Hamburg. Hamburgs Toptorschütze Filip Kostic spricht über seinen Abstieg mit Stuttgart, seine häufigen Leistungskurven und die WM in Russland.

Filip Kostic sieht man selten lachen. Der Serbe, im Sommer 2016 für 14 Millionen Euro vom VfB Stuttgart zum HSV gekommen, wirkt irgendwie immer ein wenig bedrückt. In dieser Woche aber ist vieles anders. Nicht nur das Frühlingswetter in Hamburg. Flügelstürmer Kostic strahlt im Training wie selten zuvor. Der erste Sieg des HSV seit 15 Spielen, das 3:2 gegen Schalke, hat wieder ein wenig Leichtigkeit in den Alltag der Profis gebracht.

Seit vier Jahren lebt Kostic in Deutschland. Mit der Sprache tut sich der 25-Jährige aber noch immer schwer. Vor dem Deutschunterricht nahm sich Kostic am Mittwoch Zeit für ein Interview mit dem Abendblatt, das er lieber noch auf Englisch führt. Vor dem Duell bei 1899 Hoffenheim am Sonnabend (15.30 Uhr) spricht der Nationalspieler über den Druck in Hamburg, die WM in Russland – und seinen Lieblingsgegner.

Herr Kostic, wissen Sie, gegen welchen Bundesligisten Sie die meisten Tore geschossen haben?

Filip Kostic: Wenn Sie so fragen, war es wahrscheinlich Hoffenheim.

Ganz genau. Drei Tore in fünf Spielen. Dazu eine Vorlage. Zufall? Oder liegt Ihnen Hoffenheim?

Schwierig zu beantworten. Hoffenheim versucht immer Fußball zu spielen. Die Mannschaft steht nicht nur hinten drin und schlägt lange Bälle. Vielleicht kommt mir das als Stürmer entgegen.

Freuen Sie sich schon auf die Partie?

Natürlich.

Wir fragen deshalb, weil es in dieser Saison sicher schon viele Tage und Spiele gab, die wenig Freude gemacht haben.

Die Stimmung ist nach den letzten beiden Spielen natürlich besser. Das merken wir auch beim Training. Es sind wieder mehr Fans da. Wir bekommen Zuspruch. Die Atmosphäre im Stadion gegen Schalke war unglaublich. So macht Fußball Spaß. Aber wir dürfen uns jetzt nicht blenden lassen. Die Situation ist immer noch prekär. Wir haben nur ein Spiel gewonnen.

Unter Christian Titz spielen Sie verstärkt auf der rechten Seite. Bernd Hollerbach hat Sie im Sturm eingesetzt. Markus Gisdol hauptsächlich links. Wissen Sie überhaupt noch, wo Sie hinlaufen sollen?

Wir kennen alle unsere Aufgaben, wissen, wo wir hinlaufen müssen. Wir stehen wieder besser. Wir spielen Fußball. Die Position ist für mich nicht so wichtig. Aber wir haben eine Idee, einen Plan. Ohne ein System können wir in der Bundesliga nicht gewinnen.

Mit fünf Toren sind Sie Toptorschütze beim HSV. Trotzdem schwanken Ihre Leistungen noch häufig. Woran liegt das?

Das stimmt. Es hätten schon deutlich mehr Tore sein können. Der vergebene Elfmeter gegen Mainz zum Beispiel. Es gab noch mehr Möglichkeiten. Aber das ist Fußball. Ich versuche nicht zu viel an vergebene Chancen zu denken.

Wie können Sie es schaffen, mehr Konstanz in Ihr Spiel zu bekommen?

Das ist schwer zu sagen, hat aber natürlich viel mit der Leistung der gesamten Mannschaft zu tun. Wenn wir als Team gut zusammenspielen, ist es natürlich auch für mich leichter, meine Leistung abzurufen. Ich hoffe, dass meine Leistungskurve in den letzten fünf Spielen gerade verläuft. Auf dem höchsten Punkt der Kurve natürlich.

Sie stecken im vierten Jahr in Folge im Abstiegskampf. Mit dem VfB Stuttgart sind Sie vor zwei Jahren abgestiegen. Belastet Sie die Erinnerung daran?

Jeder Sportler will Erfolg, da tut ein Abstieg natürlich weh. Doch auch das gehört zu unserem Sport. Das ist etwas, was ich nicht rückgängig machen kann, aber auch nicht wieder erleben will. Der Druck ist in dieser Situation natürlich besonders groß. Viele Menschen leiden mit dem HSV. Auch für uns Spieler ist das nicht einfach. Ich kann nur versuchen, jeden Tag hart zu arbeiten und maximal professionell zu leben. Das fängt morgens beim Essen und beim Training an und hört abends beim Schlafen auf.

Seit Per Mertesackers Äußerungen sprechen alle über den Druck im Fußball. Empfinden Sie den Druck in Hamburg anders als etwa in Stuttgart?

Hier ist er vielleicht noch etwas höher. Der HSV ist noch nie abgestiegen. Als Spieler denkst du natürlich daran – und wirst gleichzeitig dadurch gepusht. Die Uhr im Stadion ist ein Beispiel dafür: Sie erhöht den Druck und ist gleichzeitig pure Motivation. Denken Sie an die Rettung vor einem Jahr gegen Wolfsburg. Diesen Tag werde ich nie vergessen.

Nutzen Sie die Hilfe eines Mentaltrainers?

Nein. Ich spreche viel mit meinen Freunden, meiner Familie, mit dem Trainer. Das ist mein persönliches Mentaltraining. Das hilft mir, positive Energie und Gedanken zu erzeugen.

Denken Sie schon an die WM? Sie spielen mit Serbien Ihr erstes großes Turnier­ ...

Die Weltmeisterschaft wirft langsam ihre Schatten voraus, das Thema wird präsenter. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nicht ab und an daran denke. Die Vorfreude auf die WM gibt mir auch positive Energie. Und die will ich nutzen – und zwar im Hier und Jetzt, da zählt nur die Arbeit mit dem HSV.

Serbien trifft in der Vorrunde auf Brasilien. Ein Traum für Sie?

Das wird sicherlich schön. Die Gruppe ist spannend mit der Schweiz und Costa Rica. Wir haben gute Chancen. Das ist wie hier beim HSV. (Kostic klopft mit der Hand auf den Holztisch und spricht noch zwei Sätze auf Deutsch). Alles ist möglich. Wir können es noch schaffen.