Hamburg. Trainer nennt den Japaner „außergewöhnlich“. Auch ohne Kapitänsbinde soll er weiter die Rolle des Führungsspielers ausfüllen.
Als Trainer Nummer eins am Dienstagvormittag das Training des HSV um 11.30 beendet hatte, begann für Trainer Nummer zwei die eigentliche Arbeit. Christian Titz (Trainer Nummer eins) schrieb bereits eifrig Autogramme, als Gotoku Sakai (Trainer Nummer zwei) noch mit Landsmann Tatsuya Ito Eins-gegen-eins-Situationen übte. Immer wieder rollte Sakai, der gerade aus dem WM-Urlaub zurückgekehrt war, dem Youngster den Ball hin und forderte ihn zum Dribbling auf.
20 Minuten und rund 40 Autogramme später hatte auch Sakai genug. „Schon im Urlaub habe ich mich richtig auf das Training mit den Jungs gefreut“, berichtete der Japaner, der in den letzten Ferientagen auf einen Personaltrainer in Tokio zurückgegriffen hatte, um die eigene Ungeduld zu zähmen. „So einen Spieler wie Gotoku Sakai findet man selten“, zeigte sich Trainer Titz nach Sakais Rückkehr beeindruckt. „Das ist außergewöhnlich. So etwas habe ich als Trainer noch nie erlebt.“
Titz: „Er ist superdiszipliniert“
Anders als alle anderen Spieler brauchte Sakai nach seinem verlängerten WM-Urlaub auch nicht den obligatorischen Leistungstest zu absolvieren. „Go ist fit. Er ist superdiszipliniert“, sagte Titz. Am Nachmittag musste sein Musterschüler lediglich auf dem Fahrradergometer ein paar Kilometer strampeln und dabei die Herzfrequenz überprüfen lassen, weil die DFL diese Daten für die Spielgenehmigung einfordert. Klingt alles zu schön, um wahr zu sein? Ist auch nicht wahr. Die Geschichte hinter der Geschichte erzählte Sakai mit einem breiten Grinsen am Dienstagmittag. Nur weil er keine Lust auf den Leistungstest gehabt habe, sei er so fit aus dem Heimaturlaub zurückgekehrt.
Höfliches Lachen. Und dann wurde es im Gespräch mit dem 27 Jahre alten Führungsspieler doch noch einmal ernst. Denn während seine Unlust auf den Leistungstest natürlich geflunkert war, machte Sakai aus seiner Unlust auf die Nationalmannschaft nach der WM kein Geheimnis. „Ich war schon sehr enttäuscht, dass ich im entscheidenden Spiel nicht mehr auf dem Platz stehen konnte“, berichtete Sakai, der bei der Weltmeisterschaft in Russland insgesamt nur 90 Minuten gegen Polen spielen durfte. „Für Japan war die WM eine positive Überraschung, auch wenn wir knapp gegen Belgien im Achtelfinale ausgeschieden sind. Für mich persönlich war es enttäuschend, dass ich so wenig Einsatzzeit bekam.“
Emotionaler Fußballer
Sakai ist ein emotionaler Fußballer, der sein Herz auf der Zunge trägt. Sekunden nach dem Abstieg hatte er noch in der Mixedzone im Volkspark verkündet, dass er auch in der Zweiten Liga beim HSV bleiben wolle. Und nach der WM dauerte es dann auch nicht lange, ehe der Defensivallrounder seine Zukunftsentscheidung verkündete – in diesem Fall seinen Rücktritt. „Mein Rücktritt ist endgültig“, sagte Sakai am Dienstag. Direkt nach dem Achtelfinalaus gegen Belgien habe er diese Entscheidung noch in der Umkleide getroffen. „Der Hauptgrund ist, dass ich nach acht Jahren in der Nationalmannschaft nicht mehr auf der Bank sitzen wollte. Ich wollte lieber Platz für junge Spieler machen, die nun ihre Erfahrungen in der Nationalmannschaft sammeln sollen“, sagte Sakai. „Außerdem kann ich mich jetzt auf den HSV konzentrieren.“
Trainer Titz dürfte Sakais Entscheidung nicht gerade bedauern: „Go ist unser Führungsspieler. Für unsere junge Mannschaft ist er wichtig.“ Auch ohne die Kapitänsbinde, die er nach der vergangenen Saison freiwillig an Aaron Hunt weitergereicht hat. „Go ist und bleibt unser stiller Chef“, sagt Titz, der bei allem Sakai-Engagement Trainer Nummer eins ist. Und bleibt.