Hamburg. Der neue Chefscout Johannes Spors arbeitet bereits am künftigen Kader. Dafür gab es ein erstes Treffen mit Präsident Bernd Hoffmann.

Harry Potter lächelt freundlich und streckt höflich die Hand zur Begrüßung entgegen. „Hallo“, sagt der sympathische Zauberlehrling und fragt, ob man in eine der Logen des Volksparkstadions gehen wolle. „Dort haben wir ein bisschen mehr Ruhe.“

Selbstverständlich ist Harry Potter nicht wirklich Harry Potter, sondern Johannes Spors. Doch der neue Kaderplaner und Chefscout des HSV sieht
Joanne K. Rowlings Fantasyhelden zumindest auf den ersten Blick durchaus ähnlich: Seitenscheitel, Brille, jugendhaftes Gesicht. Und ausgerechnet dieser eher unbekannte Fast-Harry-Potter soll nun das Zauberwerk vollbringen, den HSV fit auch für die Zukunft in der Zweiten Liga zu machen.

„Sehr attraktives Projekt im Abstiegsfall“

Abrakadabra. Doch Spors ist keiner, der den Zauberstab schwingt und magische Sprüche raushaut. „Das Szenario Zweite Liga habe ich natürlich auch bei meiner Vertragsunterschrift auf dem Schirm gehabt“, sagt der 35-Jährige, der relativ unbeachtet am 1. Februar seinen Job begonnen hat. „Mein Hauptziel ist es, den bestmöglichen Sommer vorzubereiten. Das ist das, was ich den ganzen Tag lang mache.“

Künftiger HSV-Kader: Wer bleibt, wer geht?

In der Loge angekommen hat man einen herrlichen Blick auf den Platz, auf dem der HSV am Sonnabend beim 0:0 gegen Mainz die wohl letzte realistische Chance auf den Klassenerhalt verspielt hat. „Trotz aller Untergangsszenarien: Der HSV ist weiterhin ein spannender Club für viele Spieler“, sagt Spors optimistisch und trotzig zugleich. „Dieses Projekt, im Abstiegsfall mit dem HSV wieder aufzusteigen, ist sehr attraktiv.“

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Spors könnte seinen Fürsprecher Todt ablösen

Alles andere als attraktiv scheint dagegen die Rolle, die Projektleiter Spors derzeit einnehmen muss. Oder darf. Je nach Sichtweise. So war es ausgerechnet Sportchef Jens Todt, der den dreifachen Familienvater im Dezember von einem Wechsel vom aufstrebenden RB Leipzig zum darbenden HSV überzeugen konnte. „Johannes Spors gehört zu den absoluten Topleuten der Branche“, schwärmte Todt seinerzeit, nicht wissend, dass eben dieser Topmann nur wenig später seinen Hauptjob übernehmen könnte – die Planung der nächsten Saison. „Wir sind sehr aktiv auf dem Markt. Unsere Fühler sind ausgestreckt“, versichert Zauberlehrling Spors drei Monate später.

Tatsächlich scheint Spors die Antwort auf die Frage zu sein, wer sich eigentlich um das HSV-Leben nach dem Tod kümmern soll. Denn während sich der vor zwei Wochen zum Präsidenten gewählte Bernd Hoffmann um einen neuen Sportvorstand bemüht, haben die auf dem Papier noch immer verantwortlichen Todt und Clubchef Heribert Bruchhagen längst ausgespielt. So hat sich der Aufsichtsrat darüber verständigt, dass ein möglicher Neuaufbau in der Zweiten Liga ohne die beiden angegangen werden soll. Doch weil genau diese Zukunftsentscheidung im Hier und Jetzt ein Vakuum nach sich zieht, ist nun also Spors zur Stelle, der – Simsalabim – die drohende Lücke schließt.

HSV-Kader im Umbruch: Wer bleibt, wer geht?

Mathenia (Vertrag bis 2019; Marktwert von 2,0 Mio.)

Prognose: Der Torhüter hat seinen Berater gewechselt und denkt über einen Wechsel in Englands 2. Liga nach

Pollersbeck (Vertrag bis 2021; Marktwert von 1,75 Mio.)

Prognose: Will bleiben, sofern er in der Zweiten Liga die Nummer eins beim HSV wird

Mickel (Vertrag bis 2019; Marktwert von 250.000)

Prognose: Mit Herz und Seele HSVer. Würde wohl auch im Abstiegsfall bleiben

Hirzel (Vertrag bis 2018; Marktwert von 100.000)

Prognose: Hat nie eine Rolle gespielt, wird den HSV im Sommer ablösefrei verlassen

Papadopoulos (Vertrag bis 2020; Marktwert von 9,0 Mio.)

Prognose: Sein Verbleib ist schwer vorstellbar. In der Zweiten Liga kaum finanzierbar

van Drongelen (Vertrag bis 2022; Marktwert von 3,0 Mio.)

Prognose: Soll unbedingt für das Projekt Wiederaufstieg eine wichtige Rolle übernehmen

Mavraj (Vertrag bis 2019; Marktwert von 2,0 Mio.)

Prognose: Unsicher. Leistung und Gehalt würden in der 2. Liga kaum zusammenpassen

Thoelke (Vertrag bis 2018; Marktwert von 250.000)

Prognose: Dürfte den Club im Sommer ablösefrei verlassen

Ambrosius (Vertrag bis 2018; Marktwert von 200.000)

Prognose: Der Vertrag des Youngsters soll auch im Abstiegsfall verlängert werden

Douglas Santos (Vertrag bis 2021; Marktwert von 5,0 Mio.)

Prognose: Der Brasilianer soll dem HSV mindestens fünf Millionen Euro Ablöse bringen

Sakai (Vertrag bis 2018; Marktwert von 3,0 Mio.)

Prognose: Hat die Verhandlungen abgebrochen, dürfte im Abstiegsfall wohl gehen

Diekmeier (Vertrag bis 2018; Marktwert von 2,5 Mio.)

Prognose: Hamburgs Urgestein wird im Sommer definitiv wechseln

Behounek (Vertrag bis 2019; Marktwert von 150.000)

Prognose: Könnte als Ergänzungsspieler eingeplant werden

Pfeiffer (Vertrag bis 2021; Marktwert: k.A.)

Prognose: War schon unter Gisdol in der Bundesliga als 4. Innenverteidiger vorgesehen

Vagnoman (Vertrag bis 2018; Marktwert: k.A.)

Prognose: Ist umworben, soll aber auch in der Zweiten Liga unbedingt gehalten werden

Jung (Vertrag bis 2022; Marktwert von 4,0 Mio.)

Prognose: Gilt als gesetzt – sowohl in der Zweiten als auch in der Ersten Liga

Walace (Vertrag bis 2021; Marktwert von 7,0 Mio.)

Prognose: Soll dem HSV eine Millionensumme einbringen. Noch gibt es aber kein Angebot

Janjicic (Vertrag bis 2020; Marktwert von 750.000)

Prognose: Hätte in der 2. Liga das Zeug zum Stammspieler. Muss klar im Kopf werden

Ekdal (Vertrag bis 2019; Marktwert von 3,0 Mio.)

Prognose: Ein Verkaufskandidat. Ist in der Zweiten Liga nicht zu bezahlen

Salihovic (Vertrag bis 2018; Marktwert von 500.000)

Prognose: Sein Vertrag läuft aus. Eine Zukunft in der Zweiten Liga beim HSV ist offen

Holtby (Vertrag bis 2018; Marktwert von 3,0 Mio.)

Prognose: Der Topverdiener wird den HSV im Sommer ablösefrei verlassen

Hunt (Vertrag bis 2018; Marktwert von 1,5 Mio.)

Prognose: Hat noch kein Angebot, dürfte den Club allerdings ebenfalls verlassen

Halilovic (Vertrag bis 2020; Marktwert von 2,5 Mio.)

Prognose: Kehrt im Sommer zunächst zurück, soll aber möglichst verkauft werden

Waldschmidt (Vertrag bis 2020; Marktwert von 1,5 Mio.)

Prognose: Im Winter lehnte der HSV vier Millionen Euro vom SC Freiburg ab. Zukunft offen

Kostic (Vertrag bis 2021; Marktwert von 8,0 Mio.)

Prognose: Spätestens nach der WM hofft der HSV auf einen zweistelligen Millionenbetrag

Ito (Vertrag bis 2021; Marktwert von 1,0 Mio.)

Prognose: Könnte eines der Gesichter des Neuanfangs werden

Hahn (Vertrag bis 2021; Marktwert von 3,5 Mio.)

Prognose: Dürfte in der Zweiten Liga zu teuer für den HSV sein

N. Müller (Vertrag bis 2018; Marktwert von 3,5 Mio.)

Prognose: Der Vertrag läuft aus, sein Verbleib gilt als extrem unwahrscheinlich

Jatta (Vertrag bis 2019; Marktwert von 500.000)

Prognose: Hat das Zeug, Stammspieler in der Zweiten Liga beim HSV zu werden

Arp (Vertrag bis 2019; Marktwert von 7,5 Mio.)

Prognose: Könnte das Zugpferd in der Zweiten Liga werden, dürfte aber kaum bleiben

Wood (Vertrag bis 2021; Marktwert von 3,5 Mio.)

Prognose: Schoss vorletzte Saison 17 Tore in der Zweiten Liga, ist aber viel zu teuer

Schipplock (Vertrag bis 2018; Marktwert von 500.000)

Prognose: Wird den Verein aller Voraussicht nach ablösefrei im Sommer verlassen

Knöll (Vertrag bis 2018; Marktwert von 250.000)

Prognose: Wechselt ablösefrei zum 1. FC Nürnberg

Lasogga (Vertrag bis 2019; Marktwert von 2,5 Mio.)

Prognose: Zu teuer. Der einzige, dessen Vertrag (3,4 Mio.) nicht angepasst werden würde

Altintas (Vertrag bis 2019; Marktwert von 400.000)

Prognose: Ist noch an Akin Corap Giresunspor verliehen. Seine Zukunft ist offen

1/35

* Rot: Spieler, die den HSV wohl verlassen. Grün: Profis, die eher bleiben. Schwarz: Zukunft offen. Marktwert-Quelle: transfermarkt.de

„Sehr guter Austausch“ mit Hoffmann

Ein erstes Treffen zwischen Hoffmann, dem Mann im Vordergrund, und Spors, dem Mann im Hintergrund, hat es bereits gegeben. „Vorher kannten wir uns nur flüchtig. Wir haben uns jetzt aber kennengelernt“, sagt Spors. „Das war ein sehr guter Austausch.“

Tatsächlich beruht der „sehr gute Eindruck“ auf Gegenseitigkeit. Auch Hoffmann hält große Stücke auf den einstigen RB-Chefscout, der in Leipzig maßgeblich an der Entdeckung und Verpflichtung von Rohdiamanten wie Timo Werner, Ibrahima Konaté und Jean-
Kévin Augustin beteiligt war. Beim HSV, das wissen natürlich auch Hoffmann und Spors, wird man nun allerdings etwas kleinere Brötchen backen.

Spors will sich in Nischen bewegen

„Der Markt ist brutal. Es ist ja allgemein bekannt, was Leipzig für Umaro Embalo (15 Millionen Euro, die Red.) ausgeben wollte“, sagt Spors. „Da kann der HSV natürlich nicht mithalten.“ Ein wenig Zauberei traut sich der gebürtige Heidelberger aber zu. „Durch unsere
finanziellen Möglichkeiten müssen wir uns im Nachwuchs- und im Profiscouting in Nischen bewegen.“

Spors weiß, wovon er spricht. Der studierte Lehrer (Sport und Politik) hat selbst nie höherklassig Fußball gespielt, wusste aber schon immer, dass er trotzdem im Konzert der Großen mitmischen wollte. Sein Lösungsansatz: Nischen besetzen. „Das Fußballgeschäft hat mich schon immer sehr gereizt“, sagt Spors, der bereits als 25 Jahre alter Student als fest angestellter Analyst bei 1899 Hoffenheim arbeitete.

In Hamburg darf er am großen Rad drehen

Zehn Jahre ist das gerade einmal her. Der fünfte Teil der Harry-Potter-Saga („Der Orden des Phönix“) war gerade in die Kinos gekommen, als Spors seine steile Karriere initiierte: vom Werksstudenten zum fest angestellten Analysten zum Chefanalytiker und schließlich zum Chefscout. Von Hoffenheim zu Leipzig. Und von Leipzig zum HSV. „Grundsätzlich müssen wir nach Spielern suchen, für die der HSV in ihrer persönlichen Entwicklung ein logischer nächster Karriereschritt ist“, sagt Spors, wenn er über mögliche Neuzugänge spricht. Dabei könnte er Gleiches auch über sich selbst sagen. In Leipzig war er nur ein Teil der Ralf-Rangnick-Maschinerie, in Hamburg darf und soll er nun selbst am großen Rad drehen.

Kommentar: Der HSV muss um seine Fans kämpfen

Doch Spors ist kein Anhänger von Hokuspokus. „Die Digitalisierung hat das Scouting in den vergangenen zehn Jahren grundsätzlich verändert“, sagt er ganz nüchtern. Und mit spürbarer Begeisterung berichtet der Fußball-Theoretiker über Plattformen wie Scout7 und Wyscout, die dem HSV auch in der Zweiten Liga weiterhelfen sollen. „Es sind Bereiche entstanden über Datenanalysen, TV-Scouting und Live-Scouting. Wenn man diese drei Säulen sinnvoll verknüpft, dann bekommt man eine unheimliche Geschwindigkeit in den Scouting-Prozess und auch eine höhere Validität in den Gesamt-Prozess.“

Spors scoutet auch Trainer

Letztendlich sei das alles aber keine Hexerei. „Beim Scouting ist vor allem Tempo entscheidend“, sagt Spors, und versichert zum Ende des Gesprächs: „Wir werden nicht erst am 13. Mai entscheiden, welchen Spieler wir wollen.“

Spieler also. Und der neue Sportvorstand? Der neue Vorstandschef. Und vor allem der neue Cheftrainer? Eine schnelle Frage also noch ganz zum Schluss: Werden eigentlich auch Trainer beim HSV gescoutet? Harry Potter lächelt. Höflich. Aber vielsagend. „Das gehört natürlich auch dazu.“