Hamburg. Der Brasilianer ist wieder in Hamburg, soll aber schnellstmöglich weg. Einen Nachfolger hat der HSV offenbar schon gefunden.
Für Douglas Santos war es am Sonnabend ein bisschen wie immer. An diesem Wochenende konnte der Brasilianer nach seiner verspäteten Rückkehr aus der Heimat erstmals mit der Mannschaft trainieren. Und als er zur Mittagszeit mit seinen Kollegen vom Waldlauf aus dem Volkspark zurückkam, wurde der freundlich lächelnde Südamerikaner direkt von einer ganzen Horde von Fans begrüßt. Hier ein Autogramm, dort ein schnelles Selfie. Dann hatte es der Rückkehrer auch schon geschafft.
„Gut, dass du wieder da bist“, sagte einer der Anhänger noch, ehe Santos im abgesperrten Bereich verschwand. Bleibt nur die Frage, wie lange es dauert, bis der 25-Jährige doch komplett verschwindet.
Die Frage, wann und wohin es Douglas dos Santos Justino de Melo denn nun zieht, gehört zu den spannendsten und wichtigsten Variablen des HSV-Transfersommers. „Ich glaube, dass für mich hier beim HSV Schluss ist“, hatte der Olympiasieger von 2016 wenige Minuten nach dem Saisonfinale gegen den MSV Duisburg gesagt. Einen Tag später ist Santos dann in die Heimat geflogen – mit dem festen Willen, erst wieder zurückzukommen, wenn sich ein neuer, größerer und besserer Club gefunden hat.
Leverkusen und Hoffenheim zeigten zunächst Interesse
Das Problem an diesem Vorhaben: Es findet sich auch gut einen Monat später noch immer nicht so ein Club. Das ist insofern verwunderlich, als dass mittlerweile ein halbes Dutzend von Beratern die prosperierende Zukunft des wohl besten Zweitligaspielers der vergangenen Saison zu Geld machen will. Doch letztendlich hatten lediglich Leverkusen und Hoffenheim Interesse signalisiert, haben sich dann aber doch für andere Lösungen entschieden.
Beim HSV sieht man die Entwicklung rund um Santos mit zwiespältigen Gefühlen. Einerseits würde man natürlich am liebsten auf Santos beim Projekt Wiederaufstieg setzten. Ein Wunsch, den nahezu alle Santos-Berater als völlig illusorisch bezeichnen. Andererseits würden die HSV-Verantwortlichen den Linksverteidiger für eine zweistellige Millionensumme ziehen lassen, hoffen aber darauf, dass ein so zentraler Transfer nicht erst am 31. August vonstattengeht. Der Hintergrund: Um die Lücke, die Santos hinterlassen würde, adäquat zu schließen, bräuchten Sportvorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel entsprechend Zeit. Dabei stellen sich die HSV-Chefs auch die Frage, warum es noch keiner der vielen Santos-Berater schaffte, zahlungskräftige Interessenten vorzuschlagen.
Santos wollte HSV gleich nach dem Abstieg verlassen
So übersichtlich die Anzahl der Interessenten ist, so unübersichtlich ist die Anzahl an Beratern. Hauptagent ist nach wie vor der Brasilianer Roberto Dantas, der unterstützt wird von seinem Cousin Rafael Félix. Im Hintergrund der beiden: die mächtige Agentur Traffic Sports, die sich auf den Handel von TV-Rechten und mit Fußballtalenten spezialisiert hat.
Das Problem von Dantas und Traffic: So gut vernetzt die Agentur auf dem südamerikanischen Markt und auch in der Beletage Europas ist, so wenige Kontakte pflegen die Agenten offenbar ein paar Etagen tiefer. Auch deshalb kümmert sich seit Santos’ Wechsel zum HSV in Absprache mit Dantas auch Wolfgang Meier von der Agentur AllemanhaBrasil um den hochveranlagten Außenverteidiger. Dieser wiederum wurde von Sebastian Schröder unterstützt.
Doch bereits im vergangenen Sommer, als Santos den HSV nach dem Abstieg verlassen wollte, soll Dantas wenig glücklich mit den Transferaktivitäten rund um seinen Mandanten gewesen sein. Seinerzeit stellte der Agent Volker Struth von SportsTotal eine Absichtserklärung aus, damit dieser Santos bei Schalke 04 unterbringt. Doch auch dieser Deal scheiterte – genauso wie der erste Versuch von Meier, Santos bei Bayer Leverkusen an den Mann zu bringen.
Berater versuchen Santos zu vermitteln
In diesem Jahr darf sich nun Marcus Haase von der Macospo GmbH, die mehrere Brasilianer unter Vertrag hat, versuchen. Doch auch der Rechtsanwalt konnte noch kein marktgerechtes Santos-Angebot präsentieren. „Mich hat überrascht, wie viele WhatsApp-Nachrichten man bekommt und dass einem derselbe Spieler von sieben verschiedenen Beratern angeboten wird. Da musste ich schon mal schmunzeln“, merkte kürzlich Leverkusens Sportdirektor Simon Rolfes süffisant im „Kölner Stadt-Anzeiger“ an.
Doch was, wenn all die Berater bis zum Ende der Sommer-Transferfrist kein Angebot akquirieren können? Bleibt Santos möglicherweise dann doch beim HSV? „Ja, natürlich“, sagen die HSV-Verantwortlichen. „Nein, auf gar keinen Fall“, sagen die Santos-Berater, die sich aber nicht zitieren lassen wollen. Und Santos selbst? Sagt vorerst nichts. Das hat er ja ohnehin schon sehr deutlich getan. „Ich wollte mit diesem Club viel mehr erreichen“, hatte er nach dem letzten Spiel gegen Duisburg gesagt. „Ich wollte diesem Club so gerne etwas geben. Aber es hat nicht gereicht.“
Dabei darf Santos für sich reklamieren, dass man dem wechselwilligen Profi keinesfalls ein unprofessionelles Verhalten vorwerfen kann. Trotz der geplatzten Wechsel im Vorjahr ließ sich Santos nie hängen, gab immer alles und machte auch nie falsche Versprechungen. Und auch in dieser Vorbereitung befürchtet niemand, dass sich Santos durch seine unsichere Zukunft gehen lassen könnte. Santos sei ein Guter, sagen die HSV-Chefs. Nur: Ist er auch gut beraten?
Tritt Leibold Santos' Nachfolge an?
Einen möglichen Nachfolger für Santos hat der HSV offenbar schon gefunden: Tim Leibold vom 1. FC Nürnberg. Der 25-Jährige könnte für eine festgeschriebene Ablöse von drei Millionen Euro aus seinem bis 2021 gültigen Vertrag herausgekauft werden, berichtet die "Bild"-Zeitung. Eine entsprechende Ausstiegsklausel hat der HSV bereits für Leibolds "Club"-Kollegen Ewerton genutzt, der sich Anfang dieser Woche am Volkspark vorstellen soll.
Der HSV wollte Leibold bereits vor einem Jahr holen, der linke Verteidiger entschied sich aber für den damaligen Bundesliga-Aufsteiger, für den er vergangene Saison 32 Erstligaspiele bestritt. Aber ganz gleich wie sich Leibold entscheidet: Solange Santos beim HSV ist, wird er es wohl nicht sein.