll auch der Finne erst in der Videokonferenz erfahren. Was er aber schon weiß: Da die Stadt Hamburg dem HSV am Freitag endlich die lang erhoffte Ausnahmegenehmigung zukommen hat lassen, soll von Montag an in drei Gruppen mit jeweils sieben Profis trainiert werden.
Jede HSV-Trainingsgruppe erhält eigene Kabine
Jede Kleingruppe bekommt einen eigenen Torhüter, einen verantwortlichen Trainer, einen Physiotherapeuten, einen Arzt – und natürlich eine eigene Kabine. Eine mögliche Ansteckungsgefahr untereinander soll auf ein Minimalrisiko reduziert werden. Um 10 Uhr soll Gruppe Nummer eins trainieren. Um 13 Uhr ist Team zwei an der Reihe. Und Pohjanpalo und Co. sind von 16 Uhr an auf dem Platz – natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
„Ich bin fit“, sagt der Angreifer, der der Coronazeit sogar etwas Positives abgewinnen kann: „In der Zwangspause konnte ich weiter gezielt an meinen Problemstellen arbeiten. Meinem Fuß, der ja vor ein paar Monaten verletzt war, geht es wieder richtig gut.“
DEG stattete Pohjanpalo mit Geräten aus
Pohjanpalo hat sich genau an die individuellen Trainingspläne gehalten, die Rehatrainer Sebastian Capel und Athletikcoach Daniel Müßig für die Coronazeit für jeden Profi geschrieben haben. Extra für ihn und den in Mönchengladbach lebenden Jordan Beyer ließ Sportvorstand Jonas Boldt sogar einen Ergometer organisieren. Das Teammanagement vom Eishockeyclub Düsseldorfer EG war behilflich und lieferte die benötigten Fitnessgerätschaften nach Hause.
Physisch dürfte dem Trainingsbeginn am Montag also nichts im Wege stehen. Doch wie sieht es psychisch aus? „Das Thema Corona schwebt ja über allem“, sagt der Hamburger Sportpsychologe Jürgen Lohr, der im täglichen Abendblatt-Podcast „HSV – wir reden weiter“ besonders in diesen Zeiten zu einem begleiteten Mentaltraining rät. „Themen, die außerhalb des Fußballs Energie binden, haben natürlich Auswirkungen“, sagt Lohr, der zwischen 2005 und 2006 18 Monate lang das Trainerteam von Thomas Doll beim HSV verstärkte. „Jemand, der sich um seine Existenz, seine Zukunft und seinen Stammplatz Sorgen macht, hat einen gesteigerten Bedarf an Coaching.“
Das sieht Pohjanpalo ähnlich, obwohl er selbst keine großen Zukunftsängste hat. „Ich persönlich bin kein Typ, der wegen Corona verstärktes Mentaltraining benötigt“, sagt er zwar, aber: „Mentaltraining ist individuell. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es Spieler gibt, die in dieser Phase einen besonderen Bedarf haben.“
Hecking hält den Draht zu den HSV-Profis
Dabei ist vor allem Pohjanpalos Zukunft „in dieser Phase“ völlig offen. Der Leihvertrag mit Leverkusen endet bereits am 30. Juni, obwohl derzeit nicht einmal klar ist, ob die Saison nicht um ein paar Monate verlängert werden muss. „Selbstverständlich wäre ich offen dafür, den Vertrag um den Zeitraum zu verlängern, um den die Saison dann ausgedehnt wird“, sagt Pohjanpalo. „Ich bin mir auch sicher, dass die Clubs für alle Spieler, deren Kontrakte zum 30. Juni auslaufen, im Falle einer Saisonverlängerung gute Lösungen finden werden.“
Und tatsächlich: Zur Freude von Cheftrainer Dieter Hecking gab der DFB bereits am Freitagnachmittag bekannt, dass die betroffenen Arbeitspapiere über den 30. Juni hinaus angepasst werden könnten.
In Zeiten von Corona und „Social Distancing“ versucht Hecking so viel wie möglich mit seinen Profis zu kommunizieren. Auch mit Pohjanpalo hat der Coach telefoniert, zudem schickte er drei Videobotschaften an die Spieler. Der gute Draht zum Team ist auch Neu-Aufsichtsratschef Marcell Jansen aufgefallen, der am Freitag Gerüchten entgegentrat, er habe ein schlechtes Verhältnis zum Trainer. „Ich kann bei solchen Spekulationen nur ungläubig den Kopf schütteln“, sagte Jansen, der laut „Sportbild“ Hecking beim 2:1-Heimsieg gegen Jahn Regensburg am 7. März heftig kritisiert haben soll. „Wenn jede Unmutsäußerung eines Vorstandes oder Aufsichtsrates bei Spielen einer Profimannschaft als Kritik am Trainer bewertet werden würde, gäbe es nach jedem Bundesligaspieltag etliche Krisensitzungen.“
Coronakrise: HSV-Profis offen für Gehaltsverzicht
Nun denn. Pohjanpalos letzte Krisensitzung ist auch schon wieder eine halbe Ewigkeit her. So kommt der Fußballer endlich auch mal zu anderen Dingen wie zum Beispiel seiner Idee, irgendwann mit einem Kumpel ein eigenes Hotel aufzumachen: „Ich habe nun ein wenig mehr Zeit, um mir genau über solche Dinge Gedanken zu machen“, sagt er. „Ich bin an mehreren Start-ups in Finnland beteiligt. Denen geht es glücklicherweise trotz Corona noch ganz gut.“ Vor drei Monaten hat er mit Freunden ein Rehazentrum aufgemacht, zudem hat er vor einiger Zeit ein Klamottenlabel gegründet. „Natürlich kümmere ich mich jetzt auch verstärkt darum, wie es wirtschaftlich für diese Unternehmen weitergehen kann. Noch haben wir finanziell keine großen Probleme, aber wenn der derzeitige Zustand noch länger andauert, wird sich das auch bei uns bemerkbar machen.“
Über sein eigenes Gehalt macht sich Pohjanpalo dagegen keine Sorgen. „Natürlich stehen wir Spieler einem eventuellen Gehaltsverzicht offen gegenüber“, sagt er. „In dieser Phase müssen alle zusammenhalten: Spieler, Mitarbeiter, Verantwortliche. Da wird es sicherlich eine gute Lösung für alle geben.“
Als Finne ist und bleibt Pohjanpalo Optimist. Der „World Happiness Report“ der UN hat die Finnen gerade erst zum dritten Mal in Folge zum glücklichsten Volk der Welt gekürt. Und das Einzige, was zu Pohjanpalos vollständigem Glück jetzt noch fehlt, wird am Montag folgen: die Rückkehr auf den Fußballplatz. Seine Verabredung um 16 Uhr steht jedenfalls – dann sogar analog.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen