Hamburg. Der Club baumelt zwischen Liga-Tristesse und Pokal-Euphorie. Trainer Wolf bangt im Halbfinale gegen Leipzig um drei Säulen.
Hannes Wolf wirkte fest entschlossen, als er zum Mikrofon auf dem Pult im Medienraum des HSV griff. "Wir treten an, um zu gewinnen. Ein anderes Ziel kenne ich auch nicht", sagte der Trainer vor dem Halbfinale im DFB-Pokal am Dienstag gegen RB Leipzig (20.45 Uhr/ARD, Sky und im Liveticker bei abendblatt.de). Natürlich sei der Tabellendritte der Bundesliga "eine besonders gute Super-Mannschaft", aber der Pokal schreibt bekanntlich seine eigenen Gesetze. Und so hofft der Hamburger Zweitligist auf die kleine Außenseiterchance, die sich durch das Heimspiel bietet. „Wir können mit einem Sieg nach Berlin fahren", stellt Wolf richtigerweise fest. "Und dort würden sehr, sehr gerne spielen."
Unabhängig vom Ausgang der Partie wird der HSV schon in wenigen Tagen in der Hauptstadt spielen. Allerdings nicht im Olympiastadion, wo das Pokalfinale am 25. Mai ausgetragen wird, sondern im 25 Kilometer entfernten Berliner Ortsteil Köpenick, wo die Hanseaten am Sonntag (13.30 Uhr) in der Alten Försterei bei Verfolger Union Berlin gefordert sind. Nach zuletzt nur drei Zählern aus fünf Spielen hat es der HSV verpasst, sich ein Punktepolster in der Liga zu erarbeiten, um den Saisonhöhepunkt im Pokal gegen Leipzig genießen zu können.
Nun kommt das Halbfinale eigentlich zur Unzeit. Deshalb bekräftigte Wolf schon im Vorfeld, dass er die englische Woche nicht als Ausrede für einen möglichen Kräfteverschleiß beim für den Verein deutlich wichtigeren Aufstiegs-Endspiel gegen Union gelten lassen will. „Es wird nie eine Ausrede sein, dass wir Dienstag gespielt haben", sagte der HSV-Coach, der das kommende Auswärtsduell in der Liga dennoch schon für das Heimspiel gegen Leipzig im Blick behalten muss – für die Belastungssteuerung seiner Profis.
Santos und Mangala fraglich – und Hunt?
So gilt es als sicher, dass der gerade erst wiedergenesene Kapitän Aaron Hunt nicht in beiden anstehenden Partien über die volle Distanz zum Einsatz kommen wird. „Das müssen wir mit Auge entscheiden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er jetzt zweimal 90 Minuten spielen wird“, sagte Wolf, der zudem um die Einsätze von Douglas Santos (muskuläre Probleme), Kyriakos Papadopoulos (Belastungsreaktion) und Orel Mangala (Fußprellung) bangt. "Wir können erst morgen entscheiden, ob sie spielen", sagte der HSV-Trainer.
Dafür kann Wolf wieder auf die Dienste von Stoßstürmer Pierre-Michel Lasogga setzen. Der mit sechs Treffern erfolgreichste Torjäger in dieser Pokalsaison soll wie schon in der ersten Runde bei Fünftligist Erndtebrück (5:3), in der zweiten Runde bei Drittligist Wehen Wiesbaden (3:0) und im Viertelfinale in Paderborn (2:0) den Unterschied ausmachen, als er seine Mannschaft mit jeweils zwei Toren zum Sieg schoss. Gegen Aue wollte Wolf kein Risiko eingehen und brachte Lasogga, den zuvor Adduktorenprobleme geplagt hatten, erst in der Schlussphase. Nun sei der Angreifer "einsatzfähig und -bereit“, so Wolf.
Dabei wäre auch Nachwuchsstürmer Manuel Wintzheimer, der zuletzt in Köln (1:1) und gegen Aue getroffen hatte, wegen seiner Schnelligkeit gegen die spiel- und sprintstarken Leipziger eine Option gewesen. Denn anders als in der Liga, wird der HSV wohl erstmals in dieser Saison weniger Ballbesitz als der Gegner haben und zwangsläufig auf Konter setzen müssen.
Becker: Aufstieg steht dem DFB-Pokal
Doch für Wolf scheinen Lasoggas Abschlussqualitäten wichtiger zu sein als seine Geschwindigkeitsdefizite. "Leipzig über extrem viel Tempo, eine wahnsinnige Athletik und eine sehr hohe individuelle Qualität. Natürlich braucht man Speed und muss körperlich dagegen halten. Das heißt aber nicht, dass man jede Position blind mit einem Sprinter besetzt", sagt der HSV-Coach, der am Ostermontag das enttäuschte Remis gegen Aue schon wieder abgehakt hatte. „Es kommt ein völlig anderes Fußballspiel auf uns zu. Deswegen mussten wir den Blick recht schnell nach vorne richten.“
HSV gegen Aue: Erstes Aufstiegs-Endspiel verpatzt
So groß die Vorfreude auf den Halbfinalkracher gegen die seit 14 Pflichtspielen ungeschlagenen Leipziger auch ist, der HSV muss den Spagat zwischen Liga-Tristesse und Pokal-Euphorie schaffen. "Wir freuen uns total auf das Spiel gegen Leipzig, aber der Aufstieg steht über dem Pokal", sagte Sportvorstand Ralf Becker am Sonntagabend im NDR-"Sportclub". Tags zuvor hatte er erstmals zugegeben, dass der HSV aufsteigen müsse – hauptsächlich aus finanziellen Gründen.
Auf dem Weg zu diesem großen Ziel wollen die Hamburger erst einmal für einen großen Pokalabend sorgen, bevor der Ligaalltag wieder eintritt. Denn eines ist für Hannes Wolf klar: "Es wäre total falsch, das Spiel herzuschenken."