Hamburg. Sollte der Club absteigen, wäre der Japaner ein Hoffnungsträger für den Aufstieg. Wie Ito überhaupt nach Hamburg kam.
Nach 100 Minuten war der Arbeitstag für Tatsuya Ito am Sonntag beendet. Ein bisschen Pflege, ein bisschen Kraftraum. Die beste Nachricht des Tages: Der 1,63 bis 1,66 Meter große Japaner – genau weiß das beim HSV niemand – überstand den Vormittag im Volkspark unversehrt. Das war keinesfalls zu erwarten, nachdem Lewis Holtby, selbst 1,76 Meter groß, am Vorabend noch angekündigt hatte: „Heute soll er das Lob mit nach Hause nehmen. Aber morgen bekommt der Kleine wieder einen drüber.“
Holtbys Drohung nach dem 3:2 gegen Schalke war nur ein kleiner Spaß. Genauso wie Ito in den 90 Minuten zuvor. Ein großer Spaß, der sich nach der Partie über jede Menge Lob freuen durfte. „Den Ito haben wir überhaupt nicht greifen können“, gab Gästetrainer Domenico Tedesco zu. „Der war überragend – gerade im eins gegen eins.“ Das sah HSV-Kollege Christian Titz nicht anders: „Tatsuya hat eine überragende Qualität: Er ist ein absoluter Eins-gegen-eins-Spieler. Mit dem ersten Kontakt kann er im hohen Tempo an einem Gegenspieler vorbeiziehen.“
HSV bezwingt Schalke und kann wieder hoffen
Die Theorie eindrucksvoll in die Praxis umgesetzt hatte Ito in der 52. Minute. Ein schneller Antritt, ein kurzer Haken, Matija Nastasic ins Leere grätschen lassen, noch ein Haken, Leon Goretzka ausgetanzt und der präzise Pass auf den lauernden Holtby. „Das zweite Tor war das perfekte Vorbild, wie stark er im eins gegen eins ist“, lobte Rick van Drongelen später. „Die Vorarbeit war Messi (1,69 m). Lionel Ito.“
Die Mühe hat sich gelohnt
Ein größeres Lob kann man dem Kleinen kaum machen. Dabei ist es schon vier Jahre her, dass der HSV diesen kleinen Riesen bei einem internationalen Freundschaftsturnier in den Vereinigten Arabischen Emiraten entdeckt hatte. 17 Jahre alt war Ito seinerzeit, als er im Trikot von Kashiwa Reysol seinen Gegenspielern von Manchester City und Inter Mailand ähnliche Knoten in die Beine dribbelte wie am späten Sonnabend den Schalkern.
Sven Marr, heute Leiter der Geschäftsstelle des HSV-Campus, und Dieter Gundel, Chef des Nachwuchsleistungszentrums, reisten ein Jahr später nach Tokio, um vor Ort Ito, dessen Familie und die Chefs von Kashiwa Reysol, dem vom Elektronkonzern Hitachi gegründeten Fußballclub, einen Wechsel ins ferne Hamburg schmackhaft zu machen. Ihr Joker im Gepäck: ein altes HSV-Trikot. Der damalige Hauptsponsor auf der Brust: Hitachi.
Spätestens drei Jahre später ist klar, dass sich die Mühe gelohnt hat. Im Dezember verlängerte der HSV mit Ito bis Mitte 2021 – ohne Ausstiegsklausel. Und sollte der kleine Wirbelwind den Abstieg nicht verhindern können, ist er als Hoffnungsträger für den Wiederaufstieg fest eingeplant. Als großer Hoffnungsträger natürlich.