Hamburg. Osnabrücks Trainer lobt Hamburgs Transferstrategie und seinen Lehrmeister Dieter Hecking. Und Thioune hat selbst große Ziele.

Daniel Thioune sitzt zu Hause an seinem Schreibtisch, als das Abendblatt ihn am Telefon erreicht. „Ich feile gerade an dem Matchplan gegen den HSV“, sagt der Trainer des VfL Osnabrück­. „Wie der aussieht, werden Sie am Freitag sehen.“

Auch wenn Thioune­ sich nicht in die Karten schauen lassen will, können sich die Hamburger beim Zweitligaaufsteiger (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) auf ein Kampfspiel einstellen. Osnabrücks Coach erwartet von seiner Elf nicht weniger­, als in puncto Leidenschaft und Wille besser zu sein als der Spitzenreiter.

Thioune lobt HSV-Transfers Leibold und Kittel

Kaum einer verkörpert diese Art von Fußball so sehr wie Thioune. Der gerade mal elf Kilometer entfernt von der Bremer­ Brücke geborene Coach gilt als Motivator, der seine Spieler besser macht. „Wir wollen nicht zufrieden sein, sondern uns permanent entwickeln“, sagt der 45-Jährige, der diesen Willen selbst vorlebt, wie er über sich sagt. Diese­ Gabe, die er an seine Spieler weitergibt­, stellt einen großen Kontrast zum HSV dar, wo sich Spieler in der jüngeren Vergangenheit selten verbessert haben.

Daniel Thioune 2004 als Stürmer des VfB Lübeck mit seinem damaligen Trainer Dieter Hecking.
Daniel Thioune 2004 als Stürmer des VfB Lübeck mit seinem damaligen Trainer Dieter Hecking. © Witters

Dass sich dieser Negativkreislauf nun unter Hamburgs Coach Dieter Hecking­, der den Stürmer Thioune einst in Lübeck trainierte, ändert, daran glaubt nicht nur der HSV, sondern auch Thioune­: „Hamburg hat im Sommer auf hungrige Potenzialspieler gesetzt, die alle­ in die Erste Liga wollen. Spieler wie Leibold und Kittel machen schon Spaß.“

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    Thioune wäre in Osnabrück beinahe entlassen worden

    Auch Osnabrück macht in dieser Saison Spaß, um in der Sprache des Niedersachsen zu bleiben. Obwohl der Etat mit neun Millionen Euro einer der kleinsten der Liga ist, scheint sich der Tabellenelfte auf Anhieb zu etablieren. Dabei war an einen solchen Erfolg nicht zu denken, als Thioune vor zwei Jahren beim VfL übernahm. Damals war der Verein akut abstiegsgefährdet – und das in der Dritten Liga.

    Als im April 2018 der DFB-Pokal durch eine Pleite gegen Regionalligist Drochtersen/Assel (6:7 i. E.) verpasst wurde, mehrten sich die Stimmen im Aufsichtsrat, die einen Trainerwechsel forderten. Dennoch wählte Sportdirektor Benjamin Schmedes inmitten einer Serie von 13 sieglosen Partien ein branchenunübliches Mittel: Er verlängerte den Vertrag des Trainers.

    Daniel Thioune will in die Champions League

    Eineinhalb Jahre später bezeichnet Thioune die Niederlage gegen Drochtersen/Assel als „Tiefpunkt“, auch wenn sie möglicherweise als Wendepunkt diente. Denn im Anschluss gelang es ihm, „einen schlafenden Riesen zu wecken“, wie er heute sagt. Nach dem Klassenerhalt im Jahr 2018 folgte in diesem Sommer der Zweitligaaufstieg als Tabellenerster.

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    „Unsere Entwicklung findet in einem unglaublichen Tempo statt“, sagt Thioune, der diese Worte auch auf sich persönlich beziehen könnte. Fand er vor einem halben Jahr noch Gefallen an dem Gedanken, der „Christian Streich von Osnabrück zu werden“, könnte er nun schneller wachsen als der Club. Thioune verheimlicht nicht, dass er gerne einmal Bundesligatrainer sein möchte. „Genauso will ich irgendwann mal die Hymne am Dienstag- oder Mittwochabend hören. Ich setze mir nach oben keine Grenzen“, sagt der ambitionierte Coach.

    Thioune punktet bei VfL-Profis mit Eingeständnissen

    Doch was zeichnet diesen Trainer aus? „Seine Authentizität ist gepaart mit einem hohen Maß an Fachwissen und Qualität“, sagt Schmedes. Entscheidend ist aber auch Thiounes unter Profitrainern seltene Fähigkeit, eigene Mängel einzugestehen. „Ich probiere viele Dinge aus und mache dabei auch mal Fehler aus Leidenschaft.“

    Mit seiner Art gelingt es Thioune, auch bei den Spielern zu punkten, wie ein Vorfall aus der Aufstiegssaison zeigt. Beim 0:0 gegen Fortuna Köln vergab der junge Osnabrücker Stürmer Steffen Tigges fahrlässig die größte Torchance. Dennoch amüsierte er sich nach dem Spiel ausgelassen. Thioune machte ihn „vor versammelter Mannschaft rund“, erinnert sich der Coach, der sich aber am Tag darauf vor dem Team bei Tigges entschuldigte. „Meine Reaktion war überzogen“, sagt Thioune, der hinterher anerkennende SMS von seinen Profis erhielt. „Diese Geschichte zeigt, dass ich die Spieler bei unserer Reise mitnehmen will.“

    Matchplan gegen den HSV statt Drochtersen

    Eine andere Geschichte verdeutlicht, dass der Trainer auch für Konsequenz in seinen Entscheidungen steht. Seinem Stürmer Marcos Alvarez teilte er im Sommer 2018 mit, dass er seine Koffer packen könne, wenn er nicht körperlich fit aus dem Urlaub zurückkomme. Alvarez gehorchte und schoss Osnabrück in der Folgesaison mit elf Toren und neun Vorlagen in die Zweite Liga.

    Geschichten wie diese beschreiben die Vielseitigkeit von Thioune. Sie haben ihn in seiner Trainerkarriere dahin geführt, nun einen Matchplan gegen den HSV zu entwickeln – und eben nicht gegen Drochtersen/Assel.