Hamburg. Der seit 22 Spielen sieglose Bernd Hollerbach soll mit einer Gewinnserie sich und den HSV retten. Doch wie soll ihm das gelingen?
Der Blick ist entschlossen, die Arme sind vor der Brust verschränkt. Das Covermodel mit dem gepflegten Viertagebart lächelt nicht, sieht aber zielstrebig aus. „Bernd Hollerbach – wieder zu Hause“, steht unter dem Foto geschrieben. Der Hochglanztitel des aktuellen Clubmagazins „HSV live“, das auch am Donnerstag bei der turnusmäßigen Spieltagspressekonferenz auf der HSV-Geschäftsstelle ausliegt, lässt keine Zweifel aufkommen: Dieser Hollerbach weiß, was er kann.
Und fernab vom Hochglanz weiß er auch, was er nicht kann: siegen. „Natürlich sehnen wir uns alle nach dem ersten Sieg, die ganze Mannschaft genauso wie ich“, sagt der Mann, der seit 22 Spielen vereinsübergreifend auf ein Erfolgserlebnis wartet.
Hollerbachs unfassbare Negativserie
Bernd Hollerbach sitzt auf dem Podium im Presseraum. Entschlossen, fokussiert und sogar lächelnd. Dabei ist seine persönliche Bilanz vor dem symbolischen Endspiel gegen Mainz 05 am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) so gar nicht zum Lachen. In fünf Partien als HSV-Trainer holte Hollerbach von möglichen 15 Punkten lediglich zwei.
Und als Coach der Würzburger Kickers schaffte „Holler“ im vergangenen Jahr in der Zweiten Liga sogar das Kunststück, über die gesamte 17-Spiele-Rückrunde nicht zu gewinnen. Über den letzten Dreier als Profitrainer durfte sich der Fußballlehrer nach einem 3:0-Sieg mit den Kickers gegen den VfB Stuttgart kurz vor Weihnachten freuen – kurz vor Weihnachten 2016!
Doch Würzburg war gestern, heute ist der HSV. „Ich glaube immer an unsere Chance“, sagt Berufsoptimist Hollerbach. Einmal, zweimal, dreimal, viermal, am Ende sogar fünfmal in nicht einmal zehn Minuten. „Wir sind noch lange nicht abgestiegen.“
Recht hat er. Und überhaupt. Tatsächlich wäre es nicht nur ungerecht, die HSV-Krise am neuen Trainer festzumachen, es wäre absurd. Hollerbach hat vor einem Monat eine verunsicherte und völlig falsch zusammengestellte Mannschaft übernommen, die sechs Spiele in Folge nicht gewinnen konnte.
Kommentar: Warum die Zweite Liga ein Segen sein kann
Knapp fünf Wochen später ist daraus eine verunsicherte und völlig falsch zusammengestellte Mannschaft geworden, die mittlerweile seit elf Spielen in Folge nicht mehr gewinnen konnte. Hollerbach ist also keinesfalls schuld am Niedergang des HSV – verhindern konnte er ihn aber auch nicht. Oder im Hollerbach-Sprech: Er konnte den Bock nicht umstoßen.
Überrascht Hollerbach mit Vagnoman?
Mangelndes Engagement kann man dem Trainer aber nun wirklich nicht vorwerfen. „Ich rede viel mit den Jungs“, sagt er. Der 48-Jährige hat es mit unterschiedlichen Systemen (3-5-1-1, 5-2-2-1, 4-2-3-1) und unterschiedlichen Sturmvarianten (Kostic und Wood, Arp und Kostic, Hahn) probiert.
In Endspiel Nummer eins (gegen Bremen/0:1) hat er Teenie Bakery Jatta reingeschmissen, in Endspiel Nummer zwei (gegen Mainz) könnte Teenie Josha Vagnoman eine Hollerbach-Chance bekommen. Der Trainer hat den Achtstundentag eingeführt und vor dem Mainz-Spiel nun auch noch das „Camp der letzten Hoffnung“ im Steigenberger Hotel Treudelberg initiiert: „Wir brauchen einfach mal ein bisschen Ruhe.“
Er tut und macht, er macht und tut. Keiner seiner Vorgänger arbeitete so viel und so intensiv mit der Mannschaft. Keiner seiner Vorgänger wurde dafür mit so wenigen Siegen belohnt – und mit einer so schnellen Trainerdiskussion bestraft. „In Hamburg ist ja immer viel Unruhe“, sagt er. Entschlossenheit ausstrahlend. Und dabei lächelnd.
Innerhalb des Aufsichtsrats ist man sich jedenfalls einig: Geht der HSV runter, muss auch Hollerbach gehen. Dies hat zwar gar nicht der Aufsichtsrat zu entscheiden – sehr wohl aber der neue Vorstand, den dieser Aufsichtsrat sucht.
Defensivtrainer Hollerbach scheitert an Offensive
Dabei ist Hollerbach in der Theorie wahrscheinlich sogar ein guter Defensivtrainer. In der Praxis ist die Defensive allerdings nicht das Problem des HSV. Mit 0,75 Toren pro Spiel ist Hamburg das schlechteste Offensivteam der Liga, das mit 9,3 Prozent auch noch die schlechteste Chancenverwertung hat. „Wir brauchen einfach mal ein Erfolgserlebnis“, sagt Hollerbach – nach seinen sieglosen Spielen gegen Leipzig (1:1), Hannover (1:1), Dortmund (0:2), Leverkusen (1:2) und Bremen (0:1).
Anders als von Vorgänger Markus Gisdol gepredigt, forciert er das flache Spiel von hinten heraus, hat damit aber genauso wenig Erfolg wie Gisdol mit der hamburgischen Kick-and-rush-Variante. Beide Trainer haben mit demselben Problem zu kämpfen: Es fehlt die Qualität. Nun ist also das Heimspiel gegen Mainz 05 am Sonnabend das Spiel der Spiele, „das Endspiel“ („11Freunde“), das „Aller-letzte-Chance-Spiel“ („Bild“-Zeitung) oder ganz einfach „ein sehr wichtiges Spiel“ (Hollerbach).
Van der Vaart kritisiert Hollerbach
Auf den Ausgang schaut natürlich ganz Hamburg, die Bundesliga – und sogar Dänemark. Dort kritisierte Rafael van der Vaart bei Sport1, wie man überhaupt auf Hollerbach als Retter-Trainer kommen konnte: „Klar, er war früher als Profi ein Fanliebling beim HSV, aber er hat noch nie als Cheftrainer gearbeitet, sondern nur bei den Würzburger Kickers. Und beim VfL Wolfsburg war er Co-Trainer von Felix Magath.“
Und wenn dieser Hollerbach den Abstieg nicht verhindern kann? Dann würde van der Vaart seine Rückkehr anbieten. „Es wäre mir egal, ob es die Zweite Liga wäre. Es wäre mir eine Ehre. Ob als Spieler oder in einer anderen Funktion.“ Er habe zwar noch nie in der Zweiten Liga gearbeitet. Aber ein Fanliebling, das war auch er. Und eine mögliche Titelschlagzeile für die „HSV live“ gebe es auch schon: „Rafael van der Vaart – wieder zu Hause“.
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