Hamburg. Ausgerechnet Insolvenzexperte Rainer Ferslev wagt sich als Erster aus der Deckung. Achtung: Es ist wieder Wahlkampf beim HSV!
Rainer Ferslev will nicht lange um den heißen Brei herumreden. Der Rechtsanwalt sitzt auf einer schwarzen Couch in seiner Kanzlei direkt am Rathaus und knetet seine Hände. Über ihm hängt ein Schwarzweißbild der HSV-Meistermannschaft von 1982 an der Wand. Ernst Happel hält die Schale. Ferslev schaut kurz auf das Foto, dann sagt er: „Ich stehe bereit als HSV-Präsident.“ Einmal kurz schlucken, dann präzisiert der Jurist: „Ich kandidiere, wenn der Beirat mich zulässt.“
Es ist Wahlkampf beim HSV! Am 19. Januar soll auf der nächsten HSV-Mitgliederversammlung ein Nachfolger von Bernd Hoffmann gewählt werden. Der im vergangenen Februar gewählte Nachfolger Jens Meiers war nur drei Monate im Amt, ehe er in den Vorstand wechselte. Und obwohl die Frist für den designierten HSV-Präsidenten am 30. November abläuft und der Beirat die endgültigen Kandidaten erst am 17. Dezember bekannt geben will, bringt sich schon jetzt ein gutes Dutzend für das höchste Amt beim HSV e.V. in Stellung.
Hunke, Ferslev und Höper haben Termine beim Beirat
Prominentester Name unter den gehandelten ist Ex-Profi und Aufsichtsrat Marcell Jansen, der eine Kandidatur aber noch nicht offiziell gemacht hat. Hoffmann-Vorgänger Meier soll auch überlegt haben, allerdings eher nicht antreten. Ex-Präsident Jürgen Hunke hat dagegen am kommenden Dienstag seinen Vorstellungstermin beim Beirat, will sich aber erst nach dem Gespräch und nach der Veröffentlichung der AG-Bilanz endgültig entscheiden. Auch Ex-Aufsichtsrätin Katrin Sattelmair, die als Hoffmanns Wunschkandidatin gilt, werden ernste Absichten nachgesagt.
Auf Nachfrage erklärt die Anwältin, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt besser nichts erklärt. Der frühere Vizepräsident Ralph Hartmann bestätigt, dass er sich eine Kandidatur gut vorstellen kann. Uwe-Seeler-Kumpel Heinrich Höper ist bereits einen Schritt weiter: „Ich mache es“, sagt der Fleisch-Unternehmer. Am Mittwoch sei sein Termin beim Beirat, dem auch Frank Mackerodt angehört. Der frühere Volleyballer hatte ebenfalls erwogen zu kandidieren, hat sich aber dagegen entschieden. Und dann ist da eben auch noch Ferslev, der wie Hunke am Dienstag vorspricht.
„Mein oberstes Ziel wird es sein, die Sanierung der HSV AG voranzutreiben, damit es auch dem HSV e.V. und all den Abteilungen langfristig gut geht“, sagt der gebürtige Husumer, der passenderweise Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Insolvenzrecht ist. „Angesichts der ruinösen Bilanzen ist das große Thema beim HSV die finanzielle Sanierung dieses Clubs.“ Der 65-Jährige ist jetzt in seinem Element. „Wir müssen jeden Euro dreimal umdrehen. Auch Herr Hoffmann sagt ja immer wieder, dass wir in einer schlimmen wirtschaftlichen Situation sind. Beim HSV muss mehr Sanierungsverstand rein.“
Das erwartet der Beirat vom neuen Präsidenten
Ob aber wirklich er derjenige sein kann, der diesen Sanierungsverstand reinbringt, wird zunächst einmal der Beirat entscheiden müssen. „Wir werden mit jedem ernstzunehmenden Kandidaten ein Gespräch führen“, sagt Jan Wendt, Vorsitzender des fünfköpfigen Gremiums. Einen ganzen Strauß von Qualifikationen haben er und seine Kollegen für einen künftigen HSV-Präsidenten gebunden: Erfahrung, Führungs- und Sozialkompetenz, Team-, Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen, gerne auch Erfahrung als Sportler oder Sportfunktionär (am besten beim HSV) – und natürlich: Zeit.
Eine Kompatibilität mit den beiden noch immer amtierenden Vizepräsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer, das betont Wendt auf Nachfrage, ist keine Voraussetzung. „Wahrscheinlich wünscht sich Herr Hoffmann, dass ein Kandidat nicht nur zu den Vizepräsidenten passt, sondern vor allem zu ihm. Aber da muss ich ihn enttäuschen. Das ist kein Kriterium für den Beirat.“
Kriterium oder kein Kriterium – Ferslev betont, dass er sich eine Zusammenarbeit mit Schulz und Schaefer sehr gut vorstellen könnte: „Thomas Schulz zum Beispiel kenne ich gut.“ Nach der Ausgliederung 2014 hätten er, Schulz und viele andere HSVer in seiner Kanzlei zusammengesessen, um über Satzungsfragen zu debattieren. Ferslev zeigt auf einen Fleck auf dem Teppich. Der sei von Schulz, daran könne er sich noch erinnern. „Ich habe da keine Bedenken, wir wollen doch das Gleiche.“
Beirat spielt eine gewichtige Rolle
Doch was genau will Ferslev eigentlich? Auf jeden Fall ein besseres Verhältnis mit Investor Klaus-Michael Kühne. „Im Umgang mit Herrn Kühne läuft die Kommunikation seit Jahren falsch“, sagt er und zeigt auf ein Abendblatt, das auf seinem Bürotisch liegt. Die Überschrift: „Der Geldgipfel beim HSV“. Da stehe doch alles drin, sagt Ferslev. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass der eine oder andere keine Investoren will. Aber diesen Leuten muss man klar machen, dass wir keine Wahl haben.“
Eine echte Wahl haben aber die Mitglieder. Wobei Wendt vorab klarstellt, dass er sich kein Dutzend Kandidaten vorstellen kann: „Wir wollen eine überschaubare Anzahl an Kandidaten.“
Bei der letzten Wahl gab es lediglich zwei: Hoffmann und Meier. Und dass der alte und neue Vorstandschef Hoffmann überhaupt gegen Meier zur Wahl antreten konnte, war keinesfalls selbstverständlich. Mit drei zu zwei Stimmen konnte er seinerzeit den Beirat nur gerade so eben überzeugen. Das Ende der Geschichte ist bekannt: Mit 585 zu 560 Stimmen setzte sich Hoffmann knapp gegen Meier durch. Kurze Zeit später ließ er sich zum Aufsichtsratschef wählen, dann zum kommissarischen Vorstandschef ernennen und schließlich zum hauptamtlichen Clubchef.
„Ich bin überzeugt, dem HSV zu helfen“
Anders als manch anderer Kandidat, der nur zu gerne das ganze Spielchen noch einmal rückwärts laufen lassen würde, würde Ferslev an der jetzigen Konstellation nichts ändern: „Ich stehe hinter dem aktuellen Vorstand. Jeder bleibt erstmal auf Posten.“
So weit, so gut. Doch war da nicht noch etwas? Ferslev nimmt sich einen Aktenordner zur Hand. Genau, der Verein, für den man als Vereinspräsident ja auch noch zuständig ist. Seine Ziele: Er wolle den HSV e.V. zum größten Breitensportverein Deutschlands machen, einen Fünfjahres-Investitionsplan für alle Abteilungen erstellen, die Hamburger-Weg-Stiftung umbauen (Profis und Funktionäre sollen einen Teil ihrer Prämien abgeben, damit soll dann der e.V. finanziert werden) und am liebsten noch verdiente Ex-HSVer an Bord holen („Die Bayern nutzen ihre Ehemaligen und binden sie ein, wir vergraulen sie“).
„Noch Fragen?“, fragt der Anwalt. Ferslevs Schlussplädoyer: „Ich bin überzeugt, dem HSV als Präsident helfen zu können.“ Der Wahlkampf ist eröffnet.