Chemnitz/Hamburg. „Bild“-Reporter suchen in der Heimat des HSV-Profis weiter nach Beweisen. Kapitän Hunt verfasst emotionales Statement.

Nach 71 Minuten und 20 Sekunden war Bakery Jattas Arbeitstag am Sonntag vorbei. Ein Handshake mit Khaled Narey, der für den Gambier beim kritischen Spielstand von 1:2 reinkam, und eine Umarmung mit Co-Trainer Dirk Bremser. Dann wurde es erstmals in dieser Woche ruhig um den Fußballer, auf den in den vergangenen Tagen so viel eingeprasselt war.

Seit die „Sport Bild“ am Mittwoch über den Verdacht berichtet hatte, dass der HSV-Profi Bakery Jatta in Wahrheit Bakary Daffeh heiße und nicht 21, sondern 23 Jahre alt sei, entwickelte sich die Causa Jatta zum beherrschenden Thema Hamburgs. Kaum eine Stunde verging ohne mutmaßlich neue Beweise oder auch nur Gerüchte, die den Afrikaner entweder ent- oder eben auch belasteten. Unter dem Strich konnte aber bis zum Sonntagabend trotz größter Anstrengungen kein wasserdichter Beweis gefunden werden, der Jattas angezweifelte Identität wirklich widerlegte.

Jatta gut integriert

Auch deswegen ließ Trainer Dieter Hecking nach dem Spiel seinen Gefühlen einmal freien Lauf. „Ich weiß nicht, wie wir mit so einer Situation umgegangen wären, die ja nur auf Vermutungen gestützt ist. Wenn Baka etwas Unrechtes getan hat, dann muss er dafür geradestehen. Aber im Moment basiert viel auf Vermutungen. Ich bin kein Freund davon, was da alles abgegangen ist“, sagte Hecking. Und weiter: „Er hat einen gültigen Pass, eine Spielberechtigung. Und er ist super integriert. Dass das alles jetzt infrage gestellt wird von einem Medium, dafür habe ich wenig Verständnis.“

Die Fans des HSV haben ihre Unterstützung für Bakery Jatta mit einem Banner zum Ausdruck gebracht.
Die Fans des HSV haben ihre Unterstützung für Bakery Jatta mit einem Banner zum Ausdruck gebracht. © dpa | dpa

Genauso wenig Verständnis wie ein Großteil der 2500 mitgereisten Hamburger. Über die Gästetribüne hielten sie das Banner „Bakery: No matter what, we got your back“ hoch. Übersetzt: Bakery, egal was passiert, wir stehen hinter dir.

HSV-Familie hält zusammen

Das deutlichste Signal wurde allerdings nicht in Chemnitz, sondern in Hamburg gesetzt. Der verletzte Kapitän Aaron Hunt hatte bereits am Sonnabend via Instagram sehr deutlich gemacht, was er von der ganzen Diskussion um seinen Mannschaftskollegen hält. „Die Geschichte von Bakery Jatta. Eine, die mich, unsere gesamte HSV-Familie und eine ganze Stadt traurig stimmt. Eine rein auf Indizien basierende Story ist im Begriff zu einer Kampagne zu werden. Einer Kampagne, die eines Menschen nicht würdig ist“, schrieb Hunt.

Und weiter: „Hier wird ein Junge vorverurteilt, der eigentlich nie eine Chance hatte und sie trotzdem nutzte. Der geflüchtet ist und schließlich alles zurücklassen musste, um zu überleben. Der auf der Flucht war, um ein Stück von dem zu erleben, was für uns normal ist … (...) Baka, dein Verein, deine Stadt, deine (HSV-)Familie stehen hinter dir. Egal, was komme: Denn die Familie hält zusammen.“

Hecking kritisiert "Bild"-Reporter

Dass die Familie tatsächlich zusammenhält, zeigte auch Adoptivmutter­ Kurma Jarju in der „Bild am Sonntag“. Auf die Frage nach Daffeh antwortete sie nur: „Keine Ahnung, nie gehört.“

Jatta sei dagegen sehr wohl bei ihr seit seinem sechstem Lebensjahr aufgewachsen. „Seine Eltern waren sehr krank, sind früh gestorben“, sagte Jarju, die damit auch eine Behauptung Jattas, dass er keine eigene Familie mehr in Gambia habe, stützte. Auch ein Beweis dafür, dass Jatta in Wahrheit älter ist, als er immer angegeben hatte, konnten die Reporter in Jattas Geburtsort Gunjur nicht finden. Adoptivbruder Pa Saikaou (15) bestätigte sogar, dass der HSV-Profi am 6. Juni 1998 geboren sein soll.

Die „Bild“ hatte noch am Sonnabend getitelt: „Das Jatta-Märchen zerbricht.“ Das letzte Wort in dieser Geschichte ist aber noch nicht geschrieben. „Die Spurensuche geht weiter“, hieß es im letzten Satz des „BamS“-Artikels. Eine Ankündigung, der Hecking nur wenig abgewinnen konnte: „Dass man da extra nach Gambia fliegt, um da irgendetwas zu finden, das finde ich sehr, sehr schade.“

HSV: Elfmeter-Drama in Chemnitz

Riesenjubel beim HSV: Mit 8:7 nach Elfmeterschießen setzte sich das Team von Dieter Hecking gegen Chemnitz durch.
Riesenjubel beim HSV: Mit 8:7 nach Elfmeterschießen setzte sich das Team von Dieter Hecking gegen Chemnitz durch. © dpa | dpa
Die HSV-Fans zündeten mal wieder Pyrotechnik. Die Bankverbindung des Deutschen Fußball-Bundes kennen die Hamburger inzwischen ja auswendig...
Die HSV-Fans zündeten mal wieder Pyrotechnik. Die Bankverbindung des Deutschen Fußball-Bundes kennen die Hamburger inzwischen ja auswendig... © dpa | dpa
Die Fans des HSV haben ihre Unterstützung für Bakery Jatta mit einem Banner zum Ausdruck gebracht.
Die Fans des HSV haben ihre Unterstützung für Bakery Jatta mit einem Banner zum Ausdruck gebracht. © dpa | dpa
2500 HSV-Fans haben die Reise nach Chemnitz angetreten und sorgten so für eine Heimspielatmosphäre.
2500 HSV-Fans haben die Reise nach Chemnitz angetreten und sorgten so für eine Heimspielatmosphäre. © witters | witters
Die Chemnitzer Fans zeigen die Nummer elf hoch, die zuletzt der wegen seiner Nähe zur rechten Szene suspendierte Kapitän Daniel Frahn hatte.
Die Chemnitzer Fans zeigen die Nummer elf hoch, die zuletzt der wegen seiner Nähe zur rechten Szene suspendierte Kapitän Daniel Frahn hatte. © dpa | dpa
David Kinsombi (r.) stand erstmals in der Startelf beim HSV. Er kam für den verletzten Kapitän Aaron Hunt in die Mannschaft.
David Kinsombi (r.) stand erstmals in der Startelf beim HSV. Er kam für den verletzten Kapitän Aaron Hunt in die Mannschaft. © witters | witters
Viel Kunst, wie hier bei Sonny Kittel, gab es über weite Strecken der Partie nicht zu sehen.
Viel Kunst, wie hier bei Sonny Kittel, gab es über weite Strecken der Partie nicht zu sehen. © dpa | dpa
Lukas Hinterseer (r.) hatte es als einziger HSV-Stürmer schwer, sich in Szene zu setzen. Der Österreicher wirkte unglücklich in seinen Aktionen.
Lukas Hinterseer (r.) hatte es als einziger HSV-Stürmer schwer, sich in Szene zu setzen. Der Österreicher wirkte unglücklich in seinen Aktionen. © witters | witters
Bakery Jatta ließ sich den Trouble der vergangenen Woche nicht anmerken. Der Außenstürmer zeigte eine engagierte Vorstellung.
Bakery Jatta ließ sich den Trouble der vergangenen Woche nicht anmerken. Der Außenstürmer zeigte eine engagierte Vorstellung. © witters | witters
Jeremy Dudziak hatte immer wieder kluge Ideen im Mittelfeld. Chemnitz verteidigte den Ex-St.-Paulianer eng.
Jeremy Dudziak hatte immer wieder kluge Ideen im Mittelfeld. Chemnitz verteidigte den Ex-St.-Paulianer eng. © witters | witters
Xavier Amechi saß in Chemnitz zunächst nur auf der Bank. Seine Stärke im Dribbling hätte dem HSV gut getan.
Xavier Amechi saß in Chemnitz zunächst nur auf der Bank. Seine Stärke im Dribbling hätte dem HSV gut getan. © witters | witters
HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes hat keine Chance gegen den Elfmeter von Dejan Bozic.
HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes hat keine Chance gegen den Elfmeter von Dejan Bozic.
Lukas Hinterseer sorgt mit einem artistischen Schuss für den Ausgleich zum 1:1. Für den Österreicher war es das erste Pflichtspieltor.
Lukas Hinterseer sorgt mit einem artistischen Schuss für den Ausgleich zum 1:1. Für den Österreicher war es das erste Pflichtspieltor. © witters | witters
Chemnitz-Profi Matti Langer (M.) bejubelt seinen zwischenzeitlichen Treffer zum 2:1
Chemnitz-Profi Matti Langer (M.) bejubelt seinen zwischenzeitlichen Treffer zum 2:1 © dpa | dpa
Torschützen unter sich: Sonny Kittel bejubelt seinen Treffer zum 2:2 mit Lukas Hinterseer
Torschützen unter sich: Sonny Kittel bejubelt seinen Treffer zum 2:2 mit Lukas Hinterseer © dpa | dpa
HSV-Trainer Dieter Hecking sah einen engagierten HSV, der Probleme hatte, sich klare Chancen zu erspielen.
HSV-Trainer Dieter Hecking sah einen engagierten HSV, der Probleme hatte, sich klare Chancen zu erspielen. © witters | witters
Xavier Amechi (r.) kam für David Kinsombi ins Spiel und feierte so sein Debüt im HSV-Trikot
Xavier Amechi (r.) kam für David Kinsombi ins Spiel und feierte so sein Debüt im HSV-Trikot © witters | witters
Die Erleichterung war groß bei den HSV-Profis. Sie haben das Aus in Chemnitz gerade noch abwenden können.
Die Erleichterung war groß bei den HSV-Profis. Sie haben das Aus in Chemnitz gerade noch abwenden können. © witters | witters
Nach dem Spiel feierten die HSV-Profis ausgelassen mit ihren Fans. Bereits am Freitag wartet in der Liga der VfL Bochum
Nach dem Spiel feierten die HSV-Profis ausgelassen mit ihren Fans. Bereits am Freitag wartet in der Liga der VfL Bochum © witters | witters
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