Hamburg. Wie geht es für den HSV weiter? Ein Experte zeigt auf, wie der finanzielle Kollaps trotz der Spielpause verhindert werden kann.
Mit Spannung erwartet der HSV die Mitgliederversammlung der DFL am Montag in Frankfurt. Wird die Saison vorzeitig beendet? Müssen manche Vereine Insolvenz anmelden und verzichten die Spieler auf Gehalt? Der Hamburger Sportrechtler Sebastian Cording von der Kanzlei CMS erläutert im Abendblatt die Folgen für den Fußball.
Hamburger Abendblatt: Herr Cording, die Coronavirus-Pandemie hat den Fußball fast in ganz Europa lahmgelegt. Meinen Sie, dass am Montag auf der Krisensitzung der DFL ein Abbruch der Saison beschlossen wird?
Sebastian Cording: Das halte ich für unwahrscheinlich. Die Vereine werden versuchen, den finanziellen Schaden zu minimieren und die Saison zur Not mit Geisterspielen zu beenden.
Es wird aber allgemein davon ausgegangen, dass die Bundesligapause verlängert wird.
Cording: Eine interessante Frage ist, wer entscheidet, ob die Spiele stattfinden. Die Behörde kann zwar Versammlungen und Ansammlungen untersagen. Fraglich ist aber, ob die Entscheidungsbefugnis auch so weit reicht, Geisterspiele zu verbieten.
Wie geht es also weiter?
Cording: Eigentlich kann darüber nur die Liga entscheiden. Der Erstbeschluss, die Spieltage bis 2. April auszusetzen, muss auf der Mitgliederversammlung am Montag durch einen Mehrheitsbeschluss bestätigt oder aufgehoben werden. Im Grunde genommen entscheiden die Vereine daher selber über ihre Zukunft. Ich glaube aber nicht, dass im April oder Mai vor Publikum gespielt wird.
Selbst wenn sich die Liga für eine Fortsetzung des Spielbetriebs entscheidet, werden sich voraussichtlich weitere Profis mit dem Coronavirus infizieren und Mannschaften in Quarantäne müssen.
Cording: Man kann versuchen, die Saison zu retten, aber man stößt dabei natürlich auf praktische Hindernisse. Nehmen wir das Beispiel Paderborn: Die Mannschaft darf aktuell gar nicht trainieren. Sind das faire Wettbewerbsbedingungen? Dieser Fall zeigt, dass am Montag gar keine endgültige Entscheidung getroffen werden kann, sondern Woche für Woche die aktuelle Entwicklung miteinbezogen werden muss.
Für viele Vereine könnte das Virus zu Liquiditätsproblemen oder gar zur Insolvenz führen. Sollte die Saison nicht zu Ende gespielt werden, würden 680 Millionen Euro an Fernsehgeldern, Sponsoring und Ticket-Einnahmen fehlen – zumal die vierte Zahlung aus dem TV-Topf noch aussteht.
Cording: Wegen der aktuellen Infektionswelle ist es kein klassischer Vertragsbruch, den Spielbetrieb auszusetzen. Es ist eher ein Wegfall der Geschäftsgrundlage und dadurch muss der Vertrag angepasst werden. 9/34 (neun Spieltage stehen noch aus; d. Red.) könnten von der Vergütung für die Medienrechte abgezogen werden. Diesen Schaden würden einige Vereine nicht überleben.
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Wie kann eine Lösung aussehen: Müssen Spieler auf Gehalt verzichten, um den Kollaps ihrer Clubs zu verhindern?
Cording: Selbst wenn die Spiele vorerst nicht mehr stattfänden, hätten die Spieler Anspruch auf ihr Grundgehalt. Die DFL sollte die Lizenzanforderungen runterschrauben. Auch Hilfspakete des DFB dürften vonnöten sein.
Was passiert, wenn der Spielbetrieb fortgesetzt wird, sich dann aber weitere Profis mit dem Virus infizieren und die Saison nicht vor dem 30. Juni, wenn einige Verträge auslaufen, beendet wird?
Cording: Es wäre vorstellbar, die Arbeitsverträge monatsweise zu verlängern. Hierfür müssten sich aber alle Beteiligten einigen – also der Spieler, der aktuelle und der künftige Verein. Die Uefa könnte hierfür eine Empfehlung aussprechen. Am Ende kann ein Vertrag aber nicht von außen geändert werden, weil dieser zwischen dem Verein und dem Spieler gilt. Verbände und Clubs können aber Druck ausüben – das wäre auch im Interesse der Spieler.
Und wenn die Saison erst Ende des Jahres beendet werden kann?
Cording: Die Saison kann auch dann noch beendet werden, wenn Verträge schon ausgelaufen sind und Spieler transferiert wurden. Es müsste aber auf faire Wettbewerbsbedingungen geachtet werden.
Es werden aber auch schon erste Stimmen von Spielern laut – wie zum Beispiel Bayerns Thiago –, die gar nicht spielen wollen.
Cording: Solange keine konkrete Gefahr besteht, ist der Einsatz der Spieler grundsätzlich vom Direktionsrecht der Vereine umfasst. Aus arbeitsrechtlicher Sicht wäre es aber eine spannende Frage, ob Spieler berechtigt sind, sich für einen Boykott zu entscheiden, wenn ihnen die Infektionsgefahr zu groß ist.