Unglaublich, aber wahr: Topfavorit Manchester City bejubelt eine historische Aufholjagd – und weckt Erinnerungen an bessere HSV-Tage.

Gelsenkirchen/Hamburg. Die Sensation war zum Greifen nah für Schalke 04. Doch dann schlug Manchester City in den letzten fünf Minuten des Achtelfinal-Hinspiels gleich zweimal eiskalt zu. Erst sorgte Leroy Sané (85.) bei seiner Rückkehr zu seinem Ausbildungsverein mit einem traumhaften Freistoß für den Ausgleich. Und in der Nachspielzeit erzielte Raheem Sterling nach einem üblen Aussetzer des Ex-St.-Paulianers Bastian Oczipka auch noch den 3:2-Siegtreffer für den Topfavoriten auf den Champions-League-Titel.

Die Einwechslung von Sané (r.) war Guardiolas wichtigster Schachzug gegen Schalke.
Die Einwechslung von Sané (r.) war Guardiolas wichtigster Schachzug gegen Schalke. © imago/Laci Perenyi

Damit begruben die von Pep Guardiola trainierten Engländer sämtliche Träume der Königsblauen – und schafften zugleich Historisches. Denn die Last-Minute-Aufholjagd glückte in Unterzahl. Nach Gelb-Rot für Innenverteidiger Nicolás Otamendi (68.) war ManCity mehr als 30 Minuten dezimiert.

ManCity auf den Spuren des HSV

Schnell läuteten bei zahlreichen Statistikern die Alarmglocken. Hat es vorher überhaupt schon mal eine Mannschaft in der Königsklasse geschafft, eine Partie nach einem Rückstand und einem anschließenden Platzverweis zu drehen? Die Antwort lautet: Ja. Und tatsächlich war es nur der HSV, dem ein solches Comeback als einziges Team vor dem mit internationalen Superstars besetzten englischen Meister gelungen ist.

Atouba (r.) im Duell mit Ivica Olic, der damals noch für Moskau stürmte und das 0:1 erzielte.
Atouba (r.) im Duell mit Ivica Olic, der damals noch für Moskau stürmte und das 0:1 erzielte. © imago/Claus Bergmann

Was waren das noch für Zeiten, als der HSV zu den besten Mannschaften Europas zählte. Es war der 6. Dezember 2006, als ZSKA Moskau die von Thomas Doll trainierten Hamburger im Volkspark am Rande einer Niederlage hatte.

Rot für Atouba nach Mittelfinger-Affäre

Zuvor sah Timothée Atouba im wahrsten Sinne des Wortes Rot: Weil der Linksverteidiger nach einem verschuldeten Elfmeter bei jeder Ballberührung ausgepfiffen wurde, quittierte er die unliebsame Kritik der Zuschauer bei seiner Auswechslung (68.) mit seinen Mittelfingern, wofür er nachträglich einen Platzverweis kassierte. Ein unsportliches Vergehen, für das er vom Verein eine empfindliche Geldstrafe aufgebrummt bekam sowie für zwei Spiele suspendiert wurde.

Doch davon ließen sich Atoubas Mitspieler nicht beirren: Dank zwei späten Toren von Rafael van der Vaart (84.) und Boubacar Sanogo (90.) gewann der heutige Zweitligist noch mit 3:2. Ein bis Mittwoch unerreichtes Kunststück, das der HSV nun mit Manchester City teilen muss.

Dem HSV nutzte das damals übrigens wenig: Die Aufholjagd verhinderte nur die totale Blamage, die Vorrunde gänzlich ohne Punkt zu beenden. Doll wurde knapp zwei Monate später entlassen, in die Champions League haben es die Rothosen seither nie wieder geschafft. ZSKA Moskau durfte als Gruppendritter immerhin im Uefa-Pokal weiterspielen.