Hannover/Hamburg. Mittelfeldspieler droht “längerer Ausfall“. Joker-Held Pohjanpalo freut und ärgert sich zugleich – wie auch Schaub und van Drongelen.

Last-Minute-Glücksgefühle bei frühlingshaften Temperaturen: Dank Joker Joel Pohjanpalo hat der HSV in letzter Sekunde einen Punkt bei Hannover 96 entführt. Der Finne köpfte beim 1:1 (0:0) in der fünften Minute der Nachspielzeit zum Ausgleich im Nordduell ein.

Dennoch verpasste die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking durch das erste Remis des Jahres nach zuvor drei Siegen das Einstellen eines Rekords: Vier Erfolge in den ersten vier Spielen eines Kalenderjahres waren dem HSV zuletzt vor 52 Jahren gelungen.

Auch die Spitze ist weiter weggerückt, Tabellenführer Arminia Bielefeld baute seinen Vorsprung durch einen 4:2-Sieg in Fürth auf drei Zähler aus. Am Montag könnte der VfB Stuttgart durch einen Sieg beim VfL Bochum zudem nach Punkten mit dem HSV gleichziehen.

HSV-Fans rekordverdächtig

Vor 49.000 Zuschauern in der ausverkauften WM-Arena am Maschsee, darunter rekordverdächtige 15.000 Hamburger (Hecking: "Das war Erstliga-Atmosphäre!"), hatte der HSV eigentlich Chancen auf mehr als einen Punkt.

Doch in der ersten Hälfte verpasste allein Sonny Kittel gleich zweimal die Führung – bei einem feinen Schlenzer war 96-Schlussmann Ron-Robert Zieler zur Stelle (10.), neun Minuten später flog ein Kopfball nach feiner Vorarbeit von Tim Leibold über das Hannoversche Gehäuse.

Gegen Ende des ersten Durchgangs trauten sich die gut organisierten Gastgeber (Hecking: "Hannover hat defensiv gut die Räume zugestellt") dann verstärkt in die Offensive und deuteten vor allem über den umtriebigen Linton Maina an, dass sie gewillt waren, ihren erst zweiten Heimsieg anzupeilen.

Rick van Drongelen zweimal abgehängt

In der 35. Minute verzog Maina allerdings knapp. Dennoch wurde bereits bei dieser Aktion deutlich, dass auf Hamburger Seite vor allem Rick van Drongelen keinen guten Tag erwischt hatte. Der HSV-Kapitän ließ sich von Maina regelrecht abschütteln.

Und so war es auch ein entscheidender Stellungsfehler van Drongelens, der Hannover nach 51 Minuten die Führung bescherte: Maina flankte, der Niederländer ließ Cedric Teuchert viel zu viel Platz zur Ballannahme, der 96-Angreifer zog ab.

Den ersten Schuss konnte van Drongelen noch reparieren, doch im zweiten Versuch verlud Teuchert nicht nur seinen Gegenspieler, sondern auch den machtlosen und ansonsten souveränen HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes. Teucherts dritter Treffer in 2020.

Die Statistik

Hannover 96

Zieler – S. Jung (77. Korb), Anton, J. Horn, Albornoz – Bakalorz, Do. Kaiser – Maina, Haraguchi, Ochs (66. Prib) – Teuchert (72. Guidetti). Trainer: Kenan Kocak

HSV

Heuer Fernandes – Beyer, Letschert, van Drongelen, Leibold – Schaub, G. Jung, Dudziak (68. Kinsombi) – Jatta (63. Harnik), Hinterseer (63. Pohjanpalo), Kittel. Trainer: Dieter Hecking

Schiedsrichter

Dr. Matthias Jöllenbeck (Freiburg)

Zuschauer

49.000 (ausverkauft)

Tore

1:0 Teuchert (51.), 1:1 Pohjanpalo (90+5)

Gelbe Karten

Kaiser, Anton, Teuchert, Albornoz –

1/6

Schaub beklagt Chancenwucher

Der HSV reagierte mit wütenden Angriffen und hatte binnen einer Minute gleich zweimal die Möglichkeit zum schnellen Ausgleich. Doch erst verzog Bakery Jatta nach perfektem Rückpass von Leibold (56.), dann rettete Waldemar Anton Kittels Flachschuss kurz vor der Linie.

"Wir haben in der zweiten Halbzeit nicht gut begonnen, aber direkt nach dem 0:1 eine Reaktion gezeigt", sagte der auffällige Schaub. "Wir hatten richtig gute Chancen und hätten uns schon früher belohnen können."

In der 63. Minute hätte van Drongelen seinen Fehler vor dem 0:1 wieder gutmachen können, doch der Innenverteidiger bekam bei seinem Kopfball nach einer Ecke zu wenig Druck auf den Ball.

Pohjanpalo und Harnik beleben den HSV

Anschließend reagierte Hecking und brachte mit Martin Harnik und Joel Pohjanpalo für den glücklosen Jatta und den völlig abgemeldeten Lukas Hinterseer zwei neue Offensivkräfte.

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Und das neue Sturmduo fügte sich prompt mit einer Chance ein: Pohjanpalo passte auf rechts zu Harnik, doch der ehemalige Hannoveraner schoss links am Tor vorbei.

Dudziak fällt wohl länger aus

Richtig bitter wurde es in der 67. Minute: Jeremy Dudziak ging im Zweikampf mit Genki Haraguchi zu Boden. Der Japaner fiel so unglücklich auf Duzdiaks linkes Knie, dass der HSV-Profi dick bandagiert vom Platz humpeln musste.

"Das sah nicht gut aus", sagte Hecking hinterher, "da ist ein längerer Ausfall zu befürchten." Ins Krankenhaus sei Dudziak allerdings vorerst nicht gekommen, stattdessen wurde er von Mannschaftsarzt Dr. Götz Welsch Richtung Hamburg chauffiert.

Das anstehende Stadtderby gegen seinen Ex-Club FC St. Pauli am kommenden Sonnabend (13 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) wird Dudziak damit aller Voraussicht nach in jedem Fall verpassen.

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Pohjanpalo trifft in allerletzter Sekunde

In der 73. Minute hatte der HSV noch einmal eine Doppelchance durch Schaub (geblockt) und Kittel (knapp über die Querlatte), in der vierten Minute der Nachspielzeit wurde ein Versuch des eingewechselten David Kinsombi von der Linie gekratzt.

Doch vorbei war das Spiel noch immer nicht: In buchstäblich letzter Sekunde holte der HSV noch einmal eine Ecke raus. Kittel servierte, Pohjanpalo köpfte – der Rest war pure Freude vor der pickepackevollen Gästekurve.

Pohjanpalo: "Das war sehr emotional"

"Wir wussten, dass sie uns bei Ecken Räume lassen", sagte van Drongelen. "Und wir wissen, dass wir mit Joel jemanden haben, der gerade in solchen Situationen gefährlich ist." Der Treffer des Stürmers sei "super" gewesen.

Und was sagte der Torschütze selbst? "Das war am Ende sehr emotional", sagte Pohjanpalo, der sich bei aller Freude über sein zweites Joker-Tor für den HSV allerdings viel mehr noch über den verpassten Sieg ärgerte. "Wir sind nicht zufrieden, wir müssen hier gewinnen."

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Ähnlich sah dies auch van Drongelen. "Es wäre unverdient gewesen, wenn wir heute verloren hätten", sagte der Kapitän. "Wir hatten auf einen früheren Treffer gehofft, dann hätten wir das Spiel denke ich noch gewonnen."

Hecking missfallen rasen und Köpfe

Dieter Hecking sah das Unentschieden am Ende als gerecht an. "In der zweiten Halbzeit haben wir ein ausgeglichenes Spiel gesehen", sagte der HSV-Trainer nach dem Spiel in seiner alten Heimat.

Zwei Umstände stießen dem 55-Jährigen aber doch noch auf: Der seiner Ansicht nach schlechte Rasen ( "Beide Mannschaften hatten mehr Probleme mit dem Platz als alles andere") und die Köpfe der eigenen Spieler.

"Wir waren gerade in der ersten Halbzeit gedanklich nicht schnell genug, das war heute unser Manko", sagte Hecking in der Pressekonferenz nach dem Spiel.

Hannovers Edelfan Nicolas Kiefer erlaubte sich schon zur Pause ein vernichtendes Urteil über den HSV. "Das ist natürlich zu wenig, wenn man aufsteigen will", sagte die ehemalige Nr. 4 der Tennis-Weltrangliste bei "Sky".