Hamburg. Was der Stürmer bei Al-Arabi verdient, wer außer seiner Mutter den Vertrag aushandelte und wie die Fanszene auf den Transfer reagiert.
"Pierre-Michel Lasogga wurde in die Wüste geschickt" – nach dem überraschenden Wechsel des langjährigen Hamburger Fußballprofis nach Katar hat dieses Bonmot Hochkonjunktur unter den HSV-Fans.
Aber auch in anderen Worten wird die Entscheidung des 27 Jahre alten Stürmers für den Al-Arabi Sports Club im Emirat auf der arabischen Halbinsel in der Anhängerschaft heiß diskutiert.
Die meistgenannten Diskussionspunkte: die umstrittenen Arbeitsbedingungen im Land des kommenden WM-Ausrichters, die problematischen Frauenrechte, der sportliche Wert des Transfers – und nicht zuletzt die Rolle von Lassogas Mutter und Beraterin Kerstin.
Bescheidene Frauenrechte und Todesstrafe
"Kerstin Lasogga wird sich durchsetzen und mehr Frauenrechte einführen", twitterte einer. Sollte der resoluten Agentin tatsächlich dieses Kunststück gelingen, wäre dies sicher als noch größere Leistung zu bewerten als der mutmaßlich erneut gut ausgehandelte Dreijahresvertrag für ihren Sohn.
Im letzten Menschenrechtsbericht von Amnesty International wurden für Katar neben dem Festhalten an der Todesstrafe zahlreiche weitere Missstände aufgeführt. "Frauen waren nach wie vor sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben von Diskriminierung betroffen", hieß es in dem Report für 2018.
Zählt für Lasogga nur das Geld?
Auch von ausgebeuteten Stadionarbeitern ist wiederholt die Rede. In den sozialen Medien musste sich Lasogga prompt harter Vorwürfe erwehren. "Du liebst den Fußball nicht, sondern das Geld", schrieb ein Fan auf der Instagram-Seite des Profis.
"Mit 27 Jahren dem Geld nach Katar hinterhergelaufen, das sagt doch alles über einen 'Profisportler'", urteilt ein anderer auf "Transfermarkt.de". Rudi Völler und dessen Urteil über das frühe Karriereende von Marcell Jansen ("Den Fußball nie geliebt") lassen grüßen.
Lasogga war Hamburgs Topverdiener
Zur Erinnerung: Beim HSV war Lasogga mit geschätzten 3,4 Millionen Euro brutto plus Prämien auch in der Zweiten Liga der Topverdiener. Der zum 30. Juni auslaufende Vertrag wurde auch deshalb nicht verlängert, weil der Aufstieg verpasst wurde.
In der Ersten Liga hätte der HSV Lasogga fortan aufgrund einer selbst auferlegten Gehaltsobergrenze nur noch mit maximal zwei Millionen Euro pro Jahr entlohnt. Doch ein entsprechendes Angebot, über das hätte verhandelt werden können, kam folglich nie zustande.
Lasogga soll sein Gehaltsniveau halten
Dafür war nun die Offerte aus der Wüste umso lukrativer. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll Lasogga bei Al-Arabi in den nächsten drei Jahren deutlich mehr als zehn Millionen Euro netto verdienen. Abstriche machen muss der Stürmer demzufolge keine.
Zum Vergleich: Der spanische Ex-Weltmeister Xavi, der im Wüstenstaat gerade erst seine Karriere ausklingen ließ, soll beim al-Sadd Sport Club zuletzt rund zehn Millionen Euro im Jahr verdient haben.
Erste Anfrage vor mehreren Monaten
Ausgehandelt wurde Lasoggas Vertrag dem Bericht zufolge nicht nur von dessen Mutter, sondern auch Berater Didier Frenay, der zuvor unter anderem schon Superstar Kevin De Bruyne für rund 76 Millionen Euro von Wolfsburg zu Manchester City transferiert hatte.
Der Kontakt nach Katar soll bereits vor mehreren Monaten hergestellt worden sein, im Mai sei Lasogga dann erstmals zu seinem künftigen Arbeitgeber gereist. Lose Anfragen von Schalke und aus England habe Lasogga nicht weiter verfolgt.
Um möglichst schnell Planungssicherheit zu erreichen, habe er stattdessen Al-Arabi den Zuschlag gegeben. Laut "Bild" werden Lebensgefährtin Salina und die gemeinsame Tochter den Stürmer in sein neues Abenteuer begleiten.
Witze über künftigen Nachnamen
"Dieser außergewöhnliche Verein" werde "immer Teil meines Herzens, meines Lebens und meiner Erinnerungen bleiben", schrieb Lasogga jüngst im Internet zu seinem Abschied, der ihm auf dem Rasen des Volksparkstadions ebenso verwehrt geblieben war wie den übrigen scheidenden HSV-Kollegen.
Nun also das Reich der Scheichs. Manch einer fragt sich nun im Spaß, ob Kerstin Lasogga im Paket auch die Namensrechte ihres Sprösslings neu verhandelt habe. "Er möchte künftig nur noch Al Sogga genannt werden", witzelte etwa das Fußballmagazin "Fums".
Empfiehlt sich Lasogga für die WM?
Auch im Hinblick auf die WM 2022 könnte Lasoggas Schritt einer mit Weitsicht sein. Möglicherweise winkt dem Torjäger nach Ablauf seiner Vertragslaufzeit ein Job als TV-Experte? Die ARD und Kevin Kuranyi haben es während der vergangenen Endrunde in Russland vorgemacht.
Ein anderes Szenario wird indes auch mit viel Fantasie nicht eintreten: dass Lasogga für die Nationalmannschaft Katars, immerhin aktueller Asienmeister, als aktiver Spieler selbst um WM-Tore stürmt.
Selbst wenn Lasogga eingebürgert werden würde, sprächen die Fifa-Statuten dagegen. In den Regeln zur "Spielberechtigung für Verbandsmannschaften" heißt es unter anderem, dass ein entsprechender Spieler "nach seinem 18. Geburtstag während mindestens fünf Jahren ununterbrochen auf dem Gebiet des betreffenden Verbands wohnhaft" gewesen sein muss (Artikel 7, Punkt d).
Fan: "Er wechselt standesgemäß"
"Den Fleiß seiner Karrieregestaltung hätte man sich gerne mal auf dem Platz gewünscht", sinniert ein Beobachter auf "Transfermarkt.de". Ein anderer kommentiert: "Verstehe das nicht, dass jemand seine Fußballkarriere so einfach wegwirft! In eine Operettenliga kann er mit 34 immer noch gehen!"
Wiederum andere schlagen versöhnliche Töne an. "Mit PML habe ich so viele traurige, aber auch so viele tolle Momente erlebt, da reicht keine Achterbahn der Welt aus", schreibt einer: "Für mich irgendwie ein geiler Kicker, der sich nie wirklich was zuschulden hat kommen lassen (für den guten Vertrag konnte er nix!)"
Ein anderer Diskutant wirft ein: "Die Tauglichkeit für höherklassigen Fußball wurde ihm hier doch ohnehin bereits abgesprochen. Man könnte also sagen, er wechselt standesgemäß." Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren hatte HSV-Investor Klaus-Michael den Angreifer öffentlich als "Flop des Jahrhunderts" bezeichnet.
Für die Kanone muss sich Lasogga strecken
Pierre-Michel Lasogga spielte seit 2013 beim HSV, unterbrochen durch die Ausleihe in der Spielzeit 2017/18 an Leeds United. Wettbewerbsübergreifend 49 Tore erzielte er in seinen Hamburger Jahren, darunter sein wichtiger Treffer zum Klassenerhalt 2014 beim 1:1 im Relegationsrückspiel in Fürth.
Seinen bisherigen Saisonbestwert als Profi von 13 Toren müsste Lasogga nun allerdings pulverisieren, sollte er in seiner neuen Wahlheimat nach der ersten Torjägerkanone seiner Karriere streben. In der abgelaufenen Runde der Qatar Stars League traf Schützenkönig Baghdad Bounedjah satte 39-mal.
In den beiden Jahren zuvor waren immerhin noch je 24 Treffer zum Gesamtsieg nötig. Aber womöglich steht für Lasogga ohnehin der Erfolg der Mannschaft im Vordergrund – und der blieb zuletzt aus. Die vergangene Saison schloss der siebenfache Meister Al-Arabi nur auf Rang sechs von zwölf ab.
Die HSV-Transfers 2019/20:
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