Hamburg. Gegen Nürnberg machte der Türke im Februar sein bestes Spiel. Inzwischen hat sich seine Situation gravierend verändert.

Es war diese eine Situation am Donnerstagvormittag, in der das Talent von Berkay Özcan plötzlich aufblitzte. Nach einer Balleroberung schaltete er sofort um und leitete den Ball in die Tiefe weiter auf Jairo Samperio, der zum Abschluss kam. Dieter Hecking nahm die Aktion wohlwollend mit einem Nicken zur Kenntnis, denn Szenen wie diese will der HSV-Coach häufiger von Özcan sehen. Das Problem an dieser Geschichte: Sie handelt vom Training im Volkspark, der momentan einzigen Möglichkeit für den türkischen U-21-Kapitän, sich auszuzeichnen – und zwar in einem orangefarbenen Leibchen als Spieler der vermeintlichen B-Elf.

Dabei war Özcan erst im vergangenen Winter als Hoffnungsträger für die Zukunft nach Hamburg gekommen. Ex-Trainer Hannes Wolf kannte den technisch versierten Offensivspieler aus gemeinsamen Stuttgarter Zeiten und überzeugte ihn von einem Wechsel zum HSV – für eine Ablöse von 1,5 Millionen Euro. Nur zwölf Tage nach seiner Ankunft stand der 21-Jährige im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Nürnberg das erste Mal in der Startelf. In Abwesenheit von Kapitän Aaron Hunt war Özcan der kreative Kopf im Zentrum und erzielte das 1:0-Siegtor. Ein Einstand nach Maß.

Özcan hat einen anderen Anspruch

Ein halbes Jahr später trifft der HSV am Montag (20.30 Uhr/Sky) erneut auf Nürnberg. Aber Özcan ist mittlerweile weit von der ersten Elf entfernt. Beim Testspiel gegen Anderlecht (2:2) im Rahmen des Volksparkfestes kam er als einer von vier Profis gar nicht zum Einsatz. Auch beim Zweitligaauftakt gegen Darmstadt (1:1) schmorte der Türke 90 Minuten auf der Ersatzbank.

Hecking hat momentan keine Verwendung für ihn. Für die drei Rollen im Mittelfeldzentrum, wo Özcan seine Stärken am besten ausspielen kann, hat sich der Club im Sommer kräftig verstärkt. David Kinsombi (Kiel), Adrian Fein (FC Bayern), Jeremy Dudziak (St. Pauli) und Sonny Kittel (Ingolstadt) sind neu im Team. Alle vier Profis kamen gegen Darmstadt auf ihre Spielminuten – zum Leidwesen von Özcan.

„Natürlich ist mein persönlicher Anspruch ein anderer, aber ich gebe weiter Vollgas in jedem Training, um mich dem Trainer anzubieten. Mehr kann ich nicht machen“, sagte Özcan am Donnerstag im Gespräch mit dem Abendblatt. Positiv wirkt sich die dazugewonnene Kaderbreite dagegen im Training aus. Bei Einheiten, in denen bei einem Elf gegen Elf die Spielweise des kommenden Gegners simuliert wird, müssen nun nicht mehr wie in der vergangenen Saison Akteure aus der U 21 aushelfen. Am Donnerstag bildeten Kinsombi und Christoph Moritz gemeinsam mit Özcan die Mittelfeldzentrale der B-Elf. „Wegen der vielen Neuzugänge herrscht ein noch größerer Konkurrenzkampf, der mich aber auch besser machen kann“, sagte Özcan.

Neue Leistungsdichte beim HSV

Die neue Leistungsdichte im Volkspark hat seine Aussichten auf Einsätze allerdings deutlich verringert. Trotzdem verschwendet er noch keine Gedanken an einen Wechsel. „Ich will auf jeden Fall beim HSV bleiben – und zwar so lange wie möglich“, sagte Özcan, der in Hamburg einen Vertrag bis 2023 besitzt. Über die kürzlich in türkischen Medien verbreiteten Gerüchte, er könne sich diversen Topclubs der Süper Lig anschließen, war er gar verwundert.

Nach Abendblatt-Informationen hat der Club dem Mittelfeldmann auch keinen Wechsel nahegelegt. Deshalb rechnet Özcan damit, früher oder später seine Chance auf dem Platz zu bekommen. Zumal Hecking ihn nicht abgeschrieben hat. „Er hat mir persönlich seine Beweggründe erklärt, aber die Inhalte des Gesprächs bleiben unter uns“, sagte Özcan.

Um zu zeigen, dass er den Kampf um die Stammplätze annimmt, kam er im Sommer sogar eine Woche früher aus dem Urlaub zurück. Auch wenn Trainer Hecking diese Einstellung gefiel, hat sie Özcan nicht zu mehr Spielminuten verholfen. Der Kreativspieler wird deshalb genau darauf achten, wie viel Einsatzzeit er bis zum 2. September bekommt. Dann erst schließt das Transferfenster.