Hamburg. Angetrunken und ohne Führerschein baute der 19-Jährige einen Unfall auf der A7 und hinterließ ein Trümmerfeld. Die Konsequenzen.
Das muss man dem HSV lassen: Gutes Timing kann er. Manchmal. Gerade hatte Trainer Bernd Hollerbach am Donnerstagmittag in der Pressekonferenz darüber berichtet, wie er seine Mannschaft auf das so wichtige Nordderby am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky und abendblatt.de) bei Werder Bremen einstellt („Mit heißem Herz und kühlem Kopf“) und den Raum verlassen, da ploppte eine Geschichte auf der Internetseite des Vereins auf. Überschrift: „Janjicic: Ich habe einen schwerwiegenden Fehler begangen.“
Damit wurde offiziell, was vorher nur vermutet werden konnte. Der Schweizer Jungprofi Vasilije Janjicic war tatsächlich der Verursacher eines schweren Verkehrsunfalls um 1.03 Uhr in der Nacht zum Donnerstag auf der A7 Richtung Süden in Höhe Waltershof. Schlimmer noch: Er fuhr mit 0,64 Promille, ohne Führerschein und versuchte gegenüber der Polizei bei der Unfallaufnahme auch noch seine Identität zu verbergen: Er sei sein Zwillingsbruder Stanko, behauptete er. Das alles, man muss es so sagen, ist dümmer als die Polizei erlaubt.
„Ich weiß, dass ich die Folgen meines Fehlverhaltens nun verantworten muss“, ließ der HSV seinen Mittelfeldspieler offiziell mitteilen. Darüber hinaus gab es über das Wieso, Weshalb und Warum der nächtlichen Alkoholfahrt keine Erklärung des 19-Jährigen.
Mannschaftsabend war angemeldet
Es hatte zuvor einen internen Mannschaftsabend der Spieler gegeben. Eine Initiative der Spieler mit Wissen von Hollerbach, aber ohne dessen Anwesenheit. Die Profis wollten sich im Abstiegskampf noch einmal untereinander einschwören, aussprechen, Zusammenhalt üben. Das sonst häufig angesetzte Vormittagstraining am Donnerstagvormittag war diesmal gestrichen. Laut HSV war die Veranstaltung aber lange vor dem Unfallzeitpunkt beendet.
Janjicic war bei dem Unfall in seinem Mercedes CLA AMG (Neupreis ab 56.000 Euro) laut Polizei „mit überhöhter Geschwindigkeit“ von der linken auf die mittlere Fahrspur gewechselt und hatte einen Toyota übersehen, der von rechts zur Mitte wechselte. Er fuhr ungebremst auf den Toyota auf. „Daraufhin schleuderten beide Fahrzeuge über die Fahrbahn, stießen gegen eine niederländische DAF Sattelzugmaschine und die Leitplanke, bevor die Fahrzeuge zum Stehen kamen“, teilte die Polizei mit. Die Autobahn war drei Stunden gesperrt. Der 49 Jahre alte Toyotafahrer wurde leicht verletzt. Janjicic und den beiden Mitfahrern ist nichts passiert. „Ich möchte mich bei allen Unfall-Beteiligten, bei meinen Mannschaftskollegen und beim HSV entschuldigen“, zitierte der HSV Janjicic offiziell.
Es drohen bis zu fünf Jahre Haft
Ihm droht nun eine harte Strafe durch die Justiz. Das Strafmaß reicht von einer empfindlichen Geldbuße bis zu einer Haftstrafe von maximal fünf Jahren, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg. Aber auch der HSV greift durch. „Das ist keine Bagatelle, sondern ein großer Fehler. Wir sind froh, dass niemand ernsthaft verletzt ist“, sagte Todt. „Er hat uns am Morgen informiert, was passiert ist und sein Fehlverhalten eingeräumt. Wir werden das intern sanktionieren.“ Wie hoch die Geldstrafe ausfallen wird, an wen sie möglicherweise zu zahlen ist, darüber hatte der HSV am Donnerstag noch keine Entscheidung getroffen. Wohl aber darüber, dass Janjicic nicht aus dem Kader für das Werderspiel gestrichen wird. „Das ist nicht geplant“, sagte Todt.
Am Nachmittag stand Janjicic dann mit seinen Kollegen auf dem Trainingsplatz. Eine Suspendierung kann sich der Club wegen der angespannten Personalsituation auf der Position im defensiven Mittelfeld nicht leisten. Sehr wahrscheinlich fallen Albin Ekdal (Sprunggelenk) und Lewis Holtby (Schienbein) gegen Bremen aus, Walace soll erst am Freitag vom Baby-Trip nach Brasilien zurückkommen. Viel zu sehen gab es im Training mit Blick auf die Partie im Weserstadion nicht. Hollerbach ließ zwei bunt gemischte Teams eine intensive Partie spielen. Werder-Spione waren nicht zu entdecken.
HSV-Spion verärgert Bremer Trainer
Anders als am Mittwoch in Bremen. Dort spürte Trainer Florian Kohfeldt beim Geheimtraining einen Mann in einer Hecke versteckt auf, der die Einheit beobachten wollte. „Wir haben den Herrn noch rechtzeitig gesehen und weggeschickt“, berichtete Kohfeldt am Donnerstag. Er vermutete einen HSV-Spion: „Die Hamburger haben versucht, unsere nicht öffentliche Einheit öffentlich zu machen“, beklagte er sich. Hollerbach zuckte nur lakonisch mit den Schultern: „Heutzutage gibt es doch keine Spione mehr, heute läuft doch alles mit Drohnen ab“, scherzte er.
Die Fluggeräte hätten in ihren Luftaufnahmen einen psychisch offenbar angeschlagenen Janjicic gezeigt. Er machte zwar seinen Fußball-Job, die Gedanken schienen aber woanders. Janjicic war mit noch 17 Jahren im September 2016 vom FC Zürich zur zweiten HSV-Mannschaft gekommen. Dort fiel der Junioren-Nationalspieler so positiv auf, dass ihn Trainer Markus Gisdol zur Rückrunde 2017 zu den Profis holte. Er bestritt seitdem zehn Bundesligaspiele. Unter Trainer Bernd Hollerbach kam er noch nicht zum Einsatz.
Janjicic kehrte mit Übergewicht zurück
Bei dessen ersten harten Trainingseinheiten konnte der Nachwuchsmann läuferisch nicht mithalten und bekam vom Verein deshalb einen Ernährungsberater an die Seite gestellt. Im Sommer war er mit sechs Kilo Übergewicht aus dem Urlaub zurückgekehrt. Im November musste er wegen eines Herpes am Auge ins Krankenhaus. Ganz einfach ist das alles in der Fremde sicherlich nicht für ihn. Todt kündigte nun an: „Wir stehen zu unseren Leuten, auch wenn sie Fehler gemacht haben. Wir werden ihn auch in den kommenden Wochen und Monaten unterstützen bei allem, was da auf ihn zukommt.“
Fußballprofis und Autos – Janjicic ist nicht der erste, der auffällig wird. Die Liste ist lang und durchaus prominent. So scheint es auch wenig verwunderlich, dass aus Bremen kaum Häme nach Hamburg schwappt: Zuletzt war deren Leistungsträger Max Kruse im Januar 2017 in einen nächtlichen Unfall verwickelt.