Hamburg. Nach dem Abstieg droht die Mannschaft auseinanderzubrechen. Auch Schipplock könnte in der Premier League unterkommen.
Wie startet man seine erste Woche als Zweitligist? Am Besten mit einer trotzigen, guten Nachricht. Und diese ließ nicht lange auf sich warten: So verkündete der HSV am Montagabend, dass seit dem Abstieg am Sonnabend mehr als 1100 Mitgliedsanträge eingegangen seien. „Das ist für mich ein überragendes Zeichen der Fans“, ließ sich Präsident Bernd Hoffmann in einer Vereinsmitteilung zitieren. Kurz darauf brachte der Ab-sofort-Zweitligist am Volksparkstadion eine Art Entschuldigungsbotschaft für seine treuen Anhänger an. „Es gibt sicherlich andere Vereine, die würden es euch leichter machen“, steht dort. „Das macht uns aber auch traurig, weil wir euch kaum etwas zurückgeben konnten.“
Damit sich das ändert, soll die gute Nachricht Nummer zwei bereits an diesem Dienstag folgen. Dann will der HSV verkünden, dass Trainer Christian Titz, der am Montag mit seinem Berater Marcus Noack und den Club-Verantwortlichen letzte noch offenen Details klären konnte, auch in Zukunft Cheftrainer der Profis bleibt.
Während also Titz als Architekt für das Projekt Wiederaufstieg gehalten werden kann, droht seine Mannschaft zu zerfallen. Denn klar ist bislang nur, dass noch einiges unklar ist. Die HSV-Verantwortlichen um Kaderplaner Johannes Spors, die sich heute zu einer Perspektivkonferenz im Volkspark treffen, stehen in den kommenden Wochen vor einem Gesprächsmarathon. Der Hintergrund: Eine Reihe von Profis, die als fester Bestandteil des Zweitligakaders eingeplant waren, wollen den Club wohl verlassen. Und trotz teilweise langfristiger Verträge hat der Verein eben nicht immer das Heft des Handelns in der Hand.
Engländer sind heiß auf Pollersbeck
So besitzt Torhüter Julian Pollersbeck nach Abendblatt-Informationen durch den Abstieg eine bislang nicht öffentlich gewordene Ausstiegsklausel im höheren einstelligen Millionenbereich. Dem 23-Jährigen liegen einige Anfragen aus England vor. Eintracht Frankfurt, das Pollersbeck noch zu Zeiten, als er Reservist beim HSV war, verpflichten wollte, ist dagegen aus dem Poker ausgestiegen. Der Pokalfinalist will sich die festgeschriebene Ablöse nicht leisten und hat stattdessen den kostengünstigeren dänischen Nationaltorwart Frederik Rönnow für 2,8 Millionen Euro von Bröndby als Ersatz für den wohl nach Leverkusen abwandernden Lukas Hradecky geholt.
Obwohl Pollersbeck in England sowohl erstklassig Fußball spielen als auch verdienen könnte, ist sein Abschied keinesfalls beschlossene Sache. Auch ein Verbleib in Hamburg ist weiterhin denkbar. Der vor einem Jahr für 3,3 Millionen Euro von Kaiserslautern verpflichtete U-21-Europameister macht seine Zukunft neben der Vertragsverlängerung mit Trainer Titz, der Pollersbeck zur Nummer eins geformt hat, davon abhängig, ob der HSV eine schlagkräftige Mannschaft für die Mission Wiederaufstieg zusammenstellt.
Santos will vor Zweiter Liga flüchten
Und genau an dieser Stelle wird es kompliziert. Denn die Planungen für diese schlagkräftige Mannschaft haken. So will beispielsweise Linksverteidiger Douglas Santos, der als fester Bestandteil einer möglichen HSV-Aufstiegsmannschaft eingeplant ist, auf keinen Fall in der Zweiten Liga spielen. Santos’ Berater verhandeln gerade mit mehreren Interessenten in Europa mit dem Ziel, dass mindestens ein Verein dabei ist, der dem HSV ein 7,5-Millionen-Euro-Angebot macht. Also genau die Ablöse, die die Hamburger vor zwei Jahren für den Olympiasieger von 2016 überwiesen haben.
Das Problem: der HSV will Santos selbst für eine Millionensumme nicht abgeben – ganz im Gegenteil zu Filip Kostic, an dem im Winter der AC Florenz interessiert war. Doch auch beim Serben ist die Gemengelage kompliziert. So soll Hamburgs teuerster Spieler aller Zeiten unlängst seinen Berater gewechselt haben und sich fortan von Abdilgafar „Fali“ Ramadani vertreten lassen. Stimmt nicht, heißt es aus dem Umfeld des Topverdieners. Kostics Bruder, der auch beim Wechsel aus Stuttgart nach Hamburg millionenfach mitverdiente, würde den WM-Teilnehmer derzeit betreuen. Und richtig verwirrend wird es, wenn man bedenkt, dass am Freitag, also einen Tag vor dem Abstiegsfinale gegen Gladbach, Kostics bisheriger Berater Sedat Duraki im HSV-Mannschaftshotel vorbeischaute.
Für die aussortierten Mergim Mavraj und Christian Mathenia wird jedoch kaum noch Geld zu holen sein. Im Gegenteil: Mavraj soll auf eine Abfindung hoffen, Mathenia auf einen interessierten Club, bei dem er die Perspektive hat, als Nummer eins zu spielen.
Schipplock steht vor einem Wechsel in die Premier League
Die Perspektive Premier League hat Stürmer Sven Schipplock, der nach Abendblatt-Informationen kurz vor einem ablösefreien Wechsel zum Aufsteiger Cardiff City stehen soll. Auch der bisher verliehene Alen Halilovic soll unbedingt abgegeben werden. Über die Zukunft von Albin Ekdal, der bei einer Millionenablöse gehen darf, tauschte sich am Montag dessen Berater Martin Klette mit Kaderplaner Spors aus – Ergebnis offen.
Ein neuer Vertrag soll dagegen Lewis Holtby in den kommenden Tagen vorgelegt werden. Der Leistungsträger der vergangenen Wochen ist ein Wunschspieler von Christian Titz. „Der Trainer hat eine ganz wesentliche Rolle bei der Zusammenstellung des Kaders. Sein Wort wird Gehör finden“, antwortet Aufsichtsratschef Hoffmann auf die Frage, ob Holtby nun doch bleiben könne. „Aber es muss sich in einem wirtschaftlichen Rahmen bewegen, den der Zweitligist HSV stemmen kann.“
Der HSV – Meilensteine der Bundesliga-Geschichte
Genau daran wird es wohl in den ebenfalls anstehenden Verhandlungen mit Aaron Hunt scheitern. Dem Spielgestalter, dessen Vertrag ausläuft, liegen fünf Anfragen aus der Bundesliga und der Türkei vor. Hunt, mit 3,5 Millionen Euro einer der Topverdiener, wäre zu deutlichen Gehaltseinbußen bereit, jedoch nicht in der Größenordnung, die der HSV anstrebt.
Kurz vor der Einigung steht der Club dagegen mit Christoph Moritz. Der Vertrag des Mittelfeldspielers, der gerade als Kapitän mit Kaiserslautern in die Dritte Liga abgestiegen ist, läuft aus, er wäre somit ablösefrei zu haben. In Hamburg würde Moritz auf einen alten Bekannten treffen. Der 28-Jährige engagierte Titz einst genauso wie Lewis Holtby als Individualtrainer. „Ich finde, er ist menschlich und fußballerisch ein ganz toller Spieler“, sagte Titz vor Kurzem bei „transfermarkt.de“. Sollte Moritz, der bereits vor der Beförderung von Titz auf dem Einkaufszettel stand, bis zum Wochenende beim HSV unterschreiben, wäre die gute Nachricht Nummer drei in der ersten Woche als Zweitligist perfekt.
Aller guten Dinge sind eben drei.